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streifte der Schein der Hecklaterne die Jolle. Aber Capitán Pigatto stand weder draußen auf der Galerie noch hinter den bleiverglasten Scheiben seiner Kammer.

      „Richtet den Mast auf!“ flüsterte Zapata.

      Schweigend arbeiteten sie Hand in Hand, verankerten das solide Rundholz in der vorderen Ducht und reihten das Segel an. Zu dem Zeitpunkt tanzte nicht mehr sehr weit vor ihnen das Licht einer Laterne über der See, wurde aber größtenteils von Fock und Blinde verdeckt.

      Bugspriet und Galionsfigur des Schiffes zielten auf die Jolle. Zapata, der nicht gedacht hatte, daß er so exakt auf Kurs lag, zog die Ruderpinne nach Backbord.

      In der Dunkelheit gewaltig anmutend, wuchsen Bugspriet und Vorsteven über dem Boot auf. Doch da wurde es bereits von der Bugwelle erfaßt und zur Seite gedrückt.

      Tito Menéndez schleuderte den Enterhaken, der sich leise knirschend in den Rüsten der Fockwanten verfing. Innerhalb weniger Augenblicke spulte sich das kurze, an einer vorderen Klampe belegte Seil ab, bevor es sich ruckartig straffte. Die Jolle legte sich über und tauchte bis ans Dollbord in die Wellen ein, aber Zapata hantierte so geschickt mit der Pinne, daß trotz der schnellen Drehung um 180 Grad kaum Wasser eindrang. Das wenige, was trotzdem am Boden zusammenfloß, östen die Männer sehr schnell wieder aus.

      Ein kurzer, scharfer Zischlaut ertönte von der Kuhl her. Als Jorge hochsah, flog ihm ein Tau entgegen. Mit wenigen Schlägen befestigte er es an einer Klampe neben der Achterducht. Die Jolle lag nun höchstens zwei Ellen neben der „Honestidad“ und wurde von ihr mitgeschleppt.

      Die Männer kletterten nach oben.

      Grinsende Gesichter blickten ihnen über das Schanzkleid entgegen. Rufino Vaquero stand da, breitbeinig und die Arme in die Seiten gestützt. „Ihr sitzt ganz schön auf dem trockenen, wie?“ sagte er spöttisch. „So ein nächtlicher Ausflug kann euch einigen Ärger einbringen.“

      „Der Capitán muß uns erst mal erwischen“, entgegnete Alberto Braña hochnäsig.

      „Statt herumzumäkeln, solltest ihr uns lieber mit einem vernünftigen Begrüßungsschluck empfangen“, sagte José Canalejas.

      „Ist alles vorbereitet.“

      Vaquero bückte sich nach einer bereitstehenden Rumflasche, entkorkte sie mit den Zähnen und reichte sie Zapata, der einen kräftigen Schluck nahm und die Buddel an Braña weitergab. Als endlich die Männer der „Honestidad“ an der Reihe waren, schwappte der Rum gerade noch eine Fingerbreite hoch in der Flasche.

      „Den Schluck hättet ihr auch trinken können“, sagte ein pockennarbiger Kerl tadelnd.

      „Wenn du meinst!“ Menéndez nahm ihm prompt die Buddel aus der Hand, gluckerte den schäbigen Rest und warf die leere Flasche hinter sich über die Verschanzung. „Alsdann“, sagte er unternehmungslustig, „fiert die Vorräte ab.“

      Vaquero deutete auf die neben dem Großmast ausgebreitete Plane, unter der sich die Umrisse mehrerer Fässer abzeichneten. „Erwartet nicht zuviel. Das ist alles, was wir entbehren konnten.“

      Zapata lüftete die Persenning an einer Ecke an, bevor er sie ruckartig zur Seite zog. Da standen vier Fässer, genauer gesagt Fäßchen, von denen keins mehr als zwei Gallonen, also knapp über neun Liter, faßte. Die paar Flaschen daneben, gerade ein halbes Dutzend, ließen das Kraut wahrlich nicht fett werden.

      Natürlich bemerkte Rufino Vaquero die verblüfften Blicke der Männer von der „Respeto“.

      „Mehr läßt sich nicht losschlagen, ohne daß die Offiziere Lunte riechen“, erklärte er.

      Braña und Menéndez zogen Gesichter wie sieben Tage Regenwetter. Offensichtlich hatten sie eine weit größere Ausbeute erwartet.

      „Das soll wirklich alles sein?“ fragte Braña.

      „Nehmt es – oder haut ab! Wir sind nicht verpflichtet, euch überhaupt was abzugeben.“

      „Und ob.“ Jorge Zapata trat mit zwei schnellen Schritten vor und unterzog die Fäßchen einer genauen Begutachtung. „Hier“, sagte er und deutete auf eingeritzte Zeichen, „die drei stammen ohnehin aus unserer Proviantlast. Der Generalkapitän und Capitán Pigatto haben sie ungerechtfertigt ausladen und auf die anderen Galeonen verteilen lassen.“

      „Ungerechtfertigt?“ Um Vaqueros Mundwinkel zuckte es verhalten. „Wer mit dem Feuer spielt, muß damit rechnen, daß ihm eine brennbare Flüssigkeit abgenommen wird.“

      „Höre ich aus deinen Worten wirklich Schadenfreude heraus?“ fragte Zapata.

      „Das kannst du halten, wie du willst.“

      Menéndez, der unmittelbar vor einer Nagelbank stand, griff spontan hinter sich. Seine Finger verkrampften sich um einen der Belegnägel.

      Eine handfeste Auseinandersetzung war jedoch keineswegs das, was Jorge Zapata gebrauchen konnte, deshalb warf er Tito einen warnenden Blick zu und sagte grollend: „Steht nicht herum und haltet Maulaffen feil! Schafft den Rum in die Jolle!“

      Bis jetzt hatte es keine Zwischenfälle gegeben. Doch das mußte nicht so bleiben. Zapata lag wenig daran, das Schicksal unnötig herauszufordern. Sieben Glasen hallten über das Deck der „Honestidad“. Damit blieb noch genau eine halbe Stunde Zeit bis zum Wachwechsel.

      Das Umladen ging rasch und reibungslos vonstatten. Die Fäßchen wurden nacheinander abgefiert, während die Männer von der „Respeto“ die wenigen Flaschen in Händen hielten, als sie wieder über die Jakobsleiter abenterten.

      „Ich hoffe doch, wir können jederzeit mit Gegendiensten rechnen!“ rief Vaquero ihnen hinterher.

      „Das ist selbstverständlich“, erwiderte Zapata. „Einer hilft dem anderen aus der Klemme.“

      Sie werfen die Leinen los, pullten die Jolle aus der unmittelbaren Nähe der Galeone und setzten schließlich das Segel. Immerhin waren sie da bereits einige Dutzend Schritte weit hinter die „Honestidad“ zurückgefallen.

      Der Wind blähte das Tuch und ließ das kleine Boot, unterstützt von kräftigen Riemenschlägen, beachtliche Fahrt laufen. Wie ein Schatten glitt es an Steuerbord der Galeone vorbei und folgte der mit bloßem Auge gerade noch erkennbaren Silhouette der „Respeto“.

       3.

      Die Schebecke der Seewölfe segelte in dieser Nacht eine gute halbe Seemeile querab des Konvois. Alle Laternen waren gelöscht. Schon aus hundert Yards Entfernung war der Dreimaster mit den Lateinersegeln lediglich als dunkler Schemen vor dem etwas helleren Hintergrund des Nachthimmels zu erkennen. Auf größere Distanz blieb das Schiff unsichtbar.

      Seit dem Einbruch der Dunkelheit stand Dan O’Flynn auf dem Achterdeck und beobachtete. Er sah Details, die anderen Männern trotz des Spektivs verborgen geblieben wären.

      Die Schatzschiffe lagen exakt auf Kurs und in Kiellinie. Im fahlen Schein ihrer Hecklaternen sah Dan die Deckswachen auf und ab gehen. Es war der ewig gleiche und monotone Trott.

      Einige Arwenacks hockten auf den Tritten der Niedergänge, den Luken oder auch auf dem Vorspill. Obwohl es nichts zu tun gab, fanden die Männer noch keinen Schlaf. Sie genossen die Ruhe und das Glitzern der nächtlichen See. Trotz des Windes war es nicht kalt, sondern eher lauschig. Kurzum: eine Nacht zum Träumen, in der die Gedanken auf Wanderschaft gingen, aber keine Nacht für Seegefechte oder Enterkämpfe.

      Irgend jemand sang leise vor sich hin. Dan konnte die rauhe Stimme, die er nur bruchstückweise vernahm, nicht identifizieren. Vielleicht Luke Morgan oder Bob Grey, aber auch Smoky, der Decksälteste, konnte der Spaßvogel sein.

      „… eine Jungfrau aus Manchester

      hatte eine rassige Schwester,

      die wollt’ alle Männer stets lieben,

      drum ist die andere Jungfer geblieben …“

      Die Spanier

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