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RABE.

      FLIEGE. Ah Herr Rabe! Erwünscht! O wenn Sie wüßten, wie glücklich Sie sind!

      RABE. Wie? Was? Worin?

      FLIEGE. Endlich ist die Stunde gekommen.

      RABE. Ist er todt?

      FLIEGE. Noch nicht: aber so gut als todt. Er kennt keinen Menschen mehr.

      RABE. Das ist schlimm; was soll ich dann anfangen?

      FLIEGE. Wie so?

      RABE. Ich hatte ihm hier eine Perl mitgebracht.

      FLIEGE. Vielleicht hat er noch so viel Gedächtniß, Sie zu erkennen; er schreit immer nach Ihnen; wenn er spricht, nichts als Ihr Name. – Ist die Perl ächt?

      RABE. Die schönste, die ich bis jetzt gesehn habe.

      V. FUCHS, rufend. Herr Rabe!

      FLIEGE. Hören Sie.

      V. FUCHS. Herr Rabe!

      FLIEGE. Er ruft Sie; gehn Sie hin, und geben Sie sie ihm. – Herr Rabe, gnädiger Herr, ist hier, und hat Ihnen eine kostbare Perl mitgebracht.

      RABE. Wie geht es, gnädiger Herr? – Sag ihm doch, daß sie zwölf Karat wiegt.

      FLIEGE. Es hilft nichts, er hat alles Gehör verloren; aber doch ist es ihm ein Trost, Sie zu sehn –

      RABE. Sag ihm, daß ich auch einen Diamant für ihn habe.

      FLIEGE. Am besten ist, Sie geben es ihm selbst in die Hand; dort ist noch der einzige Ort, wo er Verstand hat. Sehn Sie, wie er danach greift!

      RABE. Was ist das für ein trauriger Anblick!

      FLIEGE. Ach, wenn der Erbe weint, so muß er unter dem Schnupftuch lachen.

      RABE. Wie? Bin ich sein Erbe?

      FLIEGE. Ich habe es beschworen, daß ich vor seinem Tode Niemanden das Testament zeigen will: aber Herr von Krähfeld ist hier gewesen, und Geyer ist auch hier gewesen, und noch andre, die ich nicht alle herrechnen kann; alle wollten erben; aber ich nahm meinen Vortheil wahr, und rief immer Ihren Namen: Herr Rabe! Herr Rabe! nahm Papier, Feder und Tinte, und fragte ihn dann: Wen er zum Erben einsetzen wolle? Herr Rabe. Wer der Exekutor sein sollte? Herr Rabe. Wenn er bei einer Frage stillschwieg, so legte ich sein Kopfnicken, was im Grunde nur Schwachheit war, für Einwilligung aus, und so schickt' ich die andern unter lauter Flüchen nach Hause.

      RABE. O mein lieber Fliege! – Er umarmt ihn. Sieht er uns auch nicht?

      FLIEGE. Ach, wenn der gute Mann noch sehn könnte! – Er kennt keinen Menschen, keinen Bedienten mehr; seine eigne Frau und Kinder würden ihm jetzt unbekannt sein.

      RABE. Hat er denn Kinder?

      FLIEGE. Was thun Ihnen einige Bastarde, die er in der Betrunkenheit immer an Zigeuner verschenkt hat? Wissen Sie's nicht? Es ist ein Stadtmärchen. Alle seine Leute sollen seine Sprößlinge von einigen Judenmädchen sein, mich ausgenommen. Er ist im eigentlichsten Verstande ein Hausvater; aber er hat ihnen allen nichts vermacht.

      RABE. Sehr gut, sehr gut. Weißt Du aber auch gewiß, daß er uns nicht hört?

      FLIEGE. Sehn Sie doch nur das armselige Gerippe an; ich zweifle selbst oft, ob er noch lebt.

      RABE. Ich will jetzt gehn, und ihm lieber unter diesen Umständen mit der Perl nicht beschwerlich fallen.

      FLIEGE. Auch nicht mit dem Diamant. Wozu auch diese Umstände? Ist nicht alles hier das Ihrige? Bin ich denn nicht hier, Ihr treuer eifriger Diener?

      RABE. Du hast Recht, lieber Fliege. Er giebt ihm beides. Du bist mein Kamerad, mein Freund, meine Handlungskompagnie; ich stehe Dir mit allem was ich habe, zu Dienste.

      FLIEGE. Mit etwas ausgenommen.

      RABE. Und das wäre?

      FLIEGE. Ihr schönes Mündel. RABE geht fort. Ist er fort? Ich wußte, daß er nicht eher gehen würde. Er giebt dem Herrn von FUCHS die Perl und den Diamant.

      V. FUCHS. O meisterhafter Fliege, Du hast Dich selbst übertroffen! Es klopft. Wer ist da? – Ich will nun Ruhe haben; laß Musik kommen, wir wollen schmausen und trinken; ich muß mich erholen. – FLIEGE geht ab. Eine Perl, einen Diamant, eine Uhr, einen Beutel mit Dukaten, – ein sehr guter Fischzug.

      FLIEGE kömmt zurück. Die geschwätzige Madam Murner, die Frau des deutschen Gelehrten, war da, und erkundigte sich, wie Sie geschlafen hätten, und ob Sie Besuch annähmen?

      V. FUCHS. In drei Stunden, eher nicht –

      FLIEGE. Ich hab es ihr schon gesagt.

      V. FUCHS. Wenn der Wein mich fröhlich gemacht hat, dann. – Ich wundre mich über den eisernen Glauben dieses Deutschen, der sein Weib allenthalben so herumlaufen läßt.

      FLIEGE. Er weiß, daß ihr Gesicht nicht eine große Empfehlung ist, hätte sie aber Louisens Gesicht, –

      V. FUCHS. Louisens, – o ihre Lippen, ihren Wuchs, – komm hinein, beim Wein wollen wir manches darüber sprechen.

      FLIEGE. Ich habe auch schon einen Anschlag im Kopfe, den ich Ihnen vorlegen will. Herr Rabe stände mit dem Herrn von Krähfeld in gar keiner Proportion, wenn er blos so mit seiner Perl und dem Diamant durchkommen sollte. – Kommen Sie nur, und hören Sie mein Projekt. Beide gehn ab.

       Inhaltsverzeichnis

      (Ein Spaziergang in der Stadt, vorn rechts das Haus des Kaufmann RABE.)

      BIRNAM. MURNER. Mehrere SPAZIERGÄNGER.

      BIRNAM geht auf und ab, und sieht aufmerksam nach dem Hause des Kaufmanns hinauf. Was mich wundert, ist, daß mich diese ganze Liebschaft noch nicht ennüyirt, denn beim Henker! ich habe sie heut den ganzen Tag noch nicht gesehen. Am Ende ist sie auf der Promenade, und ich stehe hier wie ein Narr Schildwach vor ihrer Thür.

      MURNER geht auf und ab, betrachtet alle Gebäude und jeden Vorübergehenden sehr aufmerksam; er schreibt von Zeit zu Zeit etwas in sein Taschenbuch.

      BIRNAM. Was mag das für ein Mensch sein? – Wenn das ein Nebenbuhler ist, so geht er verdammt gründlich zu Werke. Ich glaube gar, er nimmt das Haus geometrisch auf, um recht en règle zu approchiren.

      MURNER kömmt auf Birnam zu. Um Verzeihung, wo geht man von hier nach dem Hafen?

      BIRNAM etwas mürrisch. Rechts, – wenn die Straße zu Ende ist.

      MURNER. Ich danke Ihnen. Er geht bei Seite und schreibt wieder etwas in seine Schreibtafel.

      BIRNAM. Was fehlt dem Kerl?

      MURNER. Können Sie mir auch wohl den Weg zum Kaufmann Meinhard zeigen?

      BIRNAM. Ich kenne ihn nicht, denn ich bin selbst hier fremd.

      MURNER. Das thut mir leid. Er streicht etwas in seiner Schreibtafel aus, und schreibt dann weiter.

      BIRNAM. Wie so, leid?

      MURNER. Weil meine Anmerkung nun unnütz war.

      BIRNAM. Welche Anmerkung?

      MURNER. Die ich so eben über die Einwohner dieser Stadt niedergeschrieben hatte, daß sie sehr mürrisch wären, besonders, wenn man sie nach dem Hafen fragte. – Aus welchem Lande sind Sie, wenn ich so frei sein darf? Es ist ein merkwürdiges Ohngefähr, daß zwei Reisende sich gerade hier treffen.

      BIRNAM für sich. Gerade hier, gerade hier, sagt er. – laut. Mein Herr, ich bin ein Engländer, ich reise zu meinem Vergnügen, ich bin jetzt hier aus Langeweile verliebt, und es ist manchem schon übel bekommen, der mir bei solchen Gelegenheiten ins Gehege kam.

      MURNER. Ich glaub' es Ihnen, das

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