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Es solle aber sonst die Abrede geheimgehalten werden. Und sie setzten die Nacht fest, in der sie zusammenkommen wollten.

      In einer kühlen Bergnacht, am sechsten Tage des Wintermonats nach Martini, da stieg von Seelisberg herab eine Schar Hirten auf die stille, vom Bergsee umwellte Wiese. Es war Arnold von Melchtal mit zehn Talgenossen aus Unterwalden, darunter der Keller von Sarnen und der Winkelried von Stans. »Hier ist das Rütli«, sagte einer aus der Schar, »wir Unterwaldner sind die ersten auf dem Platze.«

      Sie machten ein kleines Feuer an, um das sie sich herumsetzten, der Freunde aus den Ländern Uri und Schwyz gewärtig. Der Mond stand hoch ob den Schneebergen, und sein heller Schein baute einen goldenen Steg über den See. Auf einmal sprang ein Unterwaldner auf und zeigte auf die stillen Wasser hinab, in deren goldenen Schein eben ein schwerer Nauen stach. »Die Schwyzer kommen!« sagte er. Und jetzt tauchte das Schiff vollends auf und näherte sich rasch dem grünen, felsenumzirkten Gelände. Da stieg als erster Werner Stauffacher, der Landammann von Schwyz, ans Ufer, und ihm folgten zehn Talmänner, von denen die Altlandammänner Konrad ob Yberg und Konrad Hunn in gar hohem Ansehen standen. Herzlich begrüßten sie einander am stillen Weidfeuer. Und nun erzählten sich die Hirten von der Länder Not und der Vögte Übermut.

      Auf einmal zeigten sich im Gefelse ob der stillen Waldwiese wandelnde Lichtlein, und bald danach stieg Walter Fürst von Uri auf die Waldwiese herunter. Mit ihm kamen zehn Talgenossen, deren angesehenste Werner von Attinghausen und der Meier von Silenen waren. Auch der gehörnte Träger des großen Heerhorns von Uri, des Uristiers, erschien mit ihnen.

      Mit Freuden wurden sie von den Männern von Schwyz und Unterwalden aufgenommen. Es war schon spät in der Nacht, als sie sich ob den drei Quellen, die auf der Wiese entspringen, zusammentaten und gemeinsam ratschlagten, wie sie ihre Länder von dem Joche der Landvögte befreien könnten. Und als sie nun einig waren in allem, erhoben sich die Talleute der drei Länder von Uri, Schwyz und Unterwalden die Hände und schwuren den ewigen Bund. Und sie schwuren bei Gott und allen Heiligen, was unser liebster deutscher Dichter nachmals so schön in Verse gebracht hat:

      »Wir wollen sein ein einzig Volk von Brüdern,

      in keiner Not uns trennen und Gefahr!

      Wir wollen frei sein, wie die Väter waren,

      eher den Tod, als in der Knechtschaft leben.

      Wir wollen trauen auf den höchsten Gott

      und uns nicht fürchten vor der Macht der

      Menschen.«

      Den Aufstand gegen die Landvögte aber hatten sie in offener Abstimmung wie an der Landsgemeinde bis zum kommenden Neujahrstag verschoben.

      Jetzt fing es an zu tagen. Um die Bergfesten glühte das Morgenrot, und auch die Firnen begannen sich allmählich zu röten, und langsam dämmerte es über dem stillen Bergsee.

      Da erhob der Landammann, der mitten im Kreise der Eidgenossen stand, das Schwert und zeigte nach den roten Bergen. »Es ist hohe Zeit, daß wir heimkehren!« sagte er kurz.

      Bald raschelte und knackte es im Wald, und von den schmalen Felsenpfaden rollten die Steine in die Tiefe. Die Urner und Unterwaldner stiegen wieder über die Berge in ihre Länder zurück. Auf dem See aber, der nun leuchtete wie ein Fensterscheiblein im Sonnenaufgang, trieb der schwere Nauen der Schwyzer hurtig am Mythenstein vorbei gegen das noch stille Gestade von Brunnen. Im Schiffe aber stand Werner Stauffacher, auf sein breites Schwert gestützt, und sah mit dräuenden Augen nach den beiden Hakenbergen ob Schwyz, ob denen der Morgenstern leuchtete.

      Es war an einem Sonntag nach St. Othmar. Da kam von Bürglen her, einem Dörflein am Eingang des wilden Schächentales, mit festem Berglerschritt ein Mann gen Altdorf hinuntergegangen. An der Hand führte er seinen jüngeren Knaben Walter. Auf der Schulter trug er seine schwere Armbrust. Das war Wilhelm Tell, der beste Gemsjäger im Lande Uri. Er wollte zu Besuch gehen bei seinem Schwiegervater Walter Fürst in Altdorf.

      Als er nun mit seinem Söhnchen vom Zeitglockenturm her über den Hauptplatz lief, machte ihn sein Knabe auf eine lange Stange aufmerksam, die mitten auf dem Platze stand und die zwei Waffenknechte des Landvogts Geßler bewachten. Auf der Stange aber hing ein Hut mit einer Pfauenfeder. Viele alte Weiber und Kinder, aber oft auch ein Mann, gingen am Hute vorbei und knicksten höhnisch oder neigten ihr Haupt, rauchend vor Scham. Doch der Tell schien das alles nicht zu bemerken und wollte aufrechten Hauptes und festen Ganges mit seinem Büblein am Hut auf der Stange vorbeischreiten.

      Da sprangen die beiden Wächter vor, streckten ihre Lanzen aus und ließen den Schützen nicht weiter. Und als er in ihre vorgehaltenen Spieße griff und unwillig fragte, warum sie ihn nicht seines Weges gehen ließen, antworteten sie, er habe dem Hut nicht die schuldige Reverenz erwiesen und müsse nun mit ihnen zum Landvogt kommen, um als ein Verräter an der kaiserlichen Majestät seine Strafe zu gewärtigen. Der Hut sei vom Landvogt an die Stange gehängt worden, um den Sinn und Geist des Volkes zu prüfen, und er hätte sich vor ihm verneigen sollen wie vor dem Kaiser selbst.

      Aber der Tell drückte ihre Spieße zur Seite und sagte, er beuge sich vor niemand als vor Gott und lasse sich von ihren zwei Eisenstangen nicht aufhalten. Die Knechte rangen mit ihm, und sein Knabe rief um Hilfe, also daß die Leute von Altdorf von allen Seiten herbeieilten, unter ihnen auch Walter Fürst, der Großvater des kleinen Walter.

      Eben wollte Tell den zwei Waffenknechten die Spieße entreißen, da ließ sich Pferdegetrappel vernehmen, das rasch die Dorfgasse heraufkam. Und auf einmal ritt Geßler, der Landvogt, heran mit seinem bewaffneten Troß und Gefolge. Als er nun bei dem aufgesteckten Hute stand, fragte er die Knechte, was sie mit diesem Manne hätten. Da schrie einer der Wächter: »Herr, er hat vor dem Hute das Haupt nicht geneigt!«

      Jetzt blickte der Landvogt Geßler mit unheilverkündenden, finsteren Augen auf den Schützen Tell. Er kannte ihn gar wohl und haßte ihn, weil er nicht lange vorher einem Unterwaldner Bauer, der den frevelhaften Untervogt der Burg Rotzberg erschlagen hatte, über den sturmgepeitschten See half und ihn so vor seinen Verfolgern errettete.

      »Warum hast du dem Hut nicht Respekt bezeigt?« fragte er jetzt barsch den Schützen. Nun versuchte sich Wilhelm Tell zu entschuldigen und sagte: »Vergebt mir, Herr! Es geschah aus Unverstand, denn wäre ich klug, so hieße ich nicht der Tell.« Doch der Landvogt hatte Böses vor. Er dürstete danach, diesen aufrechten Mann, den er heimlich fürchtete, zu verderben. Und also fragte er ihn: »Tell, hast du Kinder?« – »Ja, zwei, Herr«, antwortete der Schütze. – »Welches ist dir das liebste?« fragte Geßler weiter. »Es sind mir beide gleich lieb, Herr«, sagte Tell, der Unheil zu merken begann. Da erblickte der Landvogt neben dem Schützen den kleinen Walter. Und jetzt sagte er, voll Bosheit lächelnd: »Tell, ich weiß, daß du ein berühmter Schütze bist. Du triffst ja die Gemse im Sprung, den Vogel im Flug. Wohlan, ich will dir nun ein Ziel geben, wo du deine ganze Schützenkunst zeigen kannst. Habe acht, daß du’s nicht verfehlst. Du sollst einen Apfel vom Haupte deines Kindes schießen. Verfehle ihn ja nicht, sonst ist dein Leben verwirkt.«

      Da schrie alles Volk auf. Die Frauen rangen jammernd die Hände, und die Männer ergrimmten. Auch der Schütze Tell erbleichte und sagte: »Herr, es kann nicht Euer Ernst sein, solch Unmenschliches von mir zu verlangen. Wie sollte ich von meines Kindes Haupt einen Apfel schießen können? Erlaßt mir den Schuß, Herr, lieber will ich gleich sterben.« Und er riß sein Wams auf und bot die Brust den Waffenknechten hin, daß sie ihn erstechen möchten.

      Doch der harte Landvogt Geßler sprach: »Entweder tust du den Schuß, oder du und dein Kind, ihr beide müßt zusammen sterben.«

      Als sich Wilhelm Tell nun nach seinem Büblein umschaute, sah er, daß es die rohen Waffenknechte schon an einen Baum gebunden hatten. Auf seinem flachshaarigen Scheitel aber lag ein Apfel. »Schieß nur, Vater«, rief der kleine Walter, »ich fürchte mich nicht!«

      Da sank der bäumige Gemsjäger in die Knie vor Jammer und blickte mit stummem Entsetzen zum Landvogt auf. Doch der schaute

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