Скачать книгу

später melden.

      Sie griff nach dem Hörer und meldete sich ein wenig lustlos. Eigentlich hätte sie jetzt erst viel lieber den Brief beantwortet.

      Doch dann war das vergessen. Linda war am Apparat, das erste Mal rief sie an, seit sie in Portugal weilte.

      »Linde, wie schön, dass du dich meldest. Wie geht es dir und den Kindern?«, wollte Bettina wissen.

      »Den Kindern geht es gut, sie werden hier nach Strich und Faden verwöhnt«, antwortete Linde.

      Bettina war alarmiert. Sie hatte nur über die Zwillinge gesprochen.

      »Und du? Wie geht es dir?«

      Zunächst kam keine Antwort, und Bettina hatte schon die Befürchtung, die Leitung sei unterbrochen.

      »Linde?«

      »Ich bin noch da«, kam die zögerliche Antwort.

      Irgendetwas stimmte da doch nicht, dachte Bettina besorgt. So kannte sie ihre Freundin nicht.

      »Linde, ich…«

      »Wir reden über alles, wenn ich zu Hause bin«, sagte Linde schnell.

      »Und wann wird das sein?«

      »Ich habe den Rückflug für übermorgen gebucht. Die Maschine landet um sechzehn Uhr zehn.«

      »Okay, dann hole ich dich ab.«

      »Vergiss nicht, mein Auto zu nehmen … Ich meine wegen der Kindersitze.«

      Linde war ja vollkommen durch den Wind.

      »Die hast du bei dir, schon vergessen?«

      »Ach so, ja, richtig…, nun, dann kannst du auch dein Auto nehmen.«

      »Das werde ich, und Platz genug ist ja auch darin. Aber sag mal, Linde, was ist denn geschehen?«

      Wieder dauerte es eine ganze Weile, ehe Linde antwortete, und auch diesmal wich sie aus.

      »Nichts …, es ist nur so …, es ist an der Zeit, wieder nach Hause zu kommen.«

      Als habe sie Angst vor Bettinas weiteren Fragen, begann sie schnell von den Zwillingen zu erzählen, und dann hatte sie es auf einmal eilig, das Gespräch zu beenden.

      Danach war Bettina nicht mehr in der Lage, dem dreisten Kunden zu schreiben. Ihre Gedanken waren bei ihrer Freundin.

      Was war in Portugal vorgefallen? Hatte der Aufenthalt dort sie überfordert? Durchaus möglich. Es war schon eine emotionale Belastung, mit den Kindern des geliebten Mannes an den Ort zu fahren, wo dessen Asche im Meer verstreut war. Sie hätte Linde ja begleitet, auch Leni wäre ohne Weiteres mit ihr gefahren, doch Linde hatte ja unbedingt allein diese Reise antreten wollen. Ob sie die ganzen Wochen über so schlecht drauf gewesen war? Hoffentlich nicht. Sie war ja geflogen, um sich Klarheit über irgendetwas zu verschaffen und um Martin an dem Ort nahe zu sein, an dem sie mit ihm so glücklich gewesen war. Konnte sie es nicht verkraften, ohne ihn leben zu müssen? Waren die Erinnerungen an all das Schöne, das sie mit ihm erlebt hatte und das sie niemals mehr erleben würde, einfach zu viel für sie gewesen?

      Am liebsten wäre Bettina jetzt aufgestanden und hinunter zu Leni gelaufen, um ihr von diesem Anruf zu berichten und nach deren Meinung dazu zu fragen.

      Aber das ging ja nicht, gleich würden Toni und Herbert Bischoff zu ihr kommen, um mit ihr wichtige geschäftliche Dinge zu besprechen, und das war vorrangig. Da musste Privates einfach zurückstehen.

      Aber beunruhigt war sie doch, und sofort nach der Besprechung würde sie zu Leni laufen.

      Irgendwo war sie froh, sich jetzt nicht in die Gedanken an Linde hineinsteigern zu können, denn in diesem Augenblick kamen Herbert Bischoff und Toni in ihr Büro.

      Das Fahrenbach-Kräutergold war jetzt das Thema, und das verlangte volle Konzentration.

      *

      Während Bettina auf die Ankunft von Linde und den Zwillingen wartete, die Maschine hatte etwas Verspätung, wanderten ihre Gedanken zu Jan. Den holte sie auch oft vom Flughafen ab, denn er liebte es, sie nach der Ankunft zu sehen und in die Arme schließen zu können. Jan hatte auch nichts dagegen, zum Flughafen gebracht zu werden, ganz im Gegenteil.

      Wie anders war doch Thomas gewesen, der hatte ja förmlich einen Aufstand gemacht, wenn sie ihn zum Flughafen hatte bringen wollen.

      Er hatte Abschiedszenen am Flughafen gehasst, ebenso zärtliche Begrüßungen.

      Wieso fiel ihr denn ausgerechnet jetzt Thomas ein? Das Thema Thomas Sibelius war ja wohl für immer abgehakt. Warum musste sie ausgerechnet jetzt an ihn denken? Weil es immer wieder vorkam, dass sie an ihn dachte? Oder weil Flugzeuge irgendwie zu ihrem Leben gehört hatten, während sie mit ihm zusammen gewesen war? Sie auf dem Fahrenbach-Hof, er in New York oder irgendwo in der Weltgeschichte.

      Jan war ja auch viel unterwegs, aber er kam immer wieder und das auch für länger auf den Hof, und sie standen auch täglich miteinander in Verbindung. Und wenn sie wollte, konnte sie ihn auch begleiten, auf jeder seiner Reisen. Es würde ihn glücklich machen. Aber er hatte ja auch nichts zu verbergen. Er war nicht verheiratet und hatte irgendwo eine Ehefrau, so wie es bei Thomas gewesen war, der seine Nancy wohlweislich verschwiegen hatte. Vermutlich wäre sie jetzt noch in der Warteschleife, wenn sie nicht zufällig von der Existenz dieser Ehefrau erfahren hätte.

      Sie wollte nicht an diesen Menschen denken!

      Niemals mehr!

      Warum tauchen die Erinnerungen an ihn immer wieder auf?

      Abrupt drehte Bettina sich um und wäre hingestürzt, wenn starke Arme sie nicht aufgefangen hätten.

      »Entschuldigung«, murmelte sie und blickte in schöne, warme braune Augen. Ein gutgeschnittenes Gesicht. Der Mann roch angenehm nach einer guten After shave lotion.

      »War mir ein Vergnügen, Sie aufzufangen«, sagte er, auch seine Stimme klang sehr sympathisch.

      Verlegen machte Bettina sich aus seinen Armen frei.

      Sie wollten weitergehen, doch er hielt sie sanft zurück.

      »Falls Sie jemanden abholen wollen, der mit der Maschine aus Portugal kommt, schauen Sie mal«, er deutete auf die Anzeigentafel, »es gibt eine weitere Verspätung, jetzt sind es schon dreißig Minuten.«

      »Wie ärgerlich«, rief Bettina aus. Sie hatte ihr Auto auf einen Kurzzeit-Parkplatz gestellt und würde ein Vermögen bezahlen an Parkgebühren. An Flughäfen nahmen sie es ja vom Lebendigen. Aber wegstellen würde sie ihr Auto jetzt auch nicht.

      »Für mich nicht«, lachte er, »denn dadurch habe ich jetzt die Chance, Sie zu einem Kaffee einzuladen.«

      Na, der Gute ging ja ran wie Blücher, dachte Bettina belustigt. Aber unsympathisch war er nicht, und vielleicht war es gar nicht mal so schlecht, die Zeit in Gesellschaft totzuschlagen, als allein herumzustehen. Aber dennoch zögerte sie.

      »Ich bin Ihr Retter«, erinnerte er sie. »Gesellschaft bei einem Kaffee ist doch das Wenigste, was mir zusteht.«

      »Dann müsste ich Sie ja einladen«, antwortete sie. Doch davon wollte er nichts wissen.

      »Nein, nein, meine Belohnung ist Ihre Gesellschaft.«

      Bettina zögerte noch einen kurzen Moment, dann nickte sie.

      »Also gut, einverstanden, edler Retter.«

      Er strahlte sie an, als habe sie ihm soeben einen Hauptpreis überreicht.

      »Danke, darf ich mich vorstellen? Gregor Olsen, meine Freunde nennen mich Greg.«

      »Angenehm, Bettina … Bettina Fahrenbach.«

      »Ein schöner Name«, er nahm sie sanft beim Arm und dirigierte sie in eine kleine, sich in unmittelbarer Nähe befindlichen Cafeteria, die kaum besucht war. Er führte sie in eine Ecke, schob ihr höflich den Stuhl zurecht, dann bestellte er Kaffee, nachdem er sich vergewissert hatte, dass Bettina nichts anderes

Скачать книгу