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Insel erzählen.

      BIRNAM. Wenn es sonst nichts ist, mit Freuden, denn Zeit hab' ich sehr überflüssig.

      MURNER. Von Ihrer Staatsverfassung –

      BIRNAM. Davon grade wenig, aber desto mehr vom Schauspiel, vom Vauxhall, von unsern gefälligen Mädchen.

      MURNER. Auch das ist interessant, sehr interessant, für den Beobachter, für den Erzieher ganz besonders. Glauben Sie mir, man darf sich unter den Pädagogen meines Vaterlandes kaum mehr sehen lassen, wenn man damit nicht einigermaßen Bescheid weiß. Sie lesen keinen Bogen in unsern neueren Erziehungsschriften, wo nicht von Unzucht, Ehebruch, Wollust und dergleichen, weitläuftig gehandelt wird. Und das ist nützlich, sehr nützlich –

      BIRNAM. Und liest sich auch ganz gut. –

      MURNER. Aber erst müssen Sie mir über England Rede stehn; ich wünschte längst mir von einem Augenzeugen vieles ins reine setzen zu lassen; – vornehmlich die Fruchtbarkeit des Bodens betreffend. –

      BIRNAM. Damit kann ich nun wenig dienen. Der Boden um London ist fett, schwarz, weich, sehr zum Koth aufgelegt.

      MURNER. Schön, schön! Aber sehr fruchtbar?

      BIRNAM. Es wächst da wenig; die vielen Landstraßen in der Gegend der Hauptstadt nehmen allen Platz weg.

      MURNER. Wahrhaftig ein Nachtheil der Hauptstädte mehr. – Er schreibt. Vom Handel werden Sie mich sehr unterrichten können, neuen Fabriken, neuen Erfindungen –

      BIRNAM. So hin und wieder; – mein Vater ist selbst einmal Kaufmann gewesen.

      MURNER. Vortrefflich! O Sie sind ja eine wahre Fundgrube für mich. Ihr Name?

      BIRNAM. Birnam.

      MURNER. Birnam. Er schreibt ihn nieder. – Sie sind wahrscheinlich schon viel gereist?

      BIRNAM. Durch den größten Theil von Europa. –

      MURNER. Viel Schicksale gehabt?

      BIRNAM. Dreimal Schiffbruch gelitten.

      MURNER. O Sie sind eine wahre Merkwürdigkeit. – Das Jahr Ihrer Geburt?

      BIRNAM. 1768. – Ich glaube der Kerl reist, um sich zum Thorschreiber auszubilden.

      MURNER. 1768. Er schreibt es nieder. – Ein Vertrauen ist des andern werth; ich muß Ihnen also sagen, daß ich ein Schriftsteller aus Deutschland bin, der jetzt durch dieses Land reist, um eine vollständige Beschreibung desselben herauszugeben. Ich bin schon seit einigen Wochen hier. – Darum ist mir alles so wichtig und merkwürdig: – meine Reisebeschreibung, so kurze Zeit ich auch erst hier im Lande bin, ist doch schon einige Bände stark.

      BIRNAM. Um des Himmels willen, giebt es viele so rüstige Schriftsteller, und muß das alles gelesen werden, so dank' ich dem Himmel, daß ein Meer zwischen unsern Ländern liegt.

      MURNER. Warum denn? Warum denn das? – Aber Sie sind ein Engländer, ein Sonderling; ich kenne Sie. Sie haben aber darin wirklich recht; man sollte den größten Theil unsrer Bücher verbrennen, und die Städte von den Bibliotheken säubern, – aber nur nicht die Reisebeschreibungen und andere nutzbare Werke, die eigentlich praktischen Bücher. Unter diese wird meine Reisebeschreibung gewiß gehören. Sehn Sie nur, wie voll alles von Notaten ist. Er zeigt ihm die Schreibtafel. An jedem Abend schreib' ich sogleich nieder, was ich am Tage gesehn habe. – Hier stehn Sie.

      BIRNAM. Ich? Wie komme ich zu der Ehre?

      MURNER. Weil ich von Ihnen weitläuftig in meiner Reisebeschreibung sprechen werde.

      BIRNAM. Von mir?

      MURNER. O ich merke schon, daß Sie mit eine Hauptrolle darin spielen werden.

      BIRNAM. Wie in aller Welt –

      MURNER. Sie sind ein Engländer, – merkwürdig; Sie sind gereist, – noch merkwürdiger; Sie haben Schiffbruch gelitten, – eine Art von Robinson: wären Sie noch gar vielleicht auf eine wüste Insel gekommen, so bliebe nichts mehr zu wünschen übrig. – Sind Sie vielleicht?

      BIRNAM. Nie, bei meiner Ehre.

      MURNER. Schade, Schade. – Aber gereist sind Sie doch: Sie werden mir wahrscheinlich auch Nachrichten von andern Ländern geben können: o es ist möglich, daß Sie einen ganzen Band füllen.

      BIRNAM. Ja, wenn Sie mich für so gelehrt halten, so irren Sie wahrhaftig: und überdies, Er sieht sich um – mir war's als hätt' ich sie jetzt da unten gehn sehn; – ich komme eigentlich hieher, ein hübsches Mädchen zu sehn, und soll nun Unterricht in der Länderkunde geben.

      MURNER. Desto besser, gelehrt sind Sie nicht, sagten Sie, desto besser. – Gelehrt sollen Sie auch nicht sein; einen Gelehrten könnte ich gar nicht brauchen; aber interessant, interessant sind Sie. – Auf Stand und Gelehrsamkeit kommt es wahrhaftig nicht an. In Hamburg habe ich das Glück gehabt, einen Mann kennen zu lernen, – sehn Sie, es war nur ein wandernder Handwerker, – ein Schneider: aber er war interessant, und hat mir zu ganzen 300 Seiten Stoff gegeben. Er war durch ganz Deutschland und Ungarn gereist, durch Böhmen und Pohlen; er war ein paar mal Soldat gewesen, und jetzt zuletzt Bedienter beim Fürsten Kaunitz, – ein Mensch, der zu einem Schriftsteller geboren war: ich habe viel von ihm erfahren, sogar, man sollte es kaum glauben, über die geheimen Ursachen des jetzigen Krieges hat er mir manche Aufschlüsse gegeben.

      BIRNAM. Wahrhaftig? – Aber jeder Leser ist vielleicht nicht vorurtheilsfrei genug, dem Schneidergesellen in Ihrem Buche zu glauben.

      MURNER. Erlauben Sie mir, er erscheint da als ein polnischer Starost; das ist man den Schwachen schuldig. Aus Ihnen mache ich zum Beispiel einen englischen Lord, der mit geheimen Aufträgen vom Hofe incognito reist.

      BIRNAM. Das sind aber Falsa.

      MURNER. Sehr unschädliche; – und gäbe man mir auch einige Unwahrheiten Schuld, desto besser: so habe ich Gelegenheit, in einem sogenannten Anhang oder Nachtrag, meinen Recensenten zu widerlegen, zu beschimpfen, ihn, wenn es möglich ist, moralisch todtzuschlagen.

      BIRNAM. Ein so friedliebender Mann? Ei lassen Sie mich das nicht glauben.

      MURNER. Ja, ja, unsre Schriftstellernaturen sind von unsern gewöhnlichen sehr verschieden. Man ist ein ganz andrer Mensch, sobald man nur die Feder ergreift; und Sie wissen es nicht, – Herr, Sie wissen es nicht, was einem so ein boshafter Recensent für Herzeleid macht! – zu dem divertirt dergleichen das Publikum. – Glücklich ist der Schriftsteller, der mit einem von unsern hochberühmten Herrn Gelehrten in Streit geräth; das ist so gut, wie ein Kapital auf viele Jahre. Man muß den Streit nur zu würzen verstehn; zu viel Gründlichkeit macht Langeweile; das zu viele Schimpfen im Gegentheil kann auch ermüden; etwas Personalität schadet nicht, und gut angebracht –

      BIRNAM. Personalitäten? Ist das aber Recht?

      MURNER. Schriftstellerrecht. – Dann geräth der und der bekannte Mann, den man bis jetzt für vernünftig gehalten hat, in Hitze; das amüsirt. Jemand, den man sich beständig in einer gewissen kalten, philosophischen Ruhe gedacht hat, fängt an zu schimpfen wie eine Marketenderin; das überrascht: – man interessirt sich für den Zank, weil er mit Leidenschaft geführt wird, und man die Personen genauer kennen lernt, – so schreiben sich ganze Bände voll.

      BIRNAM. Aber bringt das, zum Henker, keinen üblen Ruf?

      MURNER. Thut nichts. Manche Leute würden ihren üblen Ruf nicht gegen den besten vertauschen. Das zieht an, das macht neugierig auf alles was so ein verrufener Mann schreibt: man lacht, oder man findet sich weise dabei. Leider, so ist es nun einmal. Ich meines Theils, ich habe bis itzt den allerunbescholtensten Ruf, – aber eben darum – zuckt mit den Achseln. – – Sehr heftig. Ich schwöre es Ihnen zu, in Augenblicken der Verzweiflung über den Undank meines Vaterlandes, habe ich schon oft die Feder ergriffen, um ein ganzes Glaubensbekenntniß von Spinocismus, Jakobinismus, von Flüchen und Plattitüden zu schreiben, – Confessions, gegen welche Barths und Rousseaus furchtsam geschrieben sind. –

      BIRNAM.

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