Скачать книгу

und als er mit dem Wasser endlich wieder zurückkam, brummte er keuchend: »So, wenn du nicht stehen magst, so sollst du hängen!« Und so hing er denn das Krüglein an einen Nagel an der Wand. Da blieb es auch ruhig hängen.

      Bald legte er sich auf sein hartes Lager im dicht behaarten braunen Gewand und lauschte eine Weile dem Sausen und Brausen des Unwetters, das draußen eben losbrach. Mit Freude schlief er ein, denn wenn ihn auch in der Nacht dürsten sollte, brauchte er doch nicht aus der Hütte zu gehen, das volle Krüglein hing ja am Nagel an der Wand.

      Aber kaum war er eingeschlafen, gab es in der Klause einen Platsch und ein Gegluchz, und um ihn herum war ein Geschwemme, als schliefe er in einem Brunnentrog. Wie er aber um sich tastete, bekam er das Krüglein in die Hand. Es war also doch vom Nagel gefallen. Jetzt wurde er ernstlich zornig. Am liebsten hätte er’s zerschlagen, wenn er nicht gedacht hätte, der alte, rostige Nagel könnte schuld sein, daß das Krüglein bei dem Unwetter, das um die Hütte tobte, abfiel. Obwohl er nun in der schwülen Gewitternacht so fürchterlich zu dürsten anfing, als hätte er ein Salzbergwerk im Leibe, wagte er sich nicht in das tobende Ungewitter hinaus.

      Als aber der Morgen kam, beschaute er erst das Krüglein. Es war noch ganz so wie vorher. Dann blickte er nach dem Nagel, woran es gehangen hatte. Auch der Nagel stak noch fest in der Wand. Jetzt wurde ihm’s seltsam. Er ward unwirsch und böse auf das hinterhältige, tückische Krüglein. »Ich will einmal sehen, ob ich dich nicht zwingen kann«, sagte er. In seinem großen Verdrusse, den ihm das Krüglein machte, vergaß er das Morgengebet, ja sogar die heilige Messe vergaß er zu lesen, und ging, so geschwind es ihm sein schwacher Körper gestattete, in den Wald, um Lehm zu holen. Aus diesem knetete er dann einen festen Fuß in seiner Klause. Und als er danach das Krüglein am Bache frisch angefüllt hatte und damit nach seiner Hütte zurückkam, stellte er’s auf den Lehmfuß und preßte den weichen Lehm noch ringsum fest. Jetzt stand es endlich aufrecht und redlich da, und getroster werdend wollte er sich eben auf seine geistlichen Pflichten zurückbesinnen, da hörte er ein Schütteln und Quirlen, und wie er sich umschaute, sah er das Krüglein schon wieder wackeln. Bevor er zuzuspringen vermochte, ging der Lehmfuß auseinander, und es fiel um, das kühle Wasser über seine Hände ergießend. Jetzt wurde der Heilige wütend. Er packte das Krüglein und schmetterte es also an die Wand, daß es in hundert Scherben zerstob.

      Da wurde auf einmal seine Zelle taghell erleuchtet, und eine sanfte Stimme rief von oben: »O Teutbert, Teutbert! Du hast gemeint, die Hoffart, den Zorn und alle Laster der Welt für immer und ewig von dir abgetan zu haben, du hast gemeint, du könntest nicht mehr fallen, und hast dich in deinem Herzen für vollkommen gehalten. Und nun hast du dich schon um eines Krügleins willen, das nicht stehen kann, versündigt. O Teutbert, o Mensch, o schwacher Mensch!«

      Zerknirscht und reueschwer sank der heilige Teutbert in die Knie. Und als er nach langer Buße zu einem seligen Sterben kam, hatte er endlich das Böseste verlernt: die Hoffart, und das Beste erlernt: die Geduld.

      Im Berner Oberland gibt es eine Gegend, das Saanenland, in der es nachts gar nicht geheuer ist. Da ist’s besser, wenn man nicht über Weg sein muß und im Guckauskämmerchen im sicheren Laubbett liegen kann. Denn oft geht es draußen vor den Häusern und Stadeln fürchterlich zu mit Donnern, Dröhnen und Krachen, und es braust, heult, schellt und hörnt durchs ganze Land. Wer’s aber hört, bekreuzt sich und macht sich unter die Decke, da er wohl weiß, daß das Friesenvolk über Weg ist.

      Nämlich in alten Zeiten war vom Meer her ein Friesenvolk, das Hungersnot und Überschwemmungen aus der Heimat vertrieben hatten, in die schönen Täler des Saanenlandes eingezogen. Und da ihm diese grüne Bergwelt gar wohl gefiel, machte es sich darin heimisch. Die grünen Weiden wurden bebaut und die wilden Tiere in die Bergwälder zurückgetrieben.

      Aber ihre alte Heimat konnten die Friesen doch nie vergessen bis auf den heutigen Tag. Darum steigt dies tote Volk oft in gewissen Nächten, besonders um die Wintersonnenwende, aus seinen Gräbern, schart sich zusammen und kehrt genau auf dem gleichen Wege, auf dem es einst ins Bernerland gezogen war, heim zu den fernen Ufern der grauen Nordsee. Und in der gleichen Nacht kehrt es auch wieder zurück, sobald es das Rauschen und Branden des Meeres vernommen hat, zurück in seine Grabhügel im bernischen Saanenlande.

      Wehe aber jenen, die dem toten Friesenvolk seinen gewohnten Weg, von dem es keinen Finger breit abweicht, verlegen wollten! Häuser und Mauern zerfetzen die erzürnten Geister dann wie Garnknäuel und wischen alles aus ihrem Weg, als führen Lawinen vor ihnen her.

      Vor vielen, vielen Jahren wurde einstmals dennoch auf einer Alp ein Viehstall aus Unbedachtsamkeit mitten auf den Friesenweg gebaut.

      Glücklicherweise waren aber durch Zufall seine beiden Türen gerade da angebracht worden, wo der Friesenweg ein- und ausmündete, also daß der unheimliche Geisterweg mitten durch den Stall gehen konnte. Daher ließ der Senn vorsichtig alleweil, sobald das Vieh nach dem Melken wieder in die Nacht hinausgelassen worden war, die Türen sperrangelweit offen. Sooft dann der Friesenzug durch den Stall brauste, wurde er doch nie verheert, noch geschah einem der mit Grausen auf dem Heulager liegenden Älpler etwas.

      Eines Tages gedachte der Senn seine Lieben im Tale wieder einmal aufzusuchen, da er sie fast den ganzen Sommer über nicht mehr gesehen hatte. Er nahm also die Traggabel auf den Rücken und legte einen Buttersack darauf. Bevor er aber ging, rief er den Meisterknecht beiseite und empfahl ihm dringend, er möchte doch ja nie unterlassen, die Türen des Stalles während der Nacht sperroffen zu lassen, damit das tote Friesenvolk seinen Weg ungehindert durch den Stall nehmen könne, wenn es etwa umgehen sollte.

      Als aber der Senn davongegangen und zu Tal gestiegen war, teilte der Meisterknecht den anderen Knechten die Warnung des Sennen mit, und da hatten sie zusammen ein großes Gelächter und verspotteten die Einfalt ihres Herrn. Sie trieben es so weit, daß sie übereinkamen, den Friesenweg zu versperren und daher die beiden Stalltüren zu schließen. Gedacht, getan. Sie verriegelten beide Türen fest und legten sich danach lachend auf ihr Wildheulager. – Draußen aber begann es zu winden, erst nur schwach und dann immer stärker, doch sie beachteten es nicht und schliefen ein.

      Sie mochten noch nicht lange geschlafen haben, als sie auf einmal ein seltsames Murren wie fernes Donnern aufweckte. Erst glaubten sie an ein heraufziehendes Gewitter, aber durch die Spalten des Gadens schimmerten die Sterne. Und jetzt ward das Murren und Knurren stärker und ward daraus ein unheimliches Rauschen und Rollen. Und nun war es ihnen, als vernähmen sie das Getute mächtiger Hörner, Pferdegewieher und Hundegebell und dröhnendes Waffenklirren.

      Zu Tode erschrocken kauerten die Knechte auf ihren Heu­lagern. Aber keiner wagte es, den versperrten Weg freizumachen und die Türe zu öffnen.

      Da gab es einen fürchterlichen Krach. Das ganze Stalldach samt den zentnerschweren Dachsteinen wurde emporgehoben, also daß die entsetzten Knechte eine Weile den Sternenhimmel über sich sahen. Doch legte sich das schwere Dach langsam wieder auf den Stall zurück.

      Jetzt merkte der Meisterknecht mit Schrecken, daß es ihnen allen bös ergehen möchte, wenn die Türe nicht aufgetan würde. Und da er wohl wußte, daß sein Übermut und sein Ungehorsam die Hauptschuld an dem wilden Toben des Totenvolkes hatten, rief er hinunter in den düsteren Stall: »In Gottesnamen tu’ ich auf!«

      Zitternd machte er sich vom Wildheu in den Stall hinab und tat dort die beiden Türen auf, so weit er nur konnte. Dann stellte er sich bebend, halbtot vor Angst, neben den Türeingang.

      Kaum war der Durchgang offen, so gingen seltsame Männergestalten an ihm vorüber, die ihn alle um Haupteslänge überragten, und wünschten ihm freundlich

Скачать книгу