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Schweizer Sagen und Heldengeschichten. Meinrad Lienert
Читать онлайн.Название Schweizer Sagen und Heldengeschichten
Год выпуска 0
isbn 9783843801294
Автор произведения Meinrad Lienert
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Wie erschrak die unfreundliche Bäckerin, als sie vom Diener vernahm, wem sie am Morgen solches Leid angetan hatte. Sie eilte ins Lager, warf sich vor dem König in die Knie und bat ihn flehentlich um Verzeihung. Er aber sagte: »Ich will dir verzeihen, doch mußt du nochmals alles so sagen, wie du’s mir am Morgen gesagt hast.« Wohl oder übel mußte sie’s tun, und wo sie ein Wort vergessen hatte, half ihr der König getreulich nach. Da kamen die fürstlichen Herren, die um den Tisch saßen, nicht aus dem Lachen heraus. Das Volk aber, als es das hörte, liebte den König erst recht um seiner großen Güte und Bescheidenheit willen.
Der Bundesschwur im Rütli
Seit unvordenklichen Zeiten lebten die Leute der drei Waldstätten Uri, Schwyz und Unterwalden in Ruhe und Frieden um ihren vielarmigen Bergsee. Kein wildes Kriegsgeschrei ängstigte das Land. Von morgens früh bis abends spät klang durchs Land das Herdengeläute, und durch die Flühe schallte das Jauchzen der Talleute. Am Abend aber wurde durch die Volle von hoher Alp ins tiefe Tal der Alpsegen gerufen. Und wenn der Alpenwind, der Föhn, brausend von den Bergen zu Tal stieg und um die stillen Tätschhäuschen tobte, gingen die tröstlichen Klänge der Kirchenglocken durchs Land. Nur selten kam jemand an die Fähre zu Brunnen, um über den wilden grünen Urnersee, in dem sich der ewige Schnee des Urirotstocks spiegelt, hinaufzufahren und nach Rom zu pilgern.
Als aber Albrecht, der Herzog in Österreich, deutscher König wurde, war es mit dem Frieden der drei Länder auf einmal aus. Bisher hatten die Kaiser des Deutschen Reiches das Alpenland in den Bergen in Frieden gelassen und hatten sich damit begnügt, die schuldige Reichsabgabe von den drei Ländern entgegenzunehmen. Und die Waldleute befanden sich wohl dabei und segneten Kaiser und Reich.
König Albrecht aber hatte heimlich im Sinn, das wohlgedeihende Land mit den schönen Bergseen seinem Herzogtum Österreich für immer einzuverleiben und das Hirtenvolk zu seinen Untertanen zu machen. Und wie nun die drei Länder das merkten und von ihm als dem deutschen Kaiser und König die Bestätigung ihrer alten Freiheiten verlangten, da schickte er ihre Boten heim, und eines Tages kamen seine Reichsvögte ins Land, um dort zu wohnen und die Länder durch Bedrückung aller Art nach und nach für Österreichs Herrschaft kirre zu machen.
Der gewalttätigste und mächtigste war der Landvogt Geßler, der über Uri und Schwyz regierte. Obwohl er eine feste Burg zu Küßnacht hatte, fing er doch noch eine starke Feste im Lande Uri am Steg zu bauen an, die er höhnisch Zwing-Uri nannte. Ein anderer Landvogt, Beringer von Landenberg, saß auf seiner Burg zu Sarnen ob dem stillen See und Dorf und herrschte über Unterwalden. Auf der Burg Rotzberg nid dem Kernwald hielt er noch einen frechen Edelknecht, den Wolfenschießen. Auch auf der kleinen Felseninsel im Lowerzersee unter der finstern Rigihochfluh wohnte ein Untervogt.
Diese Landvögte nun trieben es immer frecher. Sie plagten die Leute mit Zehntenabgaben und Frondiensten und machten ihnen auf jede Art das Leben schwer. Da verstummten die Jauchzer auf den Alpen, und der Alpsegen klang wie eine Klage durch die Bergwelt. Und wie’s auch die Vögte trieben, die Landleute konnten nirgends Recht bekommen, denn ihr Schirmherr, König Albrecht, hatte ja die Vögte selbst ins Land gesetzt.
Eines Tages wollte der Landvogt Landenberg einem Bauern namens Heinrich an der Halden im Melchtal, dessen Sohn er wegen einer Kleinigkeit gestraft hatte, das schönste Paar Ochsen wegnehmen lassen. Da ergrimmte sein Sohn Arnold, schlug einem Schloßknecht einen Finger von der Hand weg und floh. Racheschnaubend forderte der Landvogt den Sohn vom alten Vater. Doch der wußte nicht, wo sich sein Sohn hingeflüchtet hatte. Da schrie der Vogt: »Ist mir der Sohn entgangen, nehm’ ich den Alten!« Und alsobald ließ er dem alten Mann die Augen ausstechen, also daß das ganze Unterwaldnerland aufjammerte vor Entsetzen und vor verhaltener Wut.
Der Landvogt auf der Insel Schwanau aber war nicht besser. Er ließ eine Jungfrau von Arth in der schönen Bucht am Zugersee, namens Gemma, abfangen, in die er sich verliebt hatte, die aber von ihm, weil er ein Bösewicht war, nichts wissen wollte. Die sperrte er nun in einen finsteren Turm ein und schwor, sie erst herauszulassen, wenn sie ihn liebhaben wolle. Aber sie wollte immer noch nichts von ihm wissen. Da entzog er ihr alle Speise und allen Trank, also daß sie hätte verhungern müssen. Aber sie hatte in Arth einen Liebsten. Der fuhr eines Abends, als der Mond zwischen den beiden Mythen stand, heimlich an die Insel heran. Als er nun unter dem Turm in seinem Fischerkahn stand, warf er so lange mit Seerosen, die rings um die Insel wuchsen, nach dem Fensterlädlein der Jungfrau, bis sie heraussah und merkte, wer ihrer wartete. Aber wie sollte sie vom Turm herunterkommen? Doch weil sie gut schwimmen konnte, empfahl sie ihre Seele Gott und sprang zum Fenster hinaus in den See hinunter. Sie wäre auch glücklich davongekommen, hätten sie nicht die Schlingen der Seerosen unter Wasser gehalten. Als ihr Geliebter ihr nun beisprang und sie herauszog, war sie schon tot. Da bettete er sie weinend in seinen Kahn und fuhr mit ihr leise, wie er gekommen, davon. Zu Arth aber stellte er sie vor der Kirche aus, denn es war eben Sonntagmorgen, als er mit der toten Braut heimkam. Da ergrimmten die Leute und schwuren in ihrem Herzen dem Vogt auf Schwanau blutige Rache.
Am schlimmsten jedoch trieb es der Landvogt Geßler auf seiner Burg zu Küßnacht. Er sagte, er wolle die Bauern so windelweich machen, daß man sie um den kleinen Finger winden könne. Man solle nur warten, bis er die Burg Zwing-Uri fertig erbaut habe. Er brandschatzte die Leute, wie er konnte, und in Uri mußten sie ihm die Steine selbst zur neuen Burg ziehen. Er wurde so frech, daß er am Feste des heiligen Jakob zu Altdorf im Lande Uri auf offenem Platze eine Stange aufrichten ließ mit einem Hute darauf und befahl, wer immer vorübergehe, habe sich bei schwerster Strafe vor dem Hute zu beugen wie vor des Kaisers Majestät. Das erfüllte das Hirtenvolk mit tiefem Ingrimm.
Damals wohnte zu Steinen am kleinen See von Lowerz [Lauerz] der Landammann des Tales von Schwyz, namens Werner Stauffacher. Dieser hatte an den Weg ein stattliches Holzhaus erbauen lassen. Als er nun eines Abends mit seiner Frau Margret vor dem Hause auf einer Bank saß, ritt der Landvogt Geßler mit seinen Leuten vorbei. Wie der das ansehnliche Holzhaus sah, hielt er an und fragte: »Wem gehört dies schöne Haus?« Werner Stauffacher, der wohl wußte, wie ihm der Landvogt als dem Landammann von Schwyz übelwollte, antwortete vorsichtig: »Herr, es ist des Kaisers Haus und Euer und mein Lehn.« Aber der Landvogt runzelte die Stirn und sagte barsch: »Ich bin an meines Herrn Albrecht Statt Regent im Lande und will nicht, daß die Bauern Häuser bauen ohne meine Bewilligung. Ich werde fürderhin nicht mehr dulden, daß ihr also frei lebt, als wäret ihr eure eigenen Herren. Ich werde euch’s künftig zu verwehren wissen!« Damit ritt er hochmütig weiter.
Da saß nun der Stauffacher und grämte sich bitter. Aber seine Frau, eine aufrechte Schwyzerin, legte ihm die Hand auf die Schulter und begann ihm zuzureden, er und die starken Männer des Tales sollten doch diese Tyrannei nicht länger ertragen. Sie sollten sich zusammentun in allen Ländern um den See. Es gebe ja überall soviel zu klagen. Und dann sollten sie beraten, wie sie sich vom Joche der frechen Vögte befreien könnten.
Werner Stauffacher nahm sich die Worte seines wackeren Weibes zu Herzen, und eines Morgens, in aller Frühe, fuhr er in einem schweren Nauen über den Urnersee. Bald saß er zu Altdorf unter dem Bannwald im Hause des Urner Landammanns Walter Fürst. Diesem klagte er seines Landes Elend und Bedrückung und offenbarte ihm, daß er nicht länger gewillt sei, des Landes Schmach mit anzusehen. Walter Fürst war von dem Besuche freudig überrascht. Er stimmte ihm in allem bei, da auch das Land Uri unter diesen fremden Schelmen leide, die des Kaisers Schirmrechte in Herrscherrechte verwandelten und sie bald zu Leibeigenen erniedrigten. Und da zeigte es sich, daß eben auch Arnold von Melchtal in Walter Fürsts Hause verborgen war, dessen Vater der Landvogt Landenberg die Augen hatte ausstechen lassen. Er wurde herbeigerufen, und er beteuerte hoch und heilig, daß auch das Land Unterwalden schon längst zum Aufstande gegen die Bedrücker bereit sei.
Nun gelobten sich die drei Männer feierlich in die Hand, alles daranzusetzen, um die Zwingherrschaft der Vögte zu stürzen und dem schwerbedrückten Land die alte gute Freiheit zurückzuerkämpfen. Also machten sie aus, daß nun ein jeder von ihnen, ihrem alten Bundesbrief vom Jahre 1291 getreu, der zu Schwyz heute noch zu sehen ist, in seinem Lande nach vertrauenswerten Talgenossen sich umschauen solle. Danach solle er mit ihnen