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bleiben, das hatten sie sich beide verdient.

      Und ihr eigenes Glück?

      Sie griff zum Telefonhörer, um Marcel anzurufen.

      Darüber wollte sie jetzt nicht nachdenken. Aber wenn, dann hatte auch sie ungetrübtes Glück verdient, wenn man sich das überhaupt verdienen konnte, schließlich hatte sie schon eine große Liebe, vielleicht die größte, weil sie die erste gewesen war, verloren.

      Nein!

      Keine Erinnerung an Thomas Sibelius mehr.

      In weichem, singendem Französisch meldete sich die Sekretärin des Chateaus, und Bettina ließ sich mit Marcel Clermont verbinden.

      Sie saß zum Arbeiten in ihrem Büro, nicht um zu träumen, weder von eigenem, noch von fremdem Glück.

      Die unliebsame Geschichte mit Frieder musste vom Tisch, und das erforderte ihre ganze Aufmerksamkeit.

      *

      Als Bettina am späten Nachmittag das Büro verließ, hatte sie dröhnende Kopfschmerzen. Die ganze Sache mit Frieder hatte sie doch mehr mitgenommen, als sie sich eingestehen wollte.

      Aber es war doch auch so ungeheuerlich, immer wieder zu versuchen, ihr übel mitzuspielen. Bei allem, was er tat, legte er eine geradezu kriminelle Energie an den Tag, Bettina konnte sich schon gar nicht mehr an alles erinnern, womit er versucht hatte ihr zu schaden. Er hatte ihre Seegrundstücke vermessen lassen, die er, obschon sie ihr Eigentum waren, der Bank als Sicherheit hatte geben wollen, die Steuerfahndung hatte auf ihrem Hof gestanden. Schön, die Männer waren schließlich unverrichteter Dinge wieder abgezogen, weil es bei ihr keine Unrechtmäßigkeiten gegeben hatte und auch niemals geben würde. Ärgerlich war das alles aber doch gewesen.

      Nein, sie wollte das nicht weiter ausspinnen und an all das denken, was Frieder sich an Bösartigkeiten ausgedacht hatte, um sie weichzuklopfen, damit sie ihm ein Seegrundstück abtrat. Ihr Kopf brummte schon so.

      Bettina überlegte einen Augenblick, kurz bei Leni vorbeizuschauen, doch das ließ sie dann auch bleiben. Sie wollte jetzt erst mal allein sein, allen Ärger vergessen.

      In ihrem Haus angekommen, zog sie ihre Schuhe aus, stellte ihre Tasche auf einen Stuhl und wollte sich gerade in die Bibliothek zurückziehen, als das Telefon klingelte.

      »Tante Bettina, super, dass ich dich sofort an der Strippe habe«, rief Linus, Frieders Sohn. Ob der Junge unbewusst geahnt hatte, welchen Ärger sein Vater ihr wieder mal gemacht hatte? Doch der Ärger war sofort vergessen, ihr Herz klopfte vor lauter Aufregung.

      »Linus, mein Junge, das ist eine wundervolle Überraschung. Wie geht es dir?«

      »Supergut, Tante Bettina«, antwortete er.

      »Das freut mich, ich habe mir schon Sorgen gemacht, weil ich eine ganze Weile nichts von dir gehört habe.«

      »Tante Bettina, du weißt doch, dass du dir keine Sorgen machen musst. Ich bin hier gut aufgehoben und richte auch nichts an. Du weißt doch, dass ich nicht auffallen darf. Das Allerschlimmste wäre, denen wieder in die Hände zu fallen.«

      Bettina zuckte zusammen, wie jedes Mal, wenn er von seinen Eltern als von »denen« sprach.

      Yvonne und Leni hatten eine Chance, in Liebe zueinanderzufinden, doch die Brücken zwischen Linus und seinen Eltern waren abgebrochen, für immer. Dazu war in der Vergangenheit einfach zu viel geschehen. Weder seine Mutter noch sein Vater hatten sich um den sensiblen Jungen gekümmert, er war ihnen, obschon ihr einziges Kind, lästig gewesen, und sie hatten ihn in ein Internat abgeschoben. Und als er in allergrößter Not war, als er, und das war nicht mehr als ein Hilfeschrei seiner Seele, einen Müsliriegel gestohlen hatte, um auf sich aufmerksam zu machen, hatten sie sein Taschengeld gestrichen, und als er einen Suizidversuch unternommen hatte, war ihre einzige Reaktion gewesen, ihn in ein anderes, strengeres Internat zu stecken. Bettina mochte daran überhaupt nicht mehr denken. Aber Linus war es ja glücklicherweise gelungen davonzulaufen. Wo er sich aufhielt, wusste Bettina nicht, aber alles war besser, als im Internat oder bei diesen Eltern zu sein.

      Bei seiner Volljährigkeit würde er seine Tarnung aufgeben und dann auch zu ihr kommen, und darauf freute sie sich bereits sehr.

      »Linus, ich bin so glücklich, dass es dir gut geht. Wie ist es in der Schule? Lernst du immer noch so fleißig und bekommst gute Noten?«

      Er kicherte

      »Ehrlich gesagt war ich in letzter Zeit ein bisschen faul und mit anderen Dingen beschäftigt.«

      »Und womit?«

      »Um dir das zu erzählen, rufe ich jetzt ja auch an. Tante Bettina, ich habe mich verliebt, zum ersten Mal in meinem Leben. Susan ist total süß.«

      Jetzt war es Bettina, die schlucken musste. Es war schön, verliebt zu sein, doch es barg doch auch Gefahren. In der ersten Verliebtheit vertraute man sich seinen Eltern an, aber Linus war auf sich allein gestellt. Hoffentlich stellte er nichts Dummes an. Sie wusste ja nicht, wie weit er in seiner Verliebtheit ging. Er war unerfahren und …

      Er schien ihre Gedanken erraten zu haben.

      »Tante Bettina, du musst dir doch keine Sorgen machen. Susan und ich machen nichts … Wir verstehen uns unheimlich gut, wir gehen zusammen ins Kino, machen Sport, na ja, und wir knutschen auch miteinander, mehr nicht, das musst du mir glauben.«

      Bettina atmete erleichtert auf.

      »Ich glaub es dir, Linus, und ich vertraue ganz darauf, dass du weisst, was du tust.«

      »Klar, Tante Bettina … Was hörst du denn jetzt für Musik? Gibt es da was Neues?«

      Früher hatte sie ihn hier und da beeindrucken können, aber in letzter Zeit war sie auf keinem Konzert mehr gewesen, mit dem sie ihn hätte beeindrucken können.

      »Nö, Linus, da ist nichts passiert, ich habe meistens nur klassische Musik gehört, aber davon hältst du vermutlich überhaupt nichts.«

      »Das stimmt nicht, Tante Bettina, die Susan spielt nämlich Klavier. Sehr gut sogar, sie hat schon ein paar Wettbewerbe gewonnen und muss auch ziemlich viel üben. Manchmal höre ich ihr da zu. Klassische Musik ist auch ganz schön … Aber weißt du, Tante Bettina, ich muss jetzt aufhören, du weißt doch, ich habe noch immer Angst, dass der Feind mithört. Ich melde mich dann besser wieder ein andermal.«

      »Aber dann lass mich nicht wieder so lange warten, Linus, ich mache mir dann doch Sorgen, wenn ich lange nichts von dir höre. Schließlich könntest du ja auch mal krank werden.«

      »Wenn das der Fall ist, dann wirst du sofort informiert, da habe ich schon vorgesorgt. Du kannst also davon ausgehen, dass es mir gut geht, wenn du nichts von mir hörst.«

      »Das beruhigt mich wirklich sehr, Linus, dann will ich dich auch nicht länger aufhalten. Dein Anruf hat mich sehr, sehr glücklich gemacht, gerade heute. Ich hatte nämlich ziemlich viel Ärger im Büro«, sie wollte ihm nicht sagen, dass es sein Vater gewesen war, der so unverschämt gewesen war, »aber jetzt ist alles wie weggewischt.«

      »Das freut mich sehr. Ich hatte irgendwie auf einmal das Gefühl, dass ich dich anrufen muss. Vielleicht habe ich ja sogar gespürt, dass du Krempel hast und nicht gut drauf bist.«

      »Bestimmt hast du das, mein Kind, schließlich hast du ein großes Herz und eine wunderbare Seele.«

      »Du findest das gut, aber die hatten ganz schön Probleme damit, wie du weißt. Aber Schwamm darüber, das ist vergessen, und an die will ich gar nicht mehr denken. An dich denke ich oft, Tante Bettina, und ich freue mich auch schon sehr auf unser Wiedersehen.«

      »Ich mich auch, Linus, ich mich auch.«

      »Tja, jetzt muss ich wirklich Schluss machen, bis bald dann mal, Tante Bettina.«

      »Ja, bis bald, mein Junge, und grüß deine Susan unbekannterweise von mir.«

      »Werd ich, Susan wird sich freuen, ich hab ihr nämlich schon ganz viel von dir erzählt. Die findet dich auch toll.«

      Wie

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