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vergingen, in denen die Schmerzen immer schlimmer wurden, doch keine Blutung zeigte an. daß sie im Begriff war, ihr Baby zu verlieren. Und schließlich bekam es Rabea mit der Angst. Vielleicht hatten die Bauchschmerzen ja eine andere Ursache, vor allem, weil sich die Schmerzen jetzt schon bis zur Schulter hinaufzogen.

      Doch es war ein Wochenende, und so hatte Rabea nur eine Möglichkeit: Sie mußte den Norarzt rufen, und genau davor scheute sie zurück. Wie sollte sie irgendeinem fremden Arzt ihr Problem schildern? Immerhin war sie jetzt etwa in der achten Schwangerschaftswoche und hatte noch nicht eine einzige Vorsorgeuntersuchung machen lassen.

      Und plötzlich fiel ihr Dr. Daniel ein. Er hatte sie doch schon einmal an einem Samstag untersucht. Und die Schmerzen waren wirklich kaum noch zu ertragen. Eine Weile rang Rabea noch mit sich, dann hob sie den Hörer ab und wählte die Nummer, die Stefan ihr einmal gegeben hatte.

      »Daniel«, meldete sich der Arzt mit tiefer Stimme.

      »Guten Tag, Herr Dr. Daniel«, begrüßte Rabea ihn fast ein wenig schüchtern. »Hier ist Rabea Gessner. Entschuldigen Sie bitte, daß ich Sie am Wochenende störe, aber… darf ich zu Ihnen kommen? Ich… ich bin schwanger und habe Schmerzen.«

      Dr. Daniel zögerte nicht eine Sekunde. »Natürlich können Sie sofort kommen, Fräulein Gessner. Fühlen Sie sich in der Lage, mit dem Auto zu fahren?«

      »Ich habe kein Auto«, entgegnete Rabea. »Ich komme mit dem Zug. Das ging letztes Mal ganz gut.«

      »In Ordnung«, meinte Dr. Daniel. »Ich erwarte Sie dann am Bahnhof in Steinhausen.«

      »Vielen Dank, Herr Doktor«, erklärte Rabea, und man spürte, daß dieser Dank von Herzen kam.

      *

      »Das war Rabea Gessner«, erklärte Dr. Daniel, als er ins Wohnzimmer zurückkehrte.

      Wie elektrisiert blickte Stefan auf. »Wie bitte?«

      Dr. Daniel setzte sich wieder. »Ja, du hast schon richtig gehört.« Er schwieg einen Moment. »Wußtest du, daß sie schwanger ist?«

      Leichte Verlegenheit breitete sich auf Stefans markanten Zügen aus. »Ja, sie hat es mir erzählt.« Und plötzlich dämmerte es ihm. »Läuft etwa bei ihrer Schwangerschaft etwas schief?«

      »Anscheinend. Sie hat Schmerzen und ist jetzt auf dem Weg hierher.«

      Stefan sprang auf. »Ich hole sie vom Bahnhof ab,«

      »Einverstanden«, meinte Dr. Daniel. »Aber du hast noch genügend Zeit. Der nächste Zug aus München kommt erst in einer knappen Stunde.«

      »Das ist mir egal«, erklärte Stefan, und schon war er draußen.

      Es ging bereits auf vier Uhr nachmittags, als er und Rabea zur Daniel-Villa kamen. Die Schmerzen waren mittlerweile so schlimm geworden, daß Rabea Mühe hatte, aus dem Auto zu steigen. Stefan stützte sie, als er sie in die Praxis brachte.

      Ein Blick in das blasse Gesicht seiner Patientin genügte Dr. Daniel, um zu erkennen, daß hier ein ernstliches Problem bestand.

      »Wo haben Sie Schmerzen?« lautete seine Frage. Er nahm sich nicht einmal die Zeit, Rabea zu begrüßen.

      »Im Bauch«, antwortete sie mit gepreßter Stimme. »Und in der Schulter.« Ihr Blick flatterte, als sie Dr. Daniel anschaute. »Herr Doktor, was ist das? Ich dachte… als die Schmerzen auftraten… ich dachte schon an eine Fehlgeburt, aber… ich habe keine Blutungen und…«

      Dr. Daniel ließ sie nicht aussprechen. Er wandte sich seinem Sohn zu, auf den sich Rabea noch immer stützte.

      »Komm, Stefan, wir müssen sie sofort nach München bringen«, erklärte er.

      Keine zwei Minuten später lag Rabea auf der Rückbank von Dr. Daniels Wagen.

      »Sprechen Sie mit mir«, forderte er das junge Mädchen auf, während er in die Autobahneinfahrt bog. »Gleichgültig was, aber sprechen Sie mit mir.«

      »Ich kann nicht«, stammelte Rabea. »Die Schmerzen…« Sie brachte den Satz nicht mehr zu Ende.

      »Sie ist ohnmächtig geworden«, erklärte Stefan erschrocken. »Papa, was ist mit ihr? Sie wird doch nicht… sterben, oder?«

      Dr. Daniel drückte das Gaspedal durch. »Ich hoffe nicht. Aber sie ist leider verdammt spät zu mir gekommen. Und wir können nur hoffen, daß wir die Thiersch–Klinik noch rechtzeitig erreichen.« Er wies mit einer Kopfbewegung zum Autotelefon. »Ruf an, Stefan.«

      Der junge Mann nahm den Hörer ab und wählte die Nummer, die sein Vater ihm angab.

      »Und was soll ich sagen?« fragte er.

      »Erkundige dich, ob Professor Thiersch im Haus ist, und wenn nicht, dann sollen sie ihn sofort verständigen. Bei Rabea besteht der dringende Verdacht einer Eileiterschwangerschaft.«

      »Oh, mein Gott«, entfuhr es Stefan, dann führte er die Anweisungen seines Vaters aus und legte schließlich den Hörer auf.

      »Professor Thiersch wird sofort anrufen«, erklärte er. »Und bis wir kommen, wird im OP alles bereit sein.«

      Dr. Daniel nickte. Er warf einen Blick in den Rückspiegel, doch er konnte Rabea nicht sehen. Allerdings war das jetzt sowieso egal. Schließlich wußte er, daß es eilte, und er konnte nur hoffen, daß sie nicht zu spät kommen würden.

      *

      Professor Thiersch, Oberarzt Dr. Heller und Dr. Scheibler eilten in den Operationssaal. Wenn Dr. Daniel mit der Patientin eintraf, würde jede Sekunde kostbar sein. Schweigend standen sie nebeneinander in dem gekachelten Nebenraum und wuschen sich sorgfältig die Hände.

      Dabei wanderte Dr. Scheiblers Blick immer wieder durch die großen Glasscheiben in den Operationssaal hinüber. In wenigen Minuten würde Rabea dort auf dem Tisch liegen, und Professor Thiersch würde versuchen, ihr Leben zu retten.

      Eileiterschwangerschaft, hatte man ihm gesagt. Und die Patientin war bereits bewußtlos. Dr. Scheibler wußte nur zu gut, was das bedeutete. Und er wußte auch, daß er es gewesen war, der diese Schwangerschaft verursacht hatte – wenn auch unwissentlich. Aber ein Rest von Schuldgefühlen blieb.

      »Scheibler! Kommen Sie endlich, oder wollen Sie hier übernachten?« herrschte der Professor ihn an.

      Dr. Scheibler zuckte zusammen, dann folgte er dem Professor und dem Oberarzt nach draußen. In diesem Moment wurde Rabea hereingebracht, und Dr. Scheibler fühlte, wie er zu schwitzen begann. Er hatte Angst vor dieser Operation – zum ersten Mal seit seiner Assistenzzeit.

      Wie betäubt stand er am OP-Tisch und sah, wie Professor Thiersch eine Hand fordernd nach hinten streckte und ohne ein Wort das Skalpell gereicht bekam. Er brauchte nichts zu sagen, jeder Handgriff war tausendmal geübt.

      »Scheibler! Konzentrieren Sie sich!« fuhr der Professor ihn an, und seine zornblitzenden Augen schüchterten den jungen Arzt fast noch mehr ein als seine harte, drohende Stimme.

      Verzweifelt bemühte sich Dr. Scheibler, den Gedanken zu verdrängen, daß es Rabea war, die hier vor ihm lag. Das Klappern der Instrumente drang nahezu schmerzhaft an sein Ohr, und der Schweiß lief ihm in Strömen über das Gesicht. Immer wieder mußte er sich zu der schräg hinter ihm stehenden Schwester umwenden, damit sie ihm die Stirn abtupfte.

      Es war eine äußerst schwierige Operation. Das befruchtete Ei hatte bereits den Eileiter gesprengt, was zu heftigen Blutungen im Bauchraum geführt hatte. Eine Rettung des Eileiters war unmöglich. Professor Thiersch mußte ihn entfernen, um die Blutung stillen zu können.

      Er arbeitete rasch und konzentriert und schaffte es dabei sogar noch, den Oberarzt und Dr. Scheibler mit aufmerksamen Blicken zu überwachen.

      »Verdammt, es fängt wieder an«, knurrte Dr. Heller, als erneut Blut in den Bauchraum trat.

      Professor Thiersch nickte nur. Er richtete seine ganze Konzentration auf das Operationsfeld, und dann hatte er es endlich geschafft. Die Blutung war gestillt.

      »Den

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