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blickte skeptisch drein.

      »Glaubst du vielleicht, dass er die bezahlt? Dein Bruder pfeift doch aus dem letzten Loch.«

      Bettinas Gedanken wirbelten wild durcheinander, ihrem ersten Schreck folgte unbändiger Zorn.

      Sie hatte sich schon, ganz im Gegensatz zu früher, Frieder gegenüber behauptet. Jetzt würde sie zum Rundumschlag ausholen, denn seine Gemeinheiten wollte sie sich einfach nicht mehr gefallen lassen. Was glaubte er denn, wer er war, ihr Herr Bruder? Er konnte wahrlich auf keine Heldentaten schauen. Seit er das Wein-Kontor übernommen hatte, eine bekannte, geachtete Firma mit einem großen Auftragspotential und einem gut gefülltem Konto, war es wegen seiner Misswirtschaft, seines Grandiositätsdenkens, immer nur bergab gegangen.

      Sie hatte lange still gehalten, so manches Mal eine Faust in der Tasche gemacht, um den brüchigen Familienfrieden zu bewahren.

      Damit war es jetzt vorbei, wenn Frieder Krieg haben wollte, sollte er ihn haben.

      »Toni, alle Rechnungen für das Weinkontor, die wir bezahlt haben, mahnen wir an, für die überfälligen Posten schicken wir Mahnbescheide, die Geschäftsbeziehung wird wegen Nichteinhaltung der Zahlungskonditionen mit sofortiger Wirkung gekündigt. Wegen der lächerlichen Forderungen verweisen wir auf Frieders ausdrücklichen Verzicht auf die Eingangspreislagen, das haben wir glücklicherweise schriftlich, auch unseren Hinweis, dass wir diese Weine verkaufen werden. Damit ist das vom Tisch, dazu brauchen wir nicht mal einen Anwalt, so klar ist unsere Position. Und dann will ich mal sehen, wie er dann dasteht.«

      Toni atmete erleichtert auf.

      »Bettina, ich bin ja so froh, dass du deinem Bruder gegenüber endlich eine andere Position einnimmst, und dir nichts mehr gefallen lässt. Ich such alles heraus, und dann jagen wir es sofort den Anwälten zu. Und mit Marcel, willst du mit ihm reden, oder soll ich das machen?«

      »Ich ruf ihn an, er wird überglücklich sein, denn es gefällt ihm schon lange nicht, dass wir diesen Schmarotzer mit durchziehen. Marcel war immer stinksauer, wenn Frieder die teuersten Weine bestellt hat, ohne sie zu bezahlen.«

      »Na, das kann er sich ja glücklicherweise jetzt abschminken.«

      »Genau.«

      Toni verließ das Büro, um alles vorzubereiten, was sie den Anwälten schicken wollten, doch Bettina blieb wie gelähmt auf ihrem Stuhl sitzen.

      Es war unmöglich, wie Frieder sich verhielt, er war doch ihr Bruder, behandelte sie aber, als sei sie seine allergrößte Feindin. Dabei hatte sie ihm nichts getan, ganz im Gegenteil. Was war bloß aus Frieder geworden.

      Sie stand auf und ging hinüber zu ihrem Schreibtisch, dabei fiel ihr Blick auf das silbergerahmte Foto ihres Vaters.

      »Ach, Papa«, seufzte sie, »welch ein Glück, dass du nicht mehr mitbekommst, was hier bei uns, deinen Kindern, los ist. Es ist im Grunde genommen ein Hauen und Stechen wie bei verfeindeten Stämmen in Afrika.«

      Bei dem Stichwort Afrika fiel ihr Christian wieder ein. Es war wirklich sehr schade, dass sie ihn so lange nicht mehr sehen würde, ein Jahr. Das war eine verdammt lange Zeit. Er hatte zwar von Besuchen gesprochen, doch das glaubte Bettina nicht. Sie war nicht sehr reisefreudig, und in heiße Länder zog es sie schon gar nicht.

      Sie wollte gerade Marcel anrufen und ihn bitten, ans Weinkontor nichts mehr zu liefern, als das Telefon klingelte.

      Es war Yvonne.

      »Willst du mir sagen, wann wir die Kleider für dich kaufen werden?«, fragte Bettina.

      »Ja, das auch … Ich mein, wir können einen Termin abstimmen, doch eigentlich rufe ich aus einem anderen Grund an«, sagte sie ein wenig zögerlich.

      Hatte sie Krach mit Markus? Gab es die erste trübe Wolke am sonst so klaren Himmel?

      »Was gibt’s, schieß los.«

      »Ich brauche deine Meinung, Bettina … Markus meint, dass ich zum Kleiderkauf Leni auch mitnehmen soll, er ist der Auffassung, dass sich das so gehört.«

      Markus war ein Schatz, Bettina hätte ihn umarmen können, weil er das ausgesprochen hatte, was sie sich nicht getraut hatte.

      »Er hat recht, Yvonne«, bestätigte Bettina, »schließlich ist Leni deine Mutter. Und Hochzeitskleider kauft man in der Regel mit seiner Mutter ein.«

      »Und warum hast du mir das nicht gesagt?«, beschwerte Yvonne sich.

      Eine berechtigte Frage!

      »Weil ich die Geschichte von Anfang an kenne, auch deine Einstellung zu Leni. Erinnere dich doch bloß daran, welchen Trouble es gab, ehe du sie überhaupt sehen wolltest. Ich bin froh, dass ihr jetzt so … nett miteinander umgeht, das will ich doch nicht infrage stellen, indem ich dir bei wichtigen Dingen hineinrede.«

      »Ach, du liebe Güte, das hört sich ja furchtbar an. So schlimm bin ich?«

      »Nein, bist du nicht, nur ein wenig … kompliziert. Aber das ist auch nur die Sicht meiner Dinge, ich bin nicht du.«

      »Du würdest es anders machen, richtig?«

      »Ja, Yvonne, für mich wäre Leni längst meine Mutter, nicht nur dem Gesetz nach, sondern im Herzen. Sie ist der beste Mensch auf der Welt und hat es so sehr verdient, ihr Kind…«

      »Ich werde sie anrufen und fragen, ob sie mitkommen will«, wurde Bettina von Yvonne unterbrochen, »oder vielleicht fahre ich auch mal kurz hin.«

      »Hinfahren ist besser«, sagte Bettina, »dann kannst du auch gleich in ihr strahlendes Gesicht sehen.«

      »Ach, Bettina, du mit deinem großen Herzen, also, ich werde hinfahren, und sag mal, passt es dir übermorgen? Vielleicht können wir hinterher auch noch zusammen essen gehen, um uns von den Strapazen zu erholen.«

      »Ja, einverstanden. Kommst du auf den Hof, oder soll ich dich an der Mühle abholen?«

      »Das fehlte gerade noch, dass du meinetwegen dein Benzin ver­fährst. Nein, selbstverständlich hole ich … euch ab, wenn Leni denn mitkommen will.«

      »Daran zweifelst du? Sie wird überglücklich sein.«

      »Nun gut, wann soll ich bei dir sein, um zehn? Ist das okay für dich?«

      »Ja, ausgezeichnet, ich freue mich, Yvonne. Du wirst als Braut phantastisch aussehen, und deinem Markus werden die Augen aus dem Kopf fallen, wenn du in die Kapelle hineinkommst.«

      »Hört sich toll an, aber ich wollte, ich hätt schon mal das Kleid, das auf meinen Liebsten eine solche Wirkung hat«, seufzte Yvonne. »Ich weiß ja noch nicht einmal, was ich eigentlich will.«

      »Das wusste Linde zuerst auch nicht, und dann hatten wir ratz-fatz ein Kleid gefunden, das wie für sie gemacht war.«

      Sie wechselten noch ein paar Worte miteinander, ehe sie das Gespräch beendeten.

      Bettina war glücklich, dass Leni nun beim Kauf der Kleider dabei sein würde, ganz so, wie es sich gehörte.

      Ihre Gedanken wanderten zurück zu dem Tag, als sie mit Linde unterwegs gewesen war, um sie für den schönsten Tag ihres Lebens auszustaffieren.

      Es war der schönste Tag gewesen, sie hatte noch jetzt das strahlende Glück von Linde und Martin vor Augen. Glücklicher als die beiden hätte kein Mensch sein können, und doch hatte es schon das erste Anzeichen für ein drohendes Unheil gegeben.

      Bettina erinnerte sich daran, als sei es erst gestern gewesen, und sie bekam auch jetzt eine Gänsehaut, wenn sie daran dachte, wie sich an diesem strahlendschönen Tag wie ein Blitz aus heiterem Himmel dieser große schwarze Vogel blitzschnell auf Linde gestürzt und an deren Haar gezerrt hatte. So schnell wie er gekommen war, war er auch wieder verschwunden, sodass niemand hatte feststellen können, ob es ein Rabe oder eine Krähe gewesen war.

      Merkwürdig, dass sie gerade jetzt daran denken musste. Hoffentlich gab es bei Yvonnes Hochzeit mit Markus keine unliebsamen Zwischenfälle, die auf drohendes Unheil

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