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ich mein Glück noch gar nicht fassen … Übrigens, Marie soll jetzt endlich getauft werden, natürlich in der Fahrenbach-Kapelle, hat Babette schon mit dir darüber gesprochen?«

      »Nein, bislang nicht.«

      »Sie wird es tun, weil sie nämlich unbedingt möchte, dass du Taufpatin von Marie wirst. Das ist dir doch recht?«

      »Es würde mich glücklich machen«, antwortete Bettina, und das stimmte auch. Sie liebte Kinder über alles, und wenn sie schon keine eigenen hatte, dann sollten es wenigstens Patenkinder sein.

      »Verrat mich bloß nicht, weil ich jetzt vorgegriffen habe. Schließlich ist Marie Babettes Kind und sie muss entscheiden.«

      »Sie würde dir nicht den Kopf abreißen, mein Lieber«, lachte Bettina. »Was hältst du denn da für Blätter in der Hand?«

      »Ach so, ja, das sind Bestellungen für unser ›Kräutergold‹, wir sind jetzt bei Hunold gelistet, du weißt doch, dieser exklusive Getränkehandel.«

      »Das ist ja phantastisch, dieser Spinner wollte doch eigentlich so was Triviales wie unser Kräutergold nicht im Programm haben, unter Finnmore Eleven durfte es ja kaum etwas sein. Was hat denn die Meinungsänderung bei ihm herbeigeführt?«

      Toni grinste.

      »Kundenanfragen, liebe Bettina. Es macht allmählich überall die Runde, dass das Kräutergold wieder zu haben ist. Und das ist auch bei den Hunold-Kunden angekommen.«

      »Super«, freute Bettina sich, »dann verpufft unsere Werbung also nicht im Sande.«

      »Wie sollte sie das, bei einer solchen Werbefachfrau, die da am Werk ist? Aber mal was anderes, wir müssen unsere Kapazität erweitern. Herr Bischoff, du und ich sollten uns zusammensetzen, um zu besprechen, was wie machbar ist. Ich möchte nämlich nicht, dass wir in Lieferschwierigkeiten geraten. Und dann gleich noch was – der Chateauwein ist ein Kracher, von überall her kommt eine positive Resonanz, auch hier müssen wir das Lager auffüllen.«

      »Das ist kein Problem, das kannst du selbst mit Marcel regeln, und mit Herrn Bischoff sollten wir es nicht auf die lange Bank schieben, lass uns die Gespräche doch für heute einplanen. Ich werde auf jeden Fall den ganzen Tag über, abgesehen einmal von der Mittagspause, im Büro sein.«

      »Okay, dann weiß ich Bescheid«, sagte Toni. »Ich will dann gleich mal mit Herrn Bischoff reden.«

      Wie auf Kommando kam der in diesem Augenblick aus der Produktion.

      »Ich hab da doch gerade meinen Namen gehört«, sagte er, nachdem er Bettina begrüßt hatte, er und Toni waren sich schon mehrfach begegnet. »Worum geht’s?«

      »Um eine Steigerung unserer Kapazität«, erklärte Toni.

      »Das ist Musik in meinen Ohren. Wo liegt das Problem?«

      Bettina mochte den Mann gern, der bereits ihren Vater gekannt hatte.

      Herbert Bischoff war nicht nur ein ganz exzellenter Fachmann, sondern auch ein sehr ruhiger und angenehmer Mensch. Bettina gratulierte sich jeden Tag auf’s Neue, dass es ihr gelungen war, ihn für ihren Betrieb als Mitarbeiter zu gewinnen. Er gehörte zur älteren Generation und war deshalb von seinem früheren Arbeitgeber ausgemustert worden.

      Bettina würde niemals begreifen, warum die Leute so töricht waren, auf erfahrene Mitarbeiter zu verzichten. Aber was wunderte sie sich eigentlich. Ihr Bruder Frieder gehörte doch auch zu dieser Sorte von Arbeitgebern! Er hatte sich ebenfalls von dem gesamten Stamm­personal getrennt und mit ihr sogar den Anfang gemacht. Er war gerade mal einen Tag Chef gewesen, als er ihr den Stuhl vor die Tür gesetzt und ihr mit sofortiger Wirkung und Freistellung gekündigt hatte. Doch das war Schnee von gestern, und sie wäre ja ohnehin nach Fahrenbach gegangen. Aber es hätte halt alles anders ablaufen können, nicht auf diese menschenverachtende Art.

      Jetzt hatte er ja die jungen, dynamischen Leute im Weinkontor. Doch Bettina fragte sich insgeheim, ob all diese Karriereneurotiker wohl auch bei ihm bleiben würden, wenn der Betrieb noch weiter in die Schieflage geriet.

      Warum machte sie sich eigentlich immer noch Gedanken deswegen? Sie hatte eine andere Sicht der Dinge und hielt es wie ihr Vater, für den langjährige, erfahrene Mitarbeiter das A und O gewesen waren.

      »Schön, dass Sie darin kein Problem sehen, Herr Bischoff«, freute Bettina sich. »Am besten sollten wir gleich besprechen, wie wir unsere Kapazität erweitern können.«

      »In Ordnung, aber geben Sie mir noch eine Viertelstunde, Frau Fahrenbach. Ich muss noch ein Auge auf die laufende Produktion haben.«

      »Aber ja, das geht selbstverständlich vor. Kommen Sie, wenn Sie Zeit für ein Gespräch haben, in mein Büro. Herr Greiner ist auch nicht aus der Welt, der wird auch in seinem Büro sein oder unten im Versand.«

      Herbert Bischoff nickte.

      »Also gut, dann bis gleich.«

      Er entfernte sich, und als er außer Reichweite war, sagte Toni: »Ein wirklich guter Mann, der ist mehr wert als ein Volltreffer im Lotto. Ohne ihn wären wir noch nicht da, wo wir jetzt sind. Der hat den Laden im Griff, und daran wird sich auch nichts ändern, wenn wir ein Vielfaches produzieren, vielleicht ja sogar irgendwann noch was anderes.«

      »Schuster bleib bei deinen Leis­ten«, sagte Bettina, schon vollkommen infiziert von Lenis Sprüchen. »Das Kräutergold langt mir als eigene Produktion, schließlich haben wir ja auch noch unsere Partner, für die wir den Vertrieb machen, und die preiswerten Weine des Chateaus verkaufen wir auch.«

      »Hast ja recht«, grinste Toni, »aber wenn es so gut flutscht wie im Augenblick bei uns, da will man einfach mehr.«

      »Sicher ist die Versuchung groß, aber ich setze, wie Papa es schon gemacht hat, auf solides Wachsen.«

      Sie waren oben angekommen.

      »Wir sehen uns dann später, Toni«, sagte Bettina, ehe sie in ihr Büro ging.

      Inge Koch hatte ihr bereits einen ziemlichen Stapel Post hingelegt. Inge arbeitete viel zu viel, Bettina musste unbedingt mal mit ihr sprechen, es doch ein wenig langsamer angehen zu lassen. Aber vielleicht wollte Inge auch nur den Schatten ihrer Vergangenheit entfliehen und flüchtete sich deswegen in die Arbeit.

      Ob sie den Freitod ihres Mannes schon ein wenig überwunden hatte? Vermutlich nicht. Es war aber auch ein entsetzlicher, ein grausamer Tod, sich wegen geschäftlicher Probleme vor einen Zug zu werfen. Hatte er nicht einen Augenblick daran gedacht, welchen Schlamassel er seiner Frau hinterlassen hatte? Nicht nur finanziell, auch emotional war sie in bodenlose Tiefe gefallen.

      Bettina wollte sich ihrer Arbeit zuwenden, doch da musste sie wieder an Leni denken, an Leni und Yvonne. Warum fiel es Yvonne nur so schwer, Leni als ihre Mutter zu akzeptieren? Sie sah doch andauernd, welch herzensguter Mensch Leni war, von allen Leuten geliebt und geachtet. Und Yvonne hatte doch auch kein Herz aus Stein, sie war liebenswert und großzügig, warum machte sie bei Leni dicht?

      Natürlich würde sie mit Yvonne die Kleider kaufen gehen, aber lieber wäre es ihr, wenn Leni bei diesem großen Ereignis, und das war es doch für eine Braut, dabei wäre.

      Aber sie konnte Yvonne schlecht auffordern, ihre Mutter gefälligst auch mitzunehmen.

      Seufzend griff sie nach dem ers­ten Stapel, den Inge ihr hingelegt hatte. Sie musste sich ihrer Arbeit zuwenden und nicht darüber Mutmaßungen anstellen, wie was sein könnte, wenn …

      Schon der Inhalt des ersten Briefes ärgerte sie. Da war ein Kunde doch wahrhaftig so dreist, dass einem im wahrsten Sinne des Wortes die Spucke wegblieb. Er hatte nicht nur das Zahlungsziel weit überschritten und war deswegen bereits mehrfach gemahnt worden, sondern forderte jetzt eine weitere Fristverlängerung für die Bezahlung und wollte dann aber auch noch Skonto abziehen!

      Das schlug wirklich dem Faß den Boden auf, und Bettina setzte gerade an, ihm einen geharnischten Brief zu schicken, als ihr Telefon klingelte.

      Sie legte den Brief beiseite.

      Privat oder ganz

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