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Gottlob nicht! Einige Schriftsteller leben immer so still für sich weg: das ist auch sehr gut: zu viele politische Köpfe würden sich einander schaden.

      BIRNAM. Ich bin in der Schriftstellerwelt freilich herzlich unbekannt; aber sie ist interessanter als ich dachte. Das sind Talente, von denen ich bis jetzt noch keine Vorstellung hatte.

      MURNER. Wirklich? – Sie sind auch erst in unserm Zeitalter zu einer gewissen Vollkommenheit gediehen; eben so wie die Kunst, Reisebeschreibungen zu machen. Ehedem pflegte man sich nur das Merkwürdigste mit einer emsigen Mühsamkeit aufzuzeichnen; aber so eine trockne Gründlichkeit ist unausstehlich; – einem rechtschaffenen Reisebeschreiber muß alles merkwürdig sein. Wenn man nicht gräbt, wozu hat denn der Mensch die Hände, als zum Schreiben?

      BIRNAM. Eine sehr gute Bemerkung.

      MURNER. Sie glauben nicht, was ich Ihnen bei jedem Baum sagen will. – Bei einer Eiche zum Beispiel über die Nutzbarkeit zum Bau-, Zimmer- und Brennholz, über die Nothwendigkeit der Rinde zur Lohgerberei, und über die Mast, o über die Mast erstaunlich viel. Fahre ich vor einem Berge vorüber, so sind entweder Höhlen darin, oder er ist ein vulkanisches Produkt, oder er hat Erze, oder ehemals gehabt, oder ich vermuthe wenigstens, daß er sie haben könnte; dann wird bei der Gelegenheit ein großer Theil der Bergwerkskunde abgehandelt. So werd' ich heut' Abend, bei Gelegenheit Ihres Namens, einen kurzen Abriß von ganz England machen, eine Beschreibung seiner Produkte, und einen ziemlich weitläuftigen Auszug aus seiner Geschichte. Bei Ihren Seereisen lasse ich mich denn über die ganze Marine heraus, und so immer weiter. – Man hat natürlich treffliche Bücher zum Nachschlagen. – Begreifen Sie nun? –

      BIRNAM. O ja, ich begreife jetzt recht gut, wie man ein solches Buch schreiben kann; aber wie man es lesen kann –

      MURNER. Da irren Sie wieder. Ich muß es zur Ehre meines Vaterlandes gestehen, Reisebeschreibungen sind jetzt Modelektüre. Manche Leser haben freilich das Unglück immer zu schlafen; nun macht es aber doch wahrhaftig ihrem Verstande immer noch mehr Ehre, über eine Reisebeschreibung, als über Werthers Leiden einzuschlafen. Die Reiselektüre gehört zur Aufklärung, zu den Fortschritten des Jahrhunderts.

      BIRNAM. So?

      MURNER. Wollen Sie mich jetzt zum Hafen begleiten? Ich habe dort noch manches über den Volkscharakter einzusammeln. Ich will Ihnen unterwegs etwas von meinen Planen über die Kindererziehung mittheilen, denn das ist ganz hauptsächlich mein Fach.

      BIRNAM. Wahrhaftig, Ihre Gesellschaft ist mir sehr angenehm: Sie haben mein ganzes Herz gewonnen; wir werden Freunde werden. Aber jetzt muß ich fort. Sehn Sie das allerliebste Mädchen dort! – über den verdammten Vormund. –

      MURNER. Schön, recht schön; ich traue ihr viel Natur zu. Aber was nützt es Ihnen jetzt, sie anzusehn? Kommen Sie, kommen Sie.

       Inhaltsverzeichnis

      VORIGE. RABE. LOUISE.

      RABE. Jetzt sind wir genug spazieren gegangen, wir wollen wieder ins Haus gehn.

      LOUISE. Schon? – Es ist so schönes Wetter.

      RABE. Eben darum, weil es so schönes Wetter ist.

      BIRNAM. Daß so ein Engel einen solchen Zuchtmeister haben muß!

      MURNER. Das ist eine Erziehung nach der alten Art; aber kommen Sie nur, eben davon will ich Sie ja unterhalten.

      RABE. Es sind mir zu viel Leute auf der Promenade.

      LOUISE. Ich habe wenige gesehn.

      RABE. So? – das glaub' ich wohl; weil Sie heut schon wieder nur den Herrn von Krähfeld sahen. – Denken Sie, ich habe es nicht bemerkt, wie er Ihnen nachging? Wie Sie ihn von der Seite ansahen, als Sie thaten, als wenn Sie gegenüber etwas betrachteten? O, ich habe auch Augen. – Und der naseweise Engländer, – wahrhaftig, da steht er schon wieder!

      BIRNAM. Daß ich ihn nicht abprügeln darf, so wie ich möchte!

      MURNER. Nun, wenn Sie denn doch einmal verliebt sind, so will ich Ihnen die Art erzählen, wie ich um meine Frau warb. Da werden Sie lernen, wie sich in solchen Fällen ein Mann beträgt, der von Philosophie und Schwärmerei gleich weit entfernt ist.

      BIRNAM, ärgerlich. So wollt' ich! – Herr ich gehe mit Ihnen; aber es ist des Kerls wegen, der mir da ewig im Wege steht, – wahrlich nicht Ihrer Geschichte zu gefallen.

      MURNER. Ihre Liebe macht Sie heftig. – Kommen Sie, kommen Sie. Er geht mit Birnam ab.

      RABE. Endlich ist er fort! Es ist nicht auszustehn.

      LOUISE. Was thut er Ihnen aber? Ich kenne ihn kaum.

      RABE. Desto mehr aber den Herrn von Krähfeld? O ich kenne Sie auch. Ihr seliger Vater hat mich aber wahrhaftig nicht umsonst zu Ihrem Vormund gesetzt; und so lange ich das Amt habe, sollen Sie nicht an ihn denken.

      LOUISE. Hat er Ihnen aber zugleich das Recht gegeben, mir grausam zu begegnen?

      RABE. Ich sorge für Ihr Beste, ich bewahre Sie vor Verführung: das ist meine Pflicht. Wenn Sie heirathen wollen, warum denn nicht meinen Mündel, den jungen Herrmann? Einen hübschen Menschen mit einem ansehnlichen Vermögen, den Freund Ihres Vaters, meinen Busenfreund? Antworten Sie.

      LOUISE. Was kann ich Ihnen neues antworten? dem Himmel sei Dank, daß Herrmann jetzt auf Reisen ist. Ihre Tyrannei, seine Zudringlichkeit, macht mich unglücklich, so sehr, daß ich nichts so sehnlich wünsche, als den Tag, der mich von Ihrer Herrschaft befreien wird.

      RABE. So? so? damit Sie dann hübsch thun können, was Sie wollen? damit Sie dann keinen Aufseher mehr haben? Aber nein, Sie werden, Sie sollen ihn noch lieben; ich habe es ihm versprochen. Sie werden es einsehn, wie gut ich es mit Ihnen meine, wenn ein so schönes Vermögen beisammen bleibt: – Sie werden ihn gewiß noch heirathen.

      LOUISE. Wollen wir nicht hineingehn?

      RABE. Ah, – Wie? Was? Was seh' ich denn da? Ihre Fenster stehn ja offen? –

      LOUISE. Um frische Luft im Zimmer zu bekommen.

      RABE. So? So? – Meinen Sie? – Ah, wenn ich Sie nicht kennte! – Um ein niedliches Briefchen von dem Herrn von Krähfeld ins Zimmer zu bekommen: um zu berathschlagen, wie Sie den alten Vormund betrügen wollen, wo Sie sich einander antreffen wollen, und welche Bedeutung Ihre Winke haben sollen. – O ich kenne Sie.

      LOUISE. Herr Vormund –

      RABE. Aber ich will schon Mittel finden, ich will Sie doch überlisten: ich will eiserne Stangen vor das Fenster ziehn lassen; ich will es zumauern lassen; Sie sollen hinten auf dem Hofe wohnen, niemand zu sehn bekommen, nur auf dem Hofe spazieren gehn. – So weit wird es kommen!

      LOUISE. Aber Herr Vormund –

      RABE. Da seh' ich den Fliege kommen; er grüßt; er will zu mir. – Gehn Sie hinein; riegeln Sie die Thür zu, machen Sie die Fenster zu, ich sag' es Ihnen, – und auch die Vorhänge. Er schließt auf, LOUISE geht hinein. Sein Herr ist gewiß todt. – Ich will ihn nicht hineinnehmen; ich will lieber draussen mit ihm auf und ab gehn.

       Inhaltsverzeichnis

      RABE. FLIEGE.

      RABE. Willkommen, Fliege, ich vermuthe deine Nachricht schon.

      FLIEGE. Ich glaube nicht.

      RABE. Ist er nicht todt?

      FLIEGE. Bewahre!

      RABE. Doch nicht besser?

      FLIEGE. Seine Besserung war nie so zu fürchten als jetzt.

      RABE. O ich bin ein unglücklicher, kreuzlahmgeschlagener

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