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hat, und nun willst du das Rad der Zeit zurückdrehen. Das geht nicht, Grit, du hast verloren und musst dich damit abfinden, so bitter es auch ist. Wenn ich dir helfen kann, dann will ich es gern tun. Du kannst für eine Zeit zu mir auf den Hof kommen, um zu dir selbst zu finden, du kannst bleiben, solange du willst. Holger und die Kinder kann ich dir aber nicht zurückholen.«

      Grit griff nach ihrer Tasche, schob den Stuhl zurück.

      »Du redest wie ein Pastor«, sagte sie. »Verdammte Kiste, für mich ist der Zug noch lange nicht abgefahren, ich werde ihm das Leben zur Hölle machen, ich werde meine Anwälte einschalten, dafür sorgen, dass die Kinder zu mir zurückkommen, ich werde…«

      Sie brach ab, rannte zur Tür, und Bettina war voller Mitleid für die vor Zorn bebende Frau, die ihre Schwester war, die sie allerdings schon lange nicht mehr verstehen konnte.

      »Grit, bitte mäßige dich, lass uns in Ruhe darüber sprechen. Besuchen werden dich die Kinder gewiss, du bist schließlich ihre Mutter.«

      »Besuchen, ach, besuchen sollen sie mich?«, schrie Grit. »Damit, glaubst du, gebe ich mich zufrieden? Niemals, das ist nicht mein Ding. Ich will die Flamme und keinen Funkenflug.«

      »An einer Flamme kannst du dich verbrennen«, sagte Bettina leise. Was sollte sie bloß tun, um Grit zurückzuhalten? So konnten sie doch nicht auseinandergehen. »Grit, bitte bleib«, bat sie.

      Verächtlich blickte Grit ihre Schwester an.

      »Und weswegen, bitte schön?«, wollte sie wissen. »Um mir ein Loblied auf diese Schlampe anzuhören? Dieser Trottel, auf so was hereinzufallen, und das … und das … nach mir.«

      Was bildete Grit sich eigentlich ein? Bettina konnte einfach nicht mehr anders. Sollte sie wütend davonrasen, sollte sie sauer auf sie sein.

      »Grit, Holger hat sich auf jeden Fall verbessert. Irina ist warmherzig und nur für Holger und die Kinder da. Er hat die richtige Entscheidung getroffen. Ein Trottel war er dabei nicht, das war er, als er dir alles überlassen hat, was du nur an dich reißen konntest, sogar sein Elternhaus.«

      Grit machte irgendeinen Zischlaut, der sich wie »Pffffft« anhörte, die Haustür knallte, dann die Autotür, ein Motor heulte auf, Reifen quietschten und irgendwas zerschepperte. Vermutlich war sie wieder gegen einen der Terracotta-Töpfe gefahren. Das wollte Bettina jetzt aber nicht überprüfen, sie war wie gelähmt, und diese Szene erschien ihr wie etwas aus einem schlechten Film.

      Das war nicht mehr die Grit, die sie kannte, neben der sie groß geworden war, das war …, sie wollte das Wort nicht aussprechen, das ihr gerade durch den Kopf ging.

      Irgendwann stand sie auf, räumte das Mineralwasser und die Gläser weg, die einzige Spur, die darauf hindeutete, dass Grit durch das Haus gerauscht war wie der Wind durch die Linde.

      Eau de Marron …

      Als wenn es im Leben nichts Wichtigeres gäbe, als sich um solche Banalitäten Sorgen zu machen.

      Grit war zu bedauern, noch hielt sie sich an Äußerlichkeiten fest, aber daran konnte sie sich nicht wärmen, sie würde noch sehr, sehr einsam sein.

      Wieder einmal fiel Bettina ein, was Leni jetzt sagen würde, den Satz, den sie in solchen Fällen immer parat hatte – Gold gab ich für Eisen …

      Bei Grit konnte man sagen – Gold gab ich für Blech. Sie hatte für einen Schmarotzer alles aufgegeben – ein Zuhause – einen liebevollen Ehemann und zwei reizende Kinder.

      Wofür eigentlich?

      Für ein bisschen Sex? Mehr war es doch nicht gewesen, denn es hatte zwischen ihr und diesem Robertino doch keine Gemeinsamkeiten gegeben. Er hatte sie ausgenutzt, und sie hatte sich seine Gunst erkauft.

      Dann hätte sie eigentlich auch zu einem Callboy gehen können, das wäre für sie preiswerter gewesen und auch reeller.

      In Grit’s Haut wollte sie nicht stecken, und sie würde ihr helfen, aber wie, das wusste Bettina nicht.

      Sie verließ das Haus, um Leni zu erzählen, was sie da gerade erlebt hatte.

      Max und Goldie kamen gemeinsam über den Hof geschossen und sprangen freudig kläffend an ihr hoch, um Leckerli zu ergattern.

      Während Bettina den beiden die so heiß begehrten Hundekuchen zuschob, fragte sie sich, ob Max inzwischen akzeptiert hatte, dass es außer ihm noch jemanden auf dem Hof gab. Immerhin liefen sie jetzt bereits streckenweise gemeinsam herum, und das war doch ein Anfang.

      Freilich, so eine große Liebe, wie es sie zwischen Hektor und Lady gegeben hatte, würde sich zwischen ihnen wohl nicht entwickeln.

      Hektor und Lady, die waren einmalig gewesen und ein Herz und eine Seele. Bettina mochte Max und Goldie sehr, aber ihre treuen Begleiter, die durch diesen bösartigen Koller vergiftet worden waren, vermisste sie, und sie war noch immer sehr traurig darüber, dass es die beiden nicht mehr gab.

      Max und Goldie sprangen vor ihr her, als sie über den Hof lief. Ja, das waren auch zwei ganz wunderbare Tiere, die es auf dem Hof gut hatten.

      Jan hatte den Labrador aus dem Heim geholt, und sie hatte Goldie immerhin das Leben gerettet. Wenn sie nicht die teure Operation bezahlt hätte, wäre Goldie längst eingeschläfert worden, oder sie wäre in dem Straßengraben, aus dem Bettina sie geholt hatte, nachdem sie von einem rücksichtslosen Autofahrer überfahren worden war, gestorben.

      Es war schon schön, wieder zwei Hunde auf dem Hof zu haben, das gehörte doch irgendwie dazu.

      »Ich hab nichts mehr«, lachte Bettina, »jetzt habt ihr genug ge­nascht.«

      Als die beiden begriffen, dass wirklich nichts mehr zu holen war, trollten sie sich, und Bettina betrat das kleine Haus der Dunkels.

      *

      »Junge Frau, haben Sie einen Platz für einen müden Vagabunden?«, vernahm Bettina eine Stimme, sie wirbelte herum, sah zuerst einen ganz wunderschönen großen Strauß weißer Rosen, hinter dem Jan sich verschanzt hatte.

      Mit ihm hatte sie noch nicht gerechnet, und flog ihm in die Arme, nachdem er die Blumen vorsichtshalber auf die in der Diele stehende Kommode gelegt hatte, die sonst unweigerlich Schaden erlitten hätten.

      »Jan, es ist so schön, dass du da bist«, rief sie überglücklich, ehe sie sich an ihn kuschelte und seinen Begrüßungskuss genoss.

      Jan war da, und er würde ihr ganz gewiss über das Stimmungs­tief hinweghelfen, in das sie nach dem Besuch ihrer Schwester gefallen war.

      Sie hatte mehrfach versucht, Grit zu erreichen, aber die war nicht mehr an ihr Telefon gegangen, und das Handy war abgestellt.

      »Hast du ein Problem, meine Schöne?« wollte er wissen, weil er ihre Stimmungen sofort erkannte.

      »Meine Schwester war kurz hier«, antwortete Bettina, und er nickte.

      »Und in der Zeit hat sie dich wieder vollkommen durcheinandergebracht. Also, irgendwann knöpfe ich mir diese Dame einmal vor. So geht es ja auch nicht. Was wollte sie denn?«

      Es war so absurd, dass Bettina sich zunächst überhaupt nicht traute, ihm von diesem Ansinnen zu erzählen.

      »Sie will Holger und die Kinder wiederhaben«, sagte sie schließlich.

      Jan lachte belustigt auf.

      »Die Gute hat ja wohl ein Rad ab. Es geht hier um Menschen und nicht um eine Supermarkt-Ware, die man beliebig aus einem Regal holen kann.«

      »Die Begegnung war nicht erfreulich«, gab Bettina zu, aber sie hatte jetzt wirklich keine Lust, über Grit zu sprechen. Jan war da, der Mann, den sie liebte, von dem sie geliebt wurde.

      »Es ist so schön, dass du hier bist, mein Lieber. Eigentlich wolltest du doch noch bis zum Wochenende in Dubai bleiben. Bist du früher mit deiner Reportage fertig geworden?«

      »Ja, mein Herz, ich habe mich beeilt. In Dubai war es sehr heiß und sehr laut, und da erinnerte ich mich doch tatsächlich an diesen idyllisch

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