Скачать книгу

sehr vernünftige Entscheidung und ein Gewinn für uns, hier gibt es ringsum keine Ärzte, erst wieder in Bad Helmbach und Steinfeld.«

      »Das mit Fahrenbach hat sich erledigt … Christian kommt nicht hierher. Er hat sich bei Ärzte ohne Grenzen verpflichtet und geht für ein Jahr nach Malawi, er fliegt bereits am Sonntag.«

      Aus weitaufgerissenen Augen starrte Linde ihre Freundin an. Sie war abwechselnd rot und blass geworden.

      »Warum hast du mir denn nicht früher was davon gesagt?«, beschwerte sie sich schließlich.

      »Weil ich es nicht wusste. Chris­tian hat es mir erst heute früh beim Frühstück erzählt, und nach seiner Abreise kam ich sofort hierher, um es dir zu sagen.«

      Linde war nicht in der Lage, dazu sofort etwas zu sagen, sie war ratlos, und das war ihr auch anzusehen.

      »Aber … aber … das kann er doch nicht machen«, stammelte sie schließlich ganz entsetzt.

      »Doch, Linde, kann er, schließlich ist er Herr seiner Entscheidungen und niemandem als sich selbst verpflichtet«, entgegnete Bettina, und dann erzählte sie Linde, was sie selbst erst kurz zuvor erfahren hatte.

      Nachdem Bettina mit ihrem Bericht fertig war, war es zwischen den beiden Frauen so still, dass man das leise Summen einer Fliege als Belästigung empfunden hätte.

      »Ich kann es einfach nicht glauben«, sagte Linde schließlich. »Warum hat er mir denn nichts davon gesagt?«

      »Er hat es versucht, aber es hat sich wohl keine richtige Gelegenheit ergeben, und so hat er es gelassen … Aber er will sich, ehe er abfliegt, noch bei dir melden, zumindest hat er das gesagt.«

      »Davon habe ich auch nichts«, begehrte Linde auf, »das kann er auch lassen.«

      »Ob du es nun am Telefon erfährst oder ob er es dir hier gesagt hätte, das macht doch keinen Unterschied. Er reist so oder so ab, daran kann ihn niemand hindern.«

      Lindes Augen füllten sich mit Tränen, und Bettina wusste nicht, was sie davon halten sollte.

      Sollte ihre Vermutung zutreffen, dass Linde für Christian mehr empfand, als sie sich eingestehen wollte?

      »Er kann sich doch nicht einfach vom Acker machen«, klagte Linde.

      »Er kommt ja wieder.«

      »Ein Jahr ist lang, da kann viel passieren«, rief Linde. »Er kommt mit anderen Frauen zusammen, schließlich ist er ein attraktiver Mann.«

      »Er kommt auch in Hamburg mit attraktiven Frauen zusammen, vermutlich noch mit mehreren als in Malawi.«

      »Ja, aber in einem solchen Staat rückt man als Ausländer näher zusammen.«

      Christian bedeutete ihr etwas, daran gab es keinen Zweifel, warum hatte sie ihm, als er hier gewesen war, keine Chance gegeben und jammerte ihm schon nach, noch ehe er abgeflogen war.

      Bettina wollte Linde darauf ansprechen, aber dann ließ sie es bleiben.

      Damit konfrontiert, würde sie alles in Abrede stellen.

      Bettina stand auf, trank noch im Stehen den letzten Schluck ihres Kaffees.

      »Ich muss los, es wartet viel Arbeit auf mich. Wir können ja telefonieren.«

      Linde nickte.

      »Und wenn du von Christian was Neues erfährst, dann lass es mich bloß sofort wissen.«

      Das versprach Bettina, dann verabschiedeten sie sich voneinander.

      Bettina stieg in ihr Auto und fuhr los.

      Was war das denn nun wirklich zwischen Christian und Linde? Eine Liebe, die irgendwann ihre Erfüllung finden würde, oder waren die beiden so etwas wie die Königskinder, die nicht zueinander kommen konnten.

      Bettina hatte keine Ahnung, schließlich war sie keine Hellseherin, und in Wünsche würde sie sich auch nicht verstricken. Sie erwartete nichts, und deswegen würde die Enttäuschung dann auch nicht so groß sein, wenn die Wünsche nicht in Erfüllung gingen.

      Ehe sie auf die Privatstraße einbog, die hinauf zum Fahrenbach-Hof führte, überlegte sie es sich anders. Sie würde einen kurzen Abstecher zur Kapelle machen.

      Ein paar Kerzen anzuzünden schadete auf keinen Fall, es war nicht nur Christian, für den sie sich das Beste wünschte.

      *

      Als Bettina in die Destillerie kam, wurde sie schon ganz aufgeregt von Toni empfangen.

      »Bettina, setz dich, und versprich mir, dich nicht aufzuregen«, bat er sie, führte sie in die sich in ihrem Büro befindliche Sitzecke. Erst als sie saß, holte er ein zusammengefaltetes Blatt hervor.

      »Was ist los, Toni? Mach es nicht so spannend«, sagte sie betont forsch, wenngleich ihr ganz schön mulmig zumute war. Was kam denn jetzt wieder auf sie zu? Seine besorgten Worte, der Brief in seiner Hand – das konnte nichts Gutes bedeuten. Hatte wieder einer ihrer Kunden Pleite gemacht? Aber nein, das konnte nicht sein. Deswegen würde Toni nicht so einen Aufstand machen. Insolvenzen von Kunden kamen hin und wieder vor, wenngleich sie mit den Ausfällen in letzter Zeit, trotz der allgemeinen Wirtschaftskrise, ganz zufrieden sein konnten.

      »Versprichst du mir, dich nicht aufzuregen?«, wiederholte er.

      »Nein, ich werde mich nicht aufregen, versprochen, aber sag endlich, was los ist.«

      Er wollte ihr den Brief hinüberreichen, doch Bettina wehrte ab.

      »Du kannst mir erzählen, was in dem Brief steht, der dich so aufregt.« Sie versuchte es ein wenig ins Lächerliche zu ziehen. »Mir rätst du, mich nicht aufzuregen, und du selbst bist rot wie eine überreife Tomate.«

      Er ging auf diesen Scherz nicht ein.

      »Das hier ist ein Anwaltsbrief«, begann Toni, »von der Anwaltskanzlei Hugenmayer & Lind.«

      Jetzt musste Bettina doch schlucken. Diese Anwälte kannte sie, zu Lebzeiten ihres Vaters hatten sie das Wein-Kontor vertreten, danach Frieder. Und als sie das letzte Mal von ihnen gehört hatte, war das mehr als unerfreulich gewesen. Durch diese Kanzlei hatte Frieder ihr den Umgang mit seinem Sohn Linus verbieten lassen. Nun, erreicht hatte er damit nichts, denn Linus war aus dem Internat verschwunden und hielt sich jetzt irgendwo versteckt auf, genau bis zu seiner Volljährigkeit. Mit seinen Eltern wollte er nichts mehr zu tun haben, aber mit ihr hatte er Kontakt und meldete sich sporadisch, immer auf der Hut, nicht entdeckt zu werden.

      Linus …

      Von ihm hatte sie auch längere Zeit nichts gehört, hoffentlich ging es ihm gut. Aber eigentlich hatte er sich nach seinem Weglaufen aus dem Internat gefestigt, und Hilferufe aus seiner früheren seelischen Not heraus hatte sie auch nicht mehr vernommen.

      »Was wollen sie?«, erkundigte Bettina sich, und in ihrer Stimme lag ein leichtes Zittern.

      »Sie fordern eine Zahlung in Höhe von fünfhunderttausend Euro für entgangenen Gewinn und die sofortige Einstellung des Vertriebes der Chateau-Weine.«

      Bettina glaubte, in einem schlechten Film mitzuspielen.

      »Moment mal«, sagte sie, »gib mir mal den Brief.«

      Toni musste da was falsch verstanden haben.

      Er reichte ihr das Blatt, Bettina überflog die Zeilen, einmal, zweimal. Sie hätte es noch hundertmal lesen können, an dem Inhalt würde sich nichts ändern. Was Toni ihr gesagt hatte, traf zu.

      »Das ist ja wohl das Allerletzte«, regte sie sich nun doch auf. »Seit mehr als einem Jahr zahlt Frieder keine Rechnungen mehr für die Chateau-Weine, ich komme dafür auf, damit die Buchhaltung in Frankreich stimmt, die Eingangspreislagen wollte er niemals verkaufen. Als ich ihn darüber informierte, hatte er keine Einwände. Toni, was soll das?«

      »Ganz einfach, ihm steht das Wasser bis zum Hals, und er betrachtet dich als eine Kuh, die man gut melken kann.«

      »Diese Forderung von einer halben

Скачать книгу