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unterhalten hatte, wandte sich ihr zu.

      »Auch wenn du es vermutlich nicht mehr hören kannst, ich biete dir dennoch einen Penny für deine Gedanken. Was ist los, mein Herz? Es kann doch wohl nicht sein, dass du dich in der Gesellschaft deiner besten Freunde langweilst?«

      Entschieden schüttelte sie den Kopf.

      »Nein, ich…«

      Was sollte sie ihm denn jetzt sagen? Dass sie an früher gedacht hatte? Sollte sie ihm erzählen, dass ihr ein Abend in den Sinn gekommen war, an dem sie glücklich mit Thomas im Mondschein getanzt hatte, als sie unbeschwert Bier aus Flaschen getrunken hatten und mit wachsender Begeisterung, ganz so wie früher, Lieder von Jonny Cash gesungen hatten?

      Verrückt!

      »Ich habe euch beobachtet«, sagte sie nicht ganz wahrheitsgemäß, »und Spaß daran, dass ihr euch alle so gut versteht, dass du dich mit allen so gut verstehst, Jan.« Und das war nicht gelogen, das freute sie wirklich.

      »Sie sind auch alle sehr nett, deine Freunde und dein Bruder Chris­tian«, gab er zu, »und mit ihnen kann man sich ganz hervorragend unterhalten. Aber das weißt du ja, sonst wären sie nicht deine Freunde.«

      »Was ist da mit Freunden?«, wollte Linde wissen, die mit halbem Ohr zugehört hatte.

      »Jan hat gesagt, dass er euch alle sehr nett findet«, antwortete Bettina.

      »Hm, das ist gut«, Linde hatte sich glücklicherweise wieder etwas gefangen, oder sie hatte sich zumindest unter Kontrolle, denn nach außen hin war sie beinahe so wie früher.

      »Er ist auch nicht übel, dein Jan. Aber das habe ich, wenn du dich recht erinnerst, gleich am Anfang erkannt, damals in dem kleinen Café … Es hätte uns wirklich schlimmer treffen können, als ihn jetzt in unserem Leben zu haben.«

      Jan musste lachen.

      »Du bist umwerfend, Linde. Bist du eigentlich immer so charmant? Aber recht hast du schon, es kann einen immer schlimmer treffen, und mit euch hier habe ich auch wirklich Glück, ihr seid wirklich eine ausnehmend nette Truppe.«

      »Und da wir uns jetzt alle ausreichend beweihräuchert haben«, sagte Marcus, der den ganzen Abend über seine Yvonne verliebt angeschaut hatte, »sollten wir darauf trinken – auf die Liebe, auf die Freundschaft … So jung kommen wir nicht mehr zusammen.«

      Sie prosteten sich zu, wurden immer fröhlicher. Es war wirklich eine nette Runde, dachte Bettina, fast wie früher, aber eben nur fast.

      Sie wusste auch nicht, warum sie immerfort daran denken musste, wie es einmal gewesen war.

      *

      Ein ganz wichtiges Interview, auf das Jan schon lange gewartet hatte, sollte ganz plötzlich stattfinden, und deswegen musste er Hals über Kopf abreisen.

      Bettina war mit ihrem Halbbruder Christian allein, der die ganze Zeit über einen zurückhaltenden, eher nachdenklichen Eindruck gemacht hatte.

      Eigentlich war sie froh, dass sie jetzt mal mit ihm ganz allein sein konnte, das war in der letzten Zeit eher selten gewesen, denn Christian hatte stets sehr viel Zeit mit Linde verbracht.

      Bettina wunderte sich, dass er nicht jetzt schon wieder bei Linde war und auf dem Hof geblieben war, wo sie jetzt ganz ausgiebig miteinander frühstückten.

      Bettina hatte Christian so richtig gern, und das sagte sie ihm auch.

      »Du bist auch sehr wichtig für mich, Bettina, es ist schön, eine Schwester wie dich zu haben.«

      Er warf ein Stück Würfelzucker in seine Tasse, rührte gedankenverloren darin herum, dann blickte er hoch: »Ich habe gekündigt«, sagte er.

      Bettina begann zu strahlen.

      »Oh, Christian, wie wunderbar, dann hast du dich also entschlossen, dich hier als Arzt niederzulassen und in Martins ehemaligen Räumen eine Praxis aufzumachen.«

      »Nein.«

      Das kam so unerwartet und klang fast wie ein Peitschenhieb. Verunsichert blickte Bettina ihren Bruder an.

      »Nein? Ja, aber …, ich verstehe nicht, warum hast du dann gekündigt?«

      »Weil dieser Weg zu Ende war, ich war mit dem Herzen nicht mehr dabei, so etwas spüren Patienten, die haben es nicht verdient, wenn ihr Arzt nur noch halbherzig dabei ist.«

      »Eine eigene Praxis zu eröffnen war doch stets dein Herzenswunsch, und Fahrenbach gefällt dir doch, die Voraussetzungen sind ideal.«

      »Ja, das stimmt alles, aber dennoch habe ich mich dagegen entschieden.«

      »Es ist wegen Linde, nicht wahr?«

      »Ja«, gab er unumwunden zu.

      »Christian, sie ist in einer Krise, gib ihr etwas Zeit, ich bin mir sicher, dass sie sich irgendwann für dich entscheiden wird. Du bist ihr ganz gewiss nicht gleichgültig.«

      »Mag sein«, antwortete er, »aber das ist mir zu wenig, ich liebe Linde, es hat bei mir vom ersten Moment an eingeschlagen, Schmalspurgefühle sind nichts für mich. Ich will nicht der von der Ersatzbank sein, der auf seinen Einsatz wartet ohne zu wissen, ob der je kommen wird.«

      Dem konnte sie nicht widersprechen. Aber er konnte doch nicht so leicht die Flinte ins Korn werfen.

      »Und was willst du jetzt tun, Christian? Ich meine, weil du doch deinen Job gekündigt hast.«

      »Ich werde für Ärzte ohne Grenzen für zunächst ein Jahr nach Malawi gehen, dort wohnen die Ärms­ten der Armen, da gibt es ein reiches Betätigungsfeld für mich.«

      Bettina war bei seinen Worten das Messer aus der Hand gerutscht. Sie war auch stets bereit zu helfen, unterstützte mit der Stiftung ihres Vaters auch Ärzte ohne Grenzen, weil das eine sinnvolle Organisation war. Aber warum musste Christian sich auf so lange Zeit verpflichten, und dann wollte er noch nach Malawi gehen, wo wirklich der Hund begraben zu sein schien. Konnte er vor Linde nicht weit genug davonlaufen? Flucht war kein Ausweg, das war doch allgemein bekannt.

      »Weiß … weiß Linde es?«, erkundigte sie sich zaghaft.

      Ein Kopfschütteln war die Antwort.

      »Aber wäre es nicht besser, du hättest es mit ihr besprochen?«

      »Weswegen?«

      »Nun, wegen der Praxis, sie hält sie doch für dich frei.«

      Er durfte nicht gehen, das zarte Pflänzchen, das zwischen ihm und Linde spross, durfte nicht zerstört werden. Das da etwas zwischen ihnen war, speziell auch auf Lindes Seite, wusste sie bestimmt.

      »Ich habe niemals eine Zusage gemacht und mich eigentlich schon vor Lindes Portugal-Aufenthalt ganz dagegen entschieden.«

      Das stimmte, dem konnte sie nicht widersprechen.

      »Und das mit Malawi, kam das spontan?«

      Er trank einen Schluck Kaffee, stellte seine Tasse wieder bedächtig ab.

      »Nein, im Sinn hatte ich es schon länger, schon, ehe ich Linde begegnet bin. Ich wollte außerhalb meines etablierten Alltages schon immer etwas Sinnvolles tun, Menschen helfen, die Hilfe am nötigs­ten haben. Allerdings dachte ich zunächst an andere Länder. Dann kam das Malawi-Angebot vor einiger Zeit, und ich sagte spontan zu, das ist allerdings auch längst schon fait accompli, eine beschlossene Sache.«

      Bettina konnte eine ganze Weile nichts dazu sagen, wozu auch? Es würde nichts mehr bringen, für ihn war alles bereits in trockenen Tüchern.

      »Du wirst mir fehlen, Christian.«

      »Du mir auch, aber ich bin nicht aus der Welt. Du kannst mich besuchen, und es gibt viele Möglichkeiten, miteinander zu kommunizieren.«

      Damit hatte er natürlich recht.

      »Wann willst du es Linde sagen?«, wollte sie wissen.

      »Wenn sich eine Möglichkeit ergeben hätte, dann hätte

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