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schon auf dem Weg zur Destille, wo eine ganze Menge Arbeit auf sie wartete, als sie es sich anders überlegte.

      Sie wollte Leni nur rasch Hallo sagen, die Zeit musste sein.

      Als sie ins Haus der Dunkels kam, hörte sie Stimmen aus der gemütlichen Wohnküche.

      Verblüfft öffnete sie die Tür, sie hatte sich nicht geirrt. Leni und Yvonne saßen bei einem Kaffee beisammen.

      »Guten Morgen, ihr Zwei«, rief sie und begrüßte die beiden Frauen herzlich, ehe sie sich auf einen Stuhl fallen ließ.

      »Yvonne, was machst du denn zu so früher Stunde schon hier?«, erkundigte sie sich verblüfft.

      »Ich will den Rest meiner Sachen holen«, lachte Yvonne, »wie du weißt, wohne ich ja bereits bei Markus in der Mühle, seit ich aus Winkenheim zurück bin. Gestern kamen die Möbel an, die ich aus meinem Elternhaus behalten möchte, und jetzt wird renoviert, geräumt, die Kleiderschränke sind allerdings bereits aufgebaut, ich habe, weil das Haus so groß ist, ganz komfortabel ein Ankleidezimmer, und deswegen suche ich meine ganzen Klamotten zusammen.«

      »Das mit dem Verkauf des Hauses ist wirklich rasant über die Bühne gegangen.«

      »Nun, der Schweizer war ja auch ganz heiß darauf und hat sogar noch ein bisschen mehr gezahlt, um ganz sicher zu gehen, dass ich die Villa auch wirklich ihm verkaufe.«

      »Schon beachtlich, wenn man bedenkt, dass die Immobilienpreise im Moment ganz schön im Keller sind.«

      »Die Villa ist auch ein Sahnestückchen. Wenn ich Markus nicht wiedergefunden hätte, dann wäre ich dort niemals ausgezogen und hätte auch nicht verkauft. Aber nun ist es gut, so wie es ist.«

      »Was hast du denn mit dem Rest der Einrichtung gemacht?«, wollte Bettina wissen.

      »Zum Teil verkauft, einen großen Teil an caritative Einrichtungen und an ein Frauenhaus verschenkt. Dort erfüllt alles noch einen guten Zweck.«

      Leni hatte während der ganzen Zeit nur stumm in ihren Kaffee geblickt. Sie ließ es sich nicht anmerken, aber es schmerzte sie schon, dass Yvonne mit ihr noch immer umging wie mit einer netten Bekannten.

      »Dann bist du jetzt also vollkommen auf ein neues Leben in unserem beschaulichen Fahrenbach eingestellt«, rief Bettina.

      »Ja, an der Seite des Mannes, den ich liebe, von dem ich geliebt werde, und das ist ein ganz wundervolles Gefühl, und du hast mir auch das Stichwort geliefert. Für mein neues Leben benötige ich noch zwei Dinge.«

      »Und die wären?«

      »Ein Kleid für die standesamtliche Trauung und eins für die kirchliche Hochzeit, und da mich so was vollkommen überfordert, möchte ich dich fragen, ob du mich beim Kauf begleitest und berätst.«

      Aus den Augenwinkeln beobachtete Bettina, wie Leni ihre Tasse, aus der sie gerade hatte trinken wollen, mit zitternden Fingern wieder absetzte.

      Yvonnes Frage musste sie in ihren Grundfesten erschüttert haben, und das war durchaus zu verstehen. Leni war Yvonnes leibliche Mutter. Und war es nicht selbstverständlich, dass die Einkäufe für einen so bedeutsamen Tag von Mutter und Tochter getätigt wurden?

      »Natürlich komme ich gern mit«, sagte Bettina, was hätte sie denn sonst auch sagen sollen? Sie konnte Yvonne doch nicht vorschreiben, dass sie das gefälligst mit Leni tun sollte. Nachdem Yvonne ihre leibliche Mutter erst kategorisch abgelehnt hatte, weil diese sie nach der Geburt zur Adoption freigegeben hatte, war Bettina ja glücklich, dass die beiden überhaupt miteinander sprachen und sich eigentlich schon ganz gut verstanden. Doch das was sie miteinander verband, war von Mutter-Tochter-Liebe noch ganz weit entfernt. Die arme Leni, die musste jetzt Höllenqualen durchleiden, auch wenn sie sich das äußerlich nicht anmerken ließ.

      »Danke, Bettina, vielleicht können wir das in den nächsten Tagen in Angriff nehmen.«

      »Wann immer du willst, Yvonne. Bei mir liegt im Moment nichts Unaufschiebbares an.«

      »Phantastisch, dann gib mir noch ein paar Tage, bis ich noch ein wenig geräumt habe, dann können wir los.« Sie strahlte übers ganze Gesicht. »Markus ist phantastisch, er hilft mir, wo er kann, und was ich ihm ganz hoch anrechne – er will, dass ich mich in seinem Haus daheim fühle und ist mit allen Veränderungen einverstanden.«

      »Das ist eben Liebe«, entgegnete Bettina. »Markus ist ein Mann, der nicht das Sagen haben will, sondern für den eine gleichberechtigte Partnerschaft wichtig ist.«

      »Das stimmt, er ist wie das große Los, und wenn ich denke, dass ich es nur dir allein zu verdanken habe, dass wir uns ausgerechnet in Fahrenbach wieder begegnet sind. Wenn du nicht alles angekurbelt hättest, wäre ich doch niemals in meinem Leben hierhergekommen. Ich wusste ja nicht einmal, dass es einen Ort namens Fahrenbach überhaupt gibt.«

      »Das ist Schicksal«, wandte Leni ein. Und das war es ja wohl auch. Bettina hatte Yvonne ausfindig gemacht, und sie war es schließlich auch gewesen, die Mutter und Tochter zusammengebracht hatte, leider noch nicht vereint. Und dass ausgerechnet Markus Herzog der Mann war, in den Yvonne sich unsterblich verliebt hatte, von dem ihre Gefühle ebenso heftig erwidert worden waren, das war eine Geschichte, die nur das Leben schreiben konnte, ein Drehbuchautor hätte sich das so nicht ausdenken können.

      Die Begegnung zweier junger Studenten, die Liebe auf den ersten Blick, der Abbruch einer Veranstaltung, weil der Veranstaltungsort durch ein Feuer zerstört worden war und die Verabredung zunichte gemacht hatte, und dann, nach so vielen Jahren das Wiedersehen … und die Faszination füreinander war geblieben.

      »Wir wissen, was wir dir zu danken haben, Bettina«, drang Yvonnes Stimme an ihr Ohr, »ganz speziell ich, und deswegen will ich dich auch fragen, ob du meine Trauzeugin sein willst. Markus möchte gern Linde als seine Trauzeugin haben, weil sie für ihn sehr wichtig ist und die beiden ja praktisch, bis auf die Zeiten des Studiums, ihr Leben lang zusammenhängen und das sind, was man bes­te Freunde nennt.«

      »Danke, Yvonne«, sagte Bettina, »es ist eine große Ehre für mich.«

      Zufrieden nickte Yvonne, dann stand sie auf.

      »So, und nun will ich mich mal sputen. Wie sagt Leni doch immer so treffend? Der frühe Vogel pickt das Korn. Ich habe viel zu tun und kann den Tag nicht vertrödeln. Wir telefonieren miteinander, ja?«, wandte sie sich an Bettina, dann blickte sie zu Leni: »Danke, dass du mir beim Zusammenpacken geholfen hast, mit deiner Hilfe ging es so sehr viel schneller. Und sag Arno nochmals danke dafür, dass er alles in mein Auto gepackt hat.«

      Sie winkte beiden zu.

      »Auf bald dann, wir sind ja alle nicht aus der Welt«, nach diesen Worten wirbelte sie hinaus, und zwischen Bettina und Leni war es zunächst einmal mucksmäuschenstill.

      Bettina wusste nicht, was sie sagen sollte, und Leni war wohl emotional zu bewegt. Sie war es aber, die schließlich das Wort ergriff: »Willst du einen Kaffee haben?«

      Das war so absurd, in einem solch emotionalen Moment eine so banale Frage zu stellen, aber vielleicht brachte gerade das so etwas wie Normalität in das Ganze.

      »Nein, danke, Leni, ich komm gerade vom Frühstückstisch und hatte reichlich Kaffee. Ich bin nur gekommen, um Hallo zu sagen und zu fragen, was es heute Mittag zu essen gibt, damit ich mich schon mal freuen kann.«

      Das mit dem Essen hatte sie einfach hinzugefügt, weil sie von Yvonne und dem, was diese gesagt hatte, ablenken wollte, und wenn man aufs Essen kam, ging Leni meist auch darauf ein. Heute allerdings nur mit einem Satz: »Es gibt Kalbsleber mit Kartoffelpüree und dazu einen Salat.«

      Bettina verkniff sich das »lecker«, weil sie sich nicht sicher war, ob das bei Leni überhaupt ankommen würde.

      Traurig blickte sie zu Leni hinüber, die gedankenverloren in ihrem Kaffee herumrührte. Was sollte sie nur tun, um Leni zu helfen?

      Leni ergriff das Wort.

      »Recht hat sie, mich nicht zu fragen«, sagte sie mit dumpf klingender Stimme. »Schließlich habe ich sie nur geboren, eine

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