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gemusterte Krawatte. Auf den ersten Blick war zu erkennen, dass seine Kleidung ganz gewiss nicht von der Stange war.

      Welchen Beruf er wohl ausübte?

      Ganz bestimmt etwas sehr Seriöses, ein Job, in dem man gut gekleidet sein musste.

      Der Kaffee wurde serviert, und als er Zucker nahm, bemerkte Bettina, dass er sehr schöne Hände hatte, die, und auch das hatte sie blitzschnell registriert, keinen Ehering trugen.

      Nun konnte man einen Ehering, und das taten manche Männer ja auch, in seinem Portemonnaie verstecken, wenn man auf der Pirsch war und Frauen anmachte. Aber zum einen glaubte sie nicht, dass er zu der Kategorie der Frauenanmacher gehörte, und jemand wie er würde ganz gewiss seinen Ehering tragen.

      Verrückt, wohin sich ihre Gedanken verirrten. Es konnte ihr doch gleichgültig sein, ob er verliebt, verlobt oder verheiratet war. Gleich nach dem Kaffeetrinken würden sich ihre Wege trennen, und das war auch gut so, denn auch sie war an allem interessiert, nur nicht daran, einen Mann aufzureißen. Sie hatte Jan, und der erfüllte all ihre Bedürfnisse.

      Sie wollte gerade etwas trinken, als seine Frage sie so erschütterte, dass sie ihre Tasse wieder absetzte.

      »Sind Sie zufällig mit einem … Frieder Fahrenbach verwandt?«

      Bettina schluckte. Wieso kannte dieser Mann ihren Bruder? Er sah nicht aus wie jemand aus der Spirituosenbranche.

      »Er … er ist mein Bruder. Wieso fragen Sie?«

      Er zögerte mit der Antwort.

      »Nun …, ich bin Unternehmensberater und arbeite für verschiedene Großbanken.«

      Bettina ahnte schon etwas, Unternehmensberater an sich war ja okay, doch wenn ein solcher für Banken arbeitete, dann gehörte nicht viel Phantasie dazu, sich auszumalen, was das bedeutete, zumal, wenn man die Hintergründe kannte. Frieder war mit dem Weinkontor in eine gehörige Schieflage geraten, und nun setzte eine seiner Banken diesen an sich netten Gregor Olsen auf ihn an.

      Weswegen?

      Um Frieder zu helfen, oder um zu recherchieren, was für die Bank noch zu holen war.

      »Und … und … jetzt haben Sie Frieder … beraten?«, stotterte sie herum.

      »Nein, leider nicht. Ihr Bruder hat das strikt abgelehnt. Er will mit mir nicht reden. Vielleicht«, hatte er plötzlich die Idee, »reden Sie mal mit ihm? Ich will ihm nur helfen, meine Bank, ich meine die Bank, die mich beauftragt hat, ist nicht daran interessiert zu verwerten, sondern zu helfen. Da muss der Andere aber die Hilfe annehmen wollen.«

      Wenn Bettina geahnt hätte, was auf sie zukommen würde, dann wäre sie lieber auf den Boden gestürzt, statt von ihm aufgefangen zu werden. Jetzt über Frieder zu reden wünschte sie sich so sehr wie die Beulenpest, wenn es denn die überhaupt gab.

      »Tut mir leid, da sind Sie an die Falsche geraten, Herr Olsen«, sagte sie, »ich habe auf meinen Bruder keinen Einfluss. Zwischen uns herrscht Funkstille.«

      Sie wollte Frieder jetzt nicht in die Pfanne hauen und aus dem Nähkästchen plaudern, aber das erwartete er wohl auch nicht.

      »Schade«, sagte er nur, »es hätte hilfreich sein können.«

      Er blickte sie an.

      »Sind Sie auch in der Spirituosenbranche tätig?«, erkundigte er sich.

      »Mehr oder weniger«, gab Bettina zur Antwort. Sie musste einem Fremden, den sie vermutlich niemals mehr sehen würde, ganz gewiss nicht ihren Lebenslauf erzählen.

      Das hatte er auch kapiert.

      »Entschuldigung, ich wollte nicht indiskret sein. Sie interessieren mich einfach, und deswegen möchte ich gern mehr über Sie erfahren.«

      »Über mich gibt es nichts Interessantes zu berichten«, wich Bettina aus.

      »Holen Sie auch jemanden ab, der aus Lissabon kommt?«

      »Ja, meine Schwester, die ist mit einem Portugiesen verheiratet und kommt jetzt wegen eines Klassentreffens nach Deutschland. Sie ist in Portugal glücklich und möchte von dort niemals mehr weg.«

      »Meine Freundin ist auch Portugalbesessen«, sagte Bettina, »sie war allerdings nur zu einem … Urlaub dort.«

      Sie unterhielten sich über Portugal, über das Reisen schlechthin, als jemand an den Nachbartisch kam, um eine ältere Dame abzuholen.

      »Mama, die Maschine aus Portugal ist gelandet«, sagte eine junge Frau, »das Gepäckband läuft bereits.«

      Eilig stand die ältere Dame auf, beide Frauen liefen davon. Und auch Bettina und Gregor Olsen erhoben sich.

      »Ich würde Sie gern wiedersehen«, sagte er.

      »Das ist keine gute Idee«, entgegnete sie, »ich wohne nicht hier in der Stadt.«

      Er lachte.

      »Ich auch nicht, aber wofür gibt es Autos, öffentliche Verkehrsmittel.«

      Sie schüttelte den Kopf.

      »Vielleicht können wir ja mal miteinander telefonieren«, schlug er vor.

      Damit sie ihm nicht wieder eine Absage erteilen konnte, griff er in seine Tasche, holte eine Visitenkarte hervor und reichte sie ihr.

      »Ihre Telefonnummer werden Sie mir bestimmt nicht geben, oder?«

      Wieder ein Kopfschütteln von ihr.

      »Dann haben Sie ja vielleicht irgendwann einmal Lust, mich anzurufen.«

      Sie blickte auf die Visitenkarte, war sich nicht sicher, ob sie ihm diese nicht wiedergeben sollte, denn was sollte sie denn damit machen?

      Als habe er ihre Gedanken erahnt, sagte er schnell: »Bitte, werfen Sie sie nicht weg.«

      Es wäre jetzt albern gewesen, sie ihm zurückzugeben. Also steckte Bettina die Visitenkarte in ihre Jackentasche.

      Anrufen würde sie ihn ganz bestimmt nicht. Es tat ihr jetzt schon leid, dass er sich vielleicht Hoffnung machte.

      »Sind Sie verheiratet?«, erkundigte er sich, als sie nebeneinander zu der großen Glastür gingen, durch die bereits die ersten Menschen herausströmten.

      »Nein.«

      »Oh, das ist gut, ich …«

      Er brach seinen Satz ab, denn die Tür öffnete sich, und mit dem Pulk kam auch seine Schwester heraus. Im Gegensatz zu ihm war sie fast Hippie-mässig angezogen. Sie trug einen langen bunten Rock, darüber eine Filzjacke und hatte eine wilde, ungebärdige Lockenmähne, die sie durch ein Band zu bändigen versuchte. Rechts trug sie eine große Reisetasche, die die besten Zeiten auch schon hinter sich hatte, an ihrer linken Schulter baumelte eine große Umschlagtasche aus Leinen. Die Frau hatte etwas, dachte Bettina, und als sie Gregor Olsen lachend zuwinkte, konnte man erkennen, wie fröhlich und energievoll sie war.

      »Meine Schwester«, sagte er stolz. Sie waren wie Tag und Nacht. »Ich muss dann mal gehen … Bitte, rufen Sie mich an. Ich würde mich so sehr darüber freuen.«

      Sie musste nicht antworten, denn die junge Frau und er fielen einander in die Arme.

      Er nahm die Tasche seiner Schwester, dreht sich noch einmal zu Bettina um, blickte sie flehentlich an.

      Die junge Frau hatte sich bei ihm eingehakt und musste etwas Lustiges erzählt haben, denn beide lachten fröhlich.

      Bettina wandte sich ab.

      Das war Geschwisterliebe, Herzlichkeit, obschon die beiden doch so grundverschieden zu sein schienen. Sie hätte nicht darauf gewettet, dass es seine Schwester war, als sie die junge, angenehm auffallende Frau bemerkt hatte.

      Warum konnten ihre Geschwis­ter und sie nicht so herzlich miteinander umgehen? Warum mussten sie sich immerzu nur angiften? Fast war Bettina ein wenig neidisch. Sie griff in ihre Jackentasche, um sich ein Pfefferminzbonbon herauszuholen, weil sie auf einmal einen ganz trockenen

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