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Operationssaal, doch an der Tür drehte er sich noch einmal um.

      »Scheibler! Sie melden sich in fünf Minuten bei mir«, befahl er barsch, dann ging er endgültig.

      Dr. Scheibler sah zu, wie Rabea aus dem Operationssaal gefahren wurde. Er wußte, daß man sie jetzt auf die Intensivstation brachte, denn obgleich die Operation gelungen war, mußte ihr Zustand noch immer als sehr kritisch bezeichnet werden.

      Er seufzte leise, dann ging er mit langsamen, schleppenden Schritten hinaus, zog die Handschuhe aus und ließ sich schwer auf einen an der Wand stehenden Stuhl fallen.

      »Das Schicksal dieses jungen Mädchens geht Ihnen sehr nahe«, stellte Dr. Heller fest, während er seine Hände wusch.

      Dr. Scheibler nickte. »Ich kenne sie und…« Er beendete den Satz nicht. Langsam stand er auf und trat ebenfalls an ein Waschbecken. »Ich muß mich beeilen. Der Chefarzt erwartet mich.

      Professor Thiersch wartete tatsächlich schon auf ihn, und der Blick, mit dem er ihn bedachte, verhieß nichts Gutes.

      »Was war mit Ihnen los, Scheibler?« fragte er ohne Umschweife. »Sie waren völlig unkonzentriert.«

      Dr. Scheibler schluckte. »Ich… ich kenne das Mädchen.«

      »Ich auch«, entgegnete der Professor knapp. »Vor ein paar Monaten habe ich sie wegen ihrer Endometriose behandelt. War ich deswegen vielleicht ebenfalls unkonzentriert?«

      »Sie haben mich falsch verstanden«, entgegnete Dr. Scheibler leise. »Es ist… Rabea und ich waren eine Weile… nun ja, wir gingen zusammen, und diese Schwangerschaft…«

      Professor Thiersch begriff sofort. Ärgerlich zog er die Brauen zusammen, so daß sich auf seiner Stirn eine steile Falte bildete.

      »Und warum sagen Sie mir das nicht vorher?« herrschte er den jungen Arzt an. »Sie kannten bereits vor der Operation den Namen der Patientin, und Sie wissen genau, daß ich Sie niemals in den OP gelassen hätte, wenn ich gewußt hätte, welche Bindung zwischen Ihnen und der Patientin bestanden hatte oder noch immer besteht.«

      Dr. Scheibler schüttelte den Kopf. »Wir haben uns vor ein paar Wochen getrennt.« Er schwieg kurz. »Und ich wollte bei dieser Operation dabeisein. Ich mußte wissen…«

      Abrupt stand Professor Thiersch auf. »Ich weiß genau, was Sie veranlaßt hat, mir Ihre Bekanntschaft mit der Patientin zu verschweigen. Es war Ihr schlechtes Gewissen. Ich nehme an, Sie haben mit der jungen Dame Schluß gemacht, weil sie davon ausgehen mußte, daß sie von Ihnen ein Baby erwartete. Und ich kenne Ihren Ehrgeiz, Scheibler. Eine Familie paßt nicht in Ihr Konzept.«

      »Nein, das ist nicht wahr!« wehrte Dr. Scheibler heftig ab. »Ich wußte nicht, daß sie schwanger war… oder besser gesagt… es war ja keine richtige Schwangerschaft.«

      »Aber die Anzeichen sind bei einer Eileiterschwangerschaft dieselben«, erklärte Professor Thiersch. »Also schön, ich will Ihnen glauben, daß Sie nichts davon wußten. Trotzdem hatten Sie ein schlechtes Gewissen. Und jetzt sind Sie mit Ihren Nerven am Ende.« Er hob abwehrend eine Hand, als Dr. Scheibler zu einer Erwiderung ansetzen wollte. »Widersprechen Sie mir bloß nicht. Ich kenne Sie besser, als Sie glauben. Ihr Blick ist unruhig, und Ihre Hände zittern wie Espenlaub. Das ist ja auch kein Wunder. Ich habe mir gerade Ihre Aufzeichnungen angeschaut. Sie hatten heute einen extrem anstrengenden Dienst und dazu die Nervenbelastung bei der Operation an Fräulein Gessner…« Er schwieg kurz, dann setzte er scheinbar zusammenhanglos hinzu: »Werden Sie von irgend jemanden erwartet?«

      Dr. Scheibler war von diesem krassen Übergang sichtlich verwirrt. »Nein, warum?«

      »Kommen Sie mit«, verlangte der Chefarzt nur, dann ging er Dr. Scheibler voran ins Ärztezimmer im ersten Stock.

      »Ich habe von der Schwester ein Behelfsbett hereinstellen lassen«, erklärte er. »Machen Sie sich frei. Sie bekommen jetzt von mir eine Beruhigungsspritze, und dann werden Sie sich hier hinlegen und ein paar Stunden schlafen.«

      »Herr Professor…«, begann Dr. Scheibler abwehrend.

      »Widersprechen Sie nicht!« fiel Professor Thiersch ihm barsch ins Wort. »Ich habe weder Zeit noch Lust, um mit Ihnen zu diskutieren. Ziehen Sie also endlich Ihre Hose aus.«

      Dr. Scheibler sah ein, daß ihm nichts anderes übrigblieb, als zu gehorchen. Er spürte den feinen Stich.

      »So«, meinte Professor Thiersch zufrieden. »Sie werden jetzt gleich sehr müde werden. Heller wird ab und zu nach Ihnen sehen. Er hat ohnehin die Nachtschicht.«

      Dr. Scheibler nickte nur. Er fühlte, wie die Müdigkeit bleischwer in seine Glieder kroch, und war fast froh, daß er die Sorge um Rabea wenigstens für ein paar Stunden vergessen würde.

      *

      Dr. Daniel und Stefan warteten auf dem Flur vor dem Operationssaal. Die erste halbe Stunde hatte Stefan es geschafft, neben seinem Vater auf der schmalen Kunststoffbank zu sitzen, doch dann war er aufgestanden und unruhig hin und her gegangen.

      »Stefan, allmählich machst du mich nervös«, meinte Dr. Daniel schließlich. »Seit fast zwei Stunden rennst du jetzt schon herum. Bitte, setz dich endlich wieder hin.«

      »Ich kann nicht«, begehrte Stefan auf. »Ich mache mir Sorgen um Rabea. Warum dauert denn das so lange?«

      Dr. Daniel seufzte. »Ich nehme an, das befruchtete Ei hatte den Eileiter schon gesprengt. Das führt zu Blutungen im Bauchraum, und es dauert seine Zeit, um diese Blutungen zu stillen. Aber keine Angst, Stefan, Fräulein Gessner ist bei Professor Thiersch in den besten Händen.«

      Das war für Stefan aber nur ein schwacher Trost. Seit Rabea in Steinhausen angekommen war, war sich Stefan der Liebe zu ihr wieder richtig bewußt geworden. Und dieses Gefühl hatte sich in den vergangenen Stunden noch gesteigert.

      »Papa, eines schwöre ich dir«, erklärte Stefan aus diesen Gedanken heraus. »Wenn Rabea etwas passiert, dann wird dieser Scheibler seines Lebens nicht mehr froh.«

      »Hör auf mit diesem Unsinn!« wies Dr. Daniel ihn scharf zurecht. »Selbst wenn Dr. Scheibler diese Schwangerschaft verursacht hat, dann kann er nichts dafür, daß sich das befruchtete Ei im Eileiter und nicht in der Gebärmutter eingenistet hat.«

      Stefan wußte genau, daß sein Vater mit seinen Worten recht hatte, trotzdem ließ sich die Wut, die er jetzt wieder für Dr. Scheibler empfand, dadurch nicht lindern. Stefan wollte einfach nicht sehen, daß den Arzt an Rabeas Zustand keine Schuld traf.

      »Daniel, Sie sind ja immer noch hier!«

      Die Stimme des Professors, die immer ein wenig barsch klang, auch wenn er gerade nicht schimpfte, riß Dr. Daniel und Stefan aus ihren Gedanken.

      »Wie geht’s ihr?«

      Mit dieser Frage überfiel Stefan den Professor geradezu.

      »Langsam, langsam, junger Mann«, entgegnete Professor Thiersch, dann musterte er Dr. Daniels Sohn mit zusammengezogenen Brauen. »Wir kennen uns doch.«

      Stefan nickte. »Ich war vor kurzem hier in Behandlung. Ich hatte mir den Fuß verrenkt und…«

      »Und eine Gehirnerschütterung«, vollendete der Professor, dann nickte er. »Ich erinnere mich. Und soweit ich von Scheibler informiert wurde, sind Sie Daniels Sohn.«

      Jetzt trat auch Dr. Daniel näher. »Das ist richtig, Herr Professor. Und Stefan ist auch ein Studienfreund von Fräulein Gessner.«

      Der Professor kniff die Augen zusammen, als könne er auf diese Weise besser sehen. »Und er ist verliebt in das Mädchen.« Er rieb sich das Kinn. »Deshalb waren Sie auch hier in der Klinik in Behandlung. Sie und Scheibler sind aneinandergeraten.« Er nickte sich selbst zu. »Heller hat das von Anfang an vermutet.«

      Dann wandte er sich Dr. Daniel zu. »Die Patientin liegt jetzt auf Intensiv.« Er ließ sich zu einem Lächeln hinreißen, während er Dr. Daniel eine Hand auf die Schulter legte. »Gut, daß Sie so schnell reagiert haben. Aber ich wußte ja schon während Ihrer Assistenzzeit,

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