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Leni in die Arme.

      »Du hast sie nicht weggegeben, weil sie dir lästig war, das hat Yvonne doch mittlerweile auch begriffen und akzeptiert.«

      Leni nickte.

      »Ja, das hat sie, aber verzeihen wird sie es mir nie. Für Yvonne werde ich niemals mehr sein als die Frau, die sie geboren hat und mit der sie notgedrungen Kontakt aufnehmen musste, weil sie es ihrem geliebten Adoptivvater auf dessen Sterbebett versprochen hatte.«

      »Zwischen euch wird alles gut, Leni, sieh mal, es ist doch schon immer besser geworden, und überbewerte doch jetzt nicht den Kauf zweier dummer Kleider.«

      »Das tue ich nicht, das ist es wirklich nicht, es hat mir halt nur wieder einmal gezeigt, welchen Stellenwert ich in den Augen … meiner … Tochter habe, nämlich keinen. Und das tut weh, dagegen kann ich mich nicht wehren, auch wenn ich es vom Verstand her will.«

      »Es wird alles gut zwischen euch, Leni, das weiß ich«, sagte Bettina beschwörend, »hab einfach noch etwas Geduld.«

      Leni tätschelte Bettinas Arm, der sie noch immer umklammert hielt.

      »Bist ein gutes Kind«, sagte sie, »aber jetzt genug der Sentimentalitäten, du musst hinauf in die Likörfabrik, und ich hier an meine Arbeit. Heute sind viele Mäuler zu stopfen. Neben den beiden Männern essen auch Inge und Babette mit uns, und die zwei Elektriker, die im Gärtnerhaus arbeiten. Arno ist der Meinung, dass sie sich ein warmes Mittagessen verdient haben und nicht nur ihre Stullen essen sollen.«

      »Dann haben wir ja ein volles Haus«, sagte Bettina und richtete sich auf. »Dann will ich auch mal gehen, auf mich wartet viel Arbeit.«

      Sie hätte Leni so gern etwas Tröstliches gesagt, was diese Ärms­te aufbauen würde, aber es gab keine Worte für den Schmerz, den Leni in ihrem Inneren hatte, da konnte nur die Zeit helfen und heilen.

      Auf dem Hof traf Bettina mit Babette zusammen, die den Kinderwagen mit der kleinen Marie vor sich herschob, an der Leine hatte sie Goldie, die bei Bettinas Anblick freudig zu kläffen begann und an Bettina hochsprang.

      »Na, mein Mädchen«, rief Bettina und begann Goldie zu kraulen, nachdem sie Babette begrüßt und einen Blick auf die friedlich schlummernde Marie geworfen hatte, »freust du dich, mich zu sehen?«

      Goldie hatte sich prächtig gemacht. Sie war zwar noch verunsichert und wich Fremden aus, aber mit den Hofbewohnern war sie ein Herz und eine Seele, und mit Max verstand sie sich auch gut. Doch so ein Verhältnis, wie Hektor und Lady zueinander gehabt hatten, herrschte zwischen den beiden Tieren nicht. Max akzeptierte Goldie, war aber nicht besonders an ihr interessiert, sondern blieb lieber bei Arno, auf den er vom ersten Moment an fixiert gewesen war.

      Goldie nahm die Leckerli entgegen, die Bettina aus ihrer Hosentasche gezaubert hatte.

      »Ich will mal einen kleinen Spaziergang machen, vielleicht bis hinunter ins Dorf«, erklärte Babette, »und dachte, dass es nicht schaden könnte, Goldie mitzunehmen. Aber ich traue mich nicht, sie ohne Leine mitzunehmen.«

      »Nein, ist gut so, Babette, es braucht noch eine Zeit, ehe sie mit allem hier vertraut ist. Max willst du nicht mitnehmen?«

      »Von Wollen ist keine Rede, er hat sich verkrümelt und hockt bestimmt bei Arno im Gärtnerhaus.«

      »Ja, so wird’s wohl sein. Er ist ein ganz eigener Charakter, so ganz anders als Hektor. Dabei sind die beiden Labradore, aber was erwarte ich eigentlich. Wir sind Menschen, gehören auch zu einer Rasse und sind alle ganz verschieden.«

      »Das Gärtnerhaus wird im übrigen ein Traum, Bettina«, sagte Babette. »Ich war vorhin drin, und die Arbeiten gehen ja in Windeseile voran. Weißt du schon, was du damit machen wirst?«

      »Ja, weiß ich«, antwortete Bettina, aber sie verriet nichts, obschon Babette anzusehen war, dass sie es liebend gern erfahren hätte.

      Marie begann zu quängeln.

      »Ich fahr los mit ihr, ehe sie ganz wach wird und das große Gebrüll einsetzt«, sagte Babette und begann den Kinderwagen hin- und herzuschieben. Sofort hörte das Quängeln auf.

      »Sobald sie gefahren wird, ist sie still«, lachte Babette, »Toni hat das herausgefunden.«

      »Er kann gut mit Marie umgehen, stimmt’s?«

      »Phantastisch … Toni ist ein wunderbarer Mann«, schwärmte Babette, und als habe sie damit zu viel gesagt, fügte sie rasch hinzu: »Nun muss ich aber los.«

      Sie winkte Bettina zu, und die blickte ihnen nach. Babette, die den Kinderwagen mit ihrer kleinen Tochter vor sich herschob und den kleinen Hund an ihrer Seite, der brav neben dem Wagen herlief.

      Auch Babette hatte sich auf dem Hof gut eingelebt. Sie kennenzulernen war auch so eine Fügung des Schicksals gewesen. Sie und Linde hatten fast gleichzeitig ihre Kinder bekommen, und während Bettina auf die Geburt der Zwillinge wartete, war sie mit der hochschwangeren Babette ins Gespräch gekommen, sie waren sich sofort sympathisch gewesen, und natürlich war Bettina zur Stelle gewesen, als sie von Babettes Schicksal erfahren hatte. Das war aber auch so was wie ein schlechter Film. Babette wähnte sich glücklich verheiratet und musste kurz vor der Geburt ihrer Tochter erfahren, dass sie von ihrem Ehemann lange betrogen worden war und dass seine Geliebte fast gleichzeitig mit ihr ein Kind bekommen hatte, allerdings einen Sohn. Und dieser Sohn war der Ausschlag dafür gewesen, dass dieser Mann zu seiner Geliebten gezogen war und sich gegen Frau und Tochter entschieden hatte. Er hatte Marie bis heute nicht gesehen, Babette und das Baby aus seinem Gedächtnis gestrichen, denn auf diese Weise konnte er sich ja auch um seine Zahlungsverpflichtungen drücken, in seinem Universum gab es Babette und Marie ja nicht.

      Weil Babette zu stolz gewesen war, ihren Ehemann auf Unterhalt zu verklagen, war sie in ziemliche finanzielle Bedrängnis geraten, und weil sie und Toni sich sympathisch waren, hatte Toni vorgeschlagen, sie in sein Haus in eine Wohngemeinschaft aufzunehmen.

      Lächelnd lief Bettina die Anhöhe zur Destillerie hinauf. Sie nannten es noch immer Wohngemeinschaft, aber Bettina war sich sicher, dass zwischen ihnen längst mehr war. Sie wirkten nach außen hin wie eine kleine glückliche Familie, und Toni vergötterte die kleine Marie.

      Irgendwann, und sicherlich würde das nicht mehr lange dauern, würden sie sich ihre Gefühle füreinander eingestehen. Beide waren zurückhaltende Menschen und hatten ja noch die Last ihrer Vergangenheit zu tragen, aber Babette würde darüber hinwegkommen, was ihr Ehemann ihr angetan hatte, von dem sie die Scheidung bereits beantragt hatte.

      Und Toni?

      Der war auf dem besten Weg, den jahrelangen Schmerz um den Freitod seiner geliebten Laura zu überwinden. Und das hatte Babette geschafft, die Laura nicht nur ein wenig glich, sondern auch die erste Frau war, für die Toni sich interessierte. Wenn das nicht so wäre, hätte er ganz gewiss nicht sein Eremitendasein aufgegeben und Babette angeboten, in sein Haus zu ziehen. Ja, es war abzusehen, dass Babette und Toni sich finden würden. Auch nach außen hin. Ihre Herzen schlugen bereits füreinander, dessen war Bettina sich sicher.

      Sie hatte noch immer dieses zufriedene Lächeln auf den Lippen, als sie die Destille betrat und auf dem Flur fast mit Toni zusammengestoßen wäre, weil sie noch immer so sehr in Gedanken versunken gewesen war.

      »Was ist los?«, erkundigte er sich lachend. »Hast du an einem Honigtopf genascht?«

      »Nein, ich hab ein wenig mit Babette geplaudert, sie macht mit Marie und Goldie einen Spaziergang.«

      »Und das macht dich so froh?«

      Sie konnte ihm jetzt unmöglich um die Ohren hauen: Ich bin glücklich, dass es mit euch so gut läuft, dass ich weiß, dass für euch nach Babettes Scheidung ganz gewiss die Hochzeitsglocken läuten werden …

      Eine solche Antwort würde Toni verlegen machen, und er würde alles weit von sich weisen.

      »Dass Marie ein so süßer kleiner Fratz ist«, antwortete sie stattdessen, und das war ja nicht gelogen.

      Jetzt begann er zu strahlen wie ein Honigkuchenpferd.

      »Das

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