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Es konnte nicht sein, und es durfte nicht sein! Aber je mehr Zeit verging, desto deutlicher fühlte sie die Veränderung, die in ihr vorgegangen war.

      Das Ausbleiben ihrer Tage hätte sich vielleicht auch auf andere Weise entschuldigen lassen, aber die morgendliche Übelkeit und das Spannen ihrer Brüste zeigten nur allzu deutlich, daß in ihr ein neues Leben wuchs.

      »Diese verdammte Camargue«, knurrte Rabea.

      Ja, sie wußte es genau, wann es passiert war. Niemals war sie mit der Pille nachlässig gewesen, nur in dieser einen Woche, die sie mit Gerrit in der Camargue verbracht hatte.

      Plötzlich hielt sie die Ungewißheit nicht mehr länger aus. Rasch schlüpfte sie in ihren Blazer und lief in die nächste Apotheke, um sich einen Schwangerschaftstest zu besorgen.

      Am nächsten Morgen hatte sie dann Gewißheit. Der Test war positiv ausgefallen. Sie war tatsächlich schwanger. Völlig niedergeschlagen vergrub Rabea das Gesicht in den Händen.

      »Was soll ich denn jetzt nur tun?« murmelte sie verzweifelt.

      Im ersten Augenblick dachte sie an Abtreibung, doch dann fiel ihr ihre Schwester ein, die als junges Mädchen diesen Schritt gewagt und ewig bereut hatte. Inzwischen war sie verheiratet und Mutter von drei Kindern, aber dem Baby, das sie hatte abtreiben lassen, trauerte sie noch heute nach.

      Doch was sollte sie sonst tun? Sie hatte keine Lust, wegen eines Babys, das gar nicht geplant gewesen war, ihr Studium aufzugeben. Und mit Gerrits Hilfe konnte sie sowieso nicht rechnen. Sie wußte nicht einmal, ob sie ihm überhaupt sagen sollte, daß sie schwanger war. Schließlich hatte sie ihm an dem Tag, an dem er Schluß gemacht hatte, deutlich zu verstehen gegeben, daß sie ihn liebte. Das war mittlerweile fast vier Wochen her, und in der Zwischenzeit hatten sich ihre Gefühle ein wenig geändert. Noch immer dachte sie an die glückliche Zeit zurück, die sie mit Gerrit erlebt hatte, aber ihr Herz schmerzte nicht mehr bei dem Gedanken an ihn.

      Es war genauso, wie Gerrit von Anfang an gesagt hatte – ihnen beiden war die Karriere wichtiger als die Liebe. Doch wenn sie ihm ihre Schwangerschaft eingestehen würde, dann müßte er denken, sie habe ihn damit festnageln wollen.

      Tagelang zermarterte sie sich den Kopf und kam doch zu keinem Entschluß. Auch jetzt wieder grübelte sie über eine Lösung ihres Problems nach und zwang sich dabei, ein paar Bissen ihres Mittagessens hinunterzuwürgen. Mittlerweile beschränkte sich die Übelkeit nicht mehr allein auf die Morgenstunden, sondern hielt meistens bis zum frühen Nachmittag an,

      »Darf ich mich zu dir setzen?«

      Stefan Daniels Stimme riß Rabea aus ihren Gedanken. Sie zwang sich zu einem Lächeln.

      »Natürlich, Stefan.«

      Prüfend sah er sie an. »Du gefällst mir überhaupt nicht, Rabea.«

      »Danke für das Kompliment«, meinte sie. »Vor ein paar Wochen hast du noch etwas ganz anderes gesagt.«

      »Du weißt genau, was ich meine«, entgegnete er. »Ich bin zwar noch kein Arzt, aber sogar ich kann sehen, daß du krank bist. Seit Wochen bist du blaß, und mir scheint, daß du abgenommen hast. Das ist ja auch kein Wunder, denn ich beobachte dich schon eine Weile und sehe, daß du dein Mittagessen fast vollständig zurückgehen läßt. Also, was ist mit dir los?«

      Rabea seufzte. »Ich fürchte, du wirst mal ein ähnlich guter Diagnostiker wie dein Vater.«

      Stefan errötete ein wenig über dieses Lob, dann zwang er seine Gedanken wieder auf das Gespräch zurück, das er mit ihr begonnen hatte.

      »Das ist keine Antwort auf meine Frage«, erklärte er.

      »Ich bin schwanger.« Fast provozierend sah Rabea ihn an. »Ist das eine Antwort auf deine Frage?«

      Stefan erschrak sichtlich. »Du bist… schwanger? Von Dr. Scheibler?«

      »Natürlich von Gerrit«, antwortete Rabea heftiger, als sie gewollt hatte. »Oder glaubst du vielleicht, ich habe ständig wechselnde Männerbekanntschaften?«

      »Nein, natürlich nicht«, verwahrte sich Stefan sofort, dann schwieg er einen Moment, bevor er fragte: »Bist du ganz sicher? Ich meine, warst du schon beim Arzt?«

      Rabea schüttelte den Kopf. »Nein, wozu auch? Meine Tage sind ausgeblieben, mir ist von morgens bis zum frühen Nachmittag übel, und meine Brüste spannen. Wie würdest du diese Anzeichen deuten? Außerdem habe ich einen Schwangerschaftstest gemacht. Er war eindeutig positiv.«

      »Trotzdem solltest du zu einem Arzt gehen«, riet Stefan, dann dachte er wieder kurz nach. »Weiß Dr. Scheibler es schon?«

      Rabea schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, ob ich es ihm sagen soll. Schließlich…«

      »Er hat ein Recht, es zu erfahren«, fiel Stefan ihr ins Wort. »Außerdem läßt sich eine Schwangerschaft nur bis zu einem gewissen Zeitpunkt geheimhalten, und es könnte ja immerhin sein, daß ihr euch irgendwann wieder begegnet, auch wenn offiziell zwischen euch Schluß ist.«

      Rabea seufzte. »Ich weiß, aber… wenn ich Gerrit von meiner Schwangerschaft erzähle, dann muß er doch denken, daß ich ihn mit dem Baby festnageln will.«

      »Unsinn«, wehrte Stefan ab. »Du hast selbst gesagt, daß eure Beziehung von Anfang an nur auf Zeit bestand. Außerdem weiß sogar ich, daß du nur für deine Karriere als Ärztin lebst, und dein Gerrit müßte das am allerbesten wissen. Wie sollte er also auf den Gedanken kommen, daß du ihn mit einem Baby festnageln willst? Schließlich kannst du eine Schwangerschaft zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt nicht brauchen. Wir stehen unmittelbar vor dem Examen, und ich nehme nicht an, daß du das freiwillig aufs Spiel setzen würdest.«

      Stefans Argumente waren einleuchtend, doch Rabea mußte an ihren Abschied von Gerrit denken, und von dieser Warte sah alles ein wenig anders aus.

      »Ich liebte Gerrit«, gestand sie leise. »Ich liebte ihn auch noch, als er Schluß machte. Und während unseres Urlaubs in der Camargue… wenn er mich da gefragt hätte, ob ich seine Frau werden will… ich hätte ja gesagt.«

      Die Worte trafen Stefan bis ins Innerste. Während der vergangenen Wochen hatte er es fast geschafft, sich damit abzufinden, daß Rabea eben keine feste Beziehung eingehen wollte. Doch nach ihren jetzigen Worten mußte er davon ausgehen, daß sie nur ihn nicht wollte.

      »Und… jetzt?« zwang er sich zu fragen. »Liebst du ihn immer noch?«

      Rabea atmete tief durch. »Wenn ich das so genau wüßte, Stefan. Ich denke gern an die Zeit zurück, die ich mit ihm verbracht habe… ja, vielleicht liebe ich ihn auch noch, aber im Grunde möchte ich nicht heiraten – weder Gerrit noch irgend einen anderen Mann.«

      »Du weißt nicht, was du willst«, hielt Stefan ihr vor, und erst als er es ausgesprochen hatte, wurde ihm bewußt, daß er damit seine Kompetenzen weit überschritten hatte. Rabeas Privatleben ging ihn schließlich nichts an.

      »Du hast recht… zumindest teilweise«, gab Rabea zu, und dieses Geständnis erstaunte Stefan zutiefst. »Was meine Liebe betrifft, weiß ich wirklich nicht, was ich will. Weißt du, Stefan, tief in meinem Innern sehne ich mich nach Liebe und Zärtlichkeit, aber andererseits will ich wegen eines Mannes nicht alles aufgeben, wofür ich jahrelang hart gearbeitet habe.«

      Stefan senkte den Kopf. So hatte er das alles noch nicht gesehen.

      »Ich verstehe schon, was du meinst«, erklärte er, dann sah er auf. »Aber wir sind vom Thema abgekommen.« Er fuhr sich mit einer Hand durch das dichte dunkle Haar. »Trotz deiner Bedenken bin ich der Meinung, daß du Dr. Scheibler von deiner Schwangerschaft erzählen mußt. Schließlich ist er ja nicht unmaßgeblich daran beteiligt.«

      Rabea überlegte eine ganze Weile, dann meinte sie: »Gut, ich werde darüber nachdenken.«

      *

      Zwei Tage nach dem Gespräch mit Stefan spürte Rabea zum ersten Mal Schmerzen im Unterbauch. Sie ahnte sofort, daß mit ihrer Schwangerschaft irgend etwas nicht normal lief, doch sie wagte es nicht, einen Arzt aufzusuchen.

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