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Blick des Alten pendelte zwischen Shane und der „Respeto“ hin und her, ohne daß er sich schlüssig wurde, wem mehr Aufmerksamkeit zu widmen war.

      „Du solltest zur Seite treten“, sagte der graubärtige Riese.

      „Pah“, erwiderte Old O’Flynn, „ich höre schon gar nicht mehr hin, weil du ohnehin nur Stuß quasselst.“

      „So wie Mary Snugglemouse, wenn du ihr den Kopf vollaberst.“

      „Laß Mary aus dem Spiel. Was zwischen uns beiden ist, geht dich überhaupt nichts an. Soll ich dir sagen, was es dich angeht? Einen …“

      „Ich weiß“, sagte Big Old Shane. „Aber vielleicht hättest du die Güte, die Augen trotzdem mal nach hinten zu richten.“

      Old Donegal hörte auf, sich zu kratzen. Er fuhr sich mit dem Handrücken durchs Gesicht. Sein Blick ruhte auf der „Respeto“, die sich zunehmend in dichten Qualm hüllte.

      „Eine schöne Schweinerei ist das“, murmelte er. „Wenn Zustände wie da drüben auf einem englischen Schiff herrschen würden …“

      „Siiir! Old Donegal! Bist du tauuub?“

      Pfeifend atmete der Alte aus. „Was brüllt Roger hinter meinem Rücken herum?“ fragte er. „Ich bin nicht schwerhörig. Wenn der Mister Takelmeister was von mir will, soll er sich gefälligst herbemühen. Ist ja keine Weltreise.“

      Tief holte Big Old Shane Luft. Er hatte Mühe, nicht lauthals herauszuplatzen, schließlich sah er, was sich hinter Old O’Flynns Rücken abspielte. Die Männer, die damit befaßt waren, das Großsegel herumzuholen, schnitten die unmöglichsten Grimassen.

      „Du solltest dich vielleicht doch …“

      „… umdrehen? Nein. Ich stehe hier und beobachte das Geschehen auf der ‚Respeto‘. Schließlich hat sie ’ne Menge Kostbarkeiten geladen. Warum muß ich mich dabei stören lassen?“

      „Weil …“ Big Old Shane gab es auf, dem alten Dickschädel zu verklaren, was los war. Er würde schon sehen, was ihm seine Sturheit einbrachte.

      Roger Brighton und die anderen, die am Großmast hantierten, gelangten gleichzeitig zum selben Entschluß. Sie holten die Großrahrute endgültig herum.

      Old Donegal Daniel O’Flynn fühlte sich recht unsanft von der Seite her angerempelt. Erstaunlich schnell wirbelte er herum. Seine Rechte zuckte mit der Krücke hoch, aber der Schlag ging ins Leere, weil niemand hinter ihm stand.

      Der eigene Schwung ließ ihn taumeln. Ehe er sich’s versah, kippte er nach vorn, wobei die Männer an den Tauen eifrig nachhalfen, und hing unvermittelt bäuchlings über der Rahnock, die sehr schnell in die Höhe stieg.

      Nun war die Reihe an ihm, lauthals zu brüllen.

      „Das war Absicht! Ein Attentat auf den Admiral! Ich werde es euch heimzahlen, ihr heimtückisches Pack!“

      Die Arwenacks prusteten vor Lachen. Selbst Hasard grinste, als er seinen Schwiegervater auf der Rahrute liegen und wie ein Ertrinkender mit Armen und Beinen rudern sah.

      „Schimpfen, Sir, ist in deiner Lage unangebracht!“ rief der Profos. „Halte dich lieber gut fest.“

      Old Donegal antwortete mit einer unanständigen Aufforderung. Und dann zeigte er den Burschen an Deck, daß er trotz seines Alters noch lange nicht abgewrackt war und in seinen Knochen noch genügend Kraft steckte, um es mit jedem Moses aufzunehmen. Nicht einmal seine Beinprothese setzte ihm dabei sonderlich zu.

      Auf dem Bauch liegend, hangelte er sich auf der nur mehr leicht schräg stehenden Rahrute zum Mast hin. Einigen Männern stockte der Atem, als er sich dann von der Spiere gleiten ließ und vorübergehend nur mehr an einer Hand hing. Arwenack konnte kaum besser turnen, als der Alte es jetzt demonstrierte. Augenblicke später hing er an der Verstagung des Großmastes und hangelte rückwärts ab, die Beine über das Tau gekreuzt.

      Bis er wieder auf den Planken stand, war er zwar sichtlich außer Atem, doch das tat dem Staunen der Arwenacks keinen Abbruch. Old Donegal Daniel O’Flynn grinste herausfordernd.

      „Du kannst tatsächlich noch mit jedem Irrwisch mithalten“, sagte Carberry in echter Bewunderung.

      „Die Feier wird auf später verschoben!“ rief Hasard vom Achterdeck. „Oder soll die ‚Respeto‘ vor unseren Augen sinken?“

      Das wollte niemand. Schon gar nicht wegen der wunderbaren Schätze, die jede Galeone an Bord hatte.

      Mittlerweile näherten sich auch einige der anderen Schiffe. Von der „Respeto“ aus wurde ihnen signalisiert, auf Distanz zu bleiben.

      „Sieht so aus, als brauchte Pigatto diesmal keine Hilfe“, sagte Dan O’Flynn.

      Der Seewolf winkte ab.

      „Das gilt nicht für uns“, sagte er.

      Aber das war schlichtweg ein Irrtum, wie sich gleich darauf herausstellte.

      „Ich vermute, daß die Crew dort drüben lieber abbrennt, als uns noch einmal an Bord zu lassen“, sagte der Profos, wobei er sich gleichzeitig erwartungsvoll die Hände rieb.

      Hasard begann sich zu fragen, wie Pigatto reagieren würde. Er traute dem muffigen, undurchsichtigen Kerl beinahe jede Reaktion zu.

      „Wir gehen langsamer ran“, entschied er. „Das Großsegel aufgeien!“

      Dadurch erhielten die Arwenacks Zeit, das Geschehen auf der Galeone zu beobachten, soweit dies durch den dichten Rauch überhaupt noch möglich war.

      Die Distanz betrug rund dreihundert Yards. Die Schebecke segelte mit nahezu achterlichem Wind, also fast rechtwinklig zur „Respeto“.

      „Gleich kracht’s“, sagte Dan.

      Der Profos kniff die Brauen zusammen und musterte ihn eindringlich.

      „Bei wem?“ wollte er fragen, doch das Wort blieb ihm im Mund stecken. Drüben, auf der Back der „Respeto“, blitzte und donnerte es, und weit vor der Schebecke schlug der „Blitz“ ein. Gerade auf halber Distanz zwischen beiden Schiffen stieg ein jämmerliches Fontänchen in die Höhe.

      Ungläubig rieb sich Carberry die Augen.

      „Ein Mückenschiß“, sagte er. „Diese olivenfressenden Rübenschweine haben wohl zu lange in der prallen Sonne gestanden? Was bilden die sich ein? Denen sollte man den Achtersteven polieren, bis ihre Haut so rot ist wie die eines Pavians.“

      Er wußte nicht, daß genau in dem Moment Capitán Pigatto weitaus schlimmere Worte benutzte und kein gutes Haar an Linares ließ, der viel zu früh gefeuert hatte.

      „Beidrehen bei zweihundert Yards!“ befahl der Seewolf. Das lag auf jeden Fall außerhalb der Reichweite der Drehbassen.

      „Du willst ihnen nicht beistehen?“ fragte. Dan.

      „Sie wollen uns nicht“, sagte Hasard. „Oder soll ich den Drehbassenschuß als freundliche Einladung auffassen?“

      „Diese Miesmuschel von Kapitän ändert seine Meinung bestimmt noch.“ Der Profos zeigte sich zuversichtlich, was nicht zuletzt auch daran lag, daß es ihn gehörig in den Fäusten juckte. „Wartet nur erst, bis die da drüben langsam, aber sicher geröstet werden. Dann wird es Pigatto hoffentlich eine Ehre sein, sich von uns retten zu lassen.“

      Die Sicht unter Deck und damit auch die Bedingungen für die Crew der „Respeto“ waren ein wenig besser geworden. Vor den Stückpforten der Steuerbordseite wirbelte die frische Brise den Qualm heftig durcheinander und trieb ihn in dichten Schwaden quer durchs Schiff. Ein Gestank nach Teer und Farben lastete überall.

      Das Dröhnen wuchtiger Axthiebe und das Kreischen der Sägen hallten durchs Schiff. Die Männer verausgabten sich, um von oben her schleunigst an den schwelenden Brandherd zu gelangen. Nach wie vor trugen sie nasse Tücher vor den Gesichtern, weil der Rauch so einigermaßen erträglich wurde.

      Niemand

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