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wird ihm sicher keine großen Probleme bereiten – sofern er sich jetzt meinen Anordnungen fügt.« Mit einem angedeuteten Lächeln zuckte er die Schultern. »Das ist allerdings der wunde Punkt an der Sache. Ihr Sohn schätzt mich nicht besonders.«

      Dr. Daniel nickte. »Genau darüber wollte ich noch mit Ihnen sprechen, Herr Kollege. Stefan hat mir erzählt, was vorgefallen ist, aber er weigert sich strikt, sich bei Ihnen zu entschuldigen.«

      Abwehrend hob Dr. Scheibler eine Hand. »Eine Entschuldigung ist nicht nötig. Ihr Sohn ist eifersüchtig auf mich. Seine Reaktion, als er mich aus Rabeas Wohnung kommen sah, war also völlig natürlich. Und überdies hat er mit seinem Angriff nur sich selbst verletzt. Das ist schon Strafe genug, und da wäre es überflüssig, auch noch eine Entschuldigung zu verlangen.«

      Dr. Daniel konnte nicht umhin, den jungen Arzt recht sympathisch zu finden.

      »Sie sind ein sehr netter Mensch«, erklärte er aus diesen Gedanken heraus. »Schade, daß Stefan das im Augenblick nicht sehen kann.«

      »Dazu müßte er erst erkennen, daß seine Eifersucht völlig grundlos ist. Ich bin nämlich nicht die Ursache dafür, daß Rabea ihn nicht liebt.«

      »Hat sie Ihnen das gesagt?« wollte Dr. Daniel wissen.

      »Nicht direkt«, gab Dr. Scheibler zu. »Aber sie war sehr überrascht, als ich ihr von dem Vorfall erzählte. Offensichtlich hat sie in Ihrem Sohn nie etwas anderes als einen Studienkollegen gesehen und ging wohl davon aus, daß das auf Gegenseitigkeit beruhte.«

      Dr. Daniel nickte. Genau diesen Eindruck hatte er auch gehabt, als Rabea bei ihm in der Praxis gewesen war und anschließend mit ihnen Kaffee getrunken hatte. Und er hatte es Stefan auch gesagt, doch sein Sohn hatte es nicht glauben wollen.

      »Außerdem ist Rabea viel zu ehrgeizig, um eine feste Bindung einzugehen«, fuhr Dr. Scheibler fort. »Wir waren uns von Anfang an einig, daß unsere Beziehung nur auf Zeit besteht, denn auch mir ist meine Karriere wichtiger als eine Ehe.«

      »So ähnlich habe ich es mir vorgestellt«, meinte Dr. Daniel. »Und irgendwann wird auch Stefan das wohl einsehen.«

      *

      Rabea spürte instinktiv, daß sich ihre Beziehung zu Dr. Scheibler dem Ende zuneigte. Seit der Rückkehr aus dem Urlaub hatte Gerrit fast jede Verabredung abgesagt. Für Rabea war das anfangs ein wenig schmerzlich gewesen, denn nach dem Aufenthalt in der Camargue hatte sie sich doch ein wenig mehr von ihm erhofft.

      Andererseits stand das Staatsexamen kurz bevor, und Rabea hätte über die jetzt sehr lose Beziehung eigentlich froh sein müssen, denn dadurch hatte sie mehr Zeit, sich auf die Prüfungen vorzubereiten. Allerdings fehlte es ihr jetzt an der nötigen Konzentration, und so sehnte sie Gerrit förmlich herbei.

      In diesem Augenblick klingelte es, und Rabea sprang so abrupt auf, daß die Bücher, mit denen sie gerade gearbeitet hatte, zuklappten. Sie riß die Tür auf, dann glitt ein glückliches Strahlen über ihr Gesicht.

      »Gerrit«, stieß sie hervor, während sie ihm impulsiv um den Hals fiel. Im selben Moment spürte sie, daß Dr. Scheibler dabei eigenartig kühl blieb. Nahezu mechanisch erwiderte er ihre Umarmung und löste sich von ihr, sobald sich ihm die Gelegenheit bot.

      Prüfend sah Rabea ihn an. »Was ist los, Gerrit? Bist du gekommen, um…« Sie beendete den Satz nicht, doch Dr. Scheibler wußte auch so, was sie damit meinte.

      Schweigend nahm er im Wohnzimmer Platz. Er warf einen Blick auf die vielen Bücher,

      »Komme ich ungelegen?« fragte er.

      Rasch schüttelte Rabea den Kopf. »Nein, überhaupt nicht. Ich freue mich, daß du da bist. Soll ich Kaffee machen?«

      Und dabei wirkte sie irgendwie hektisch. Sie spürte, daß heute eine Entscheidung fallen würde, und die wollte sie um jeden Preis hinauszögern. Schließlich war es doch erst eine Woche her, daß sie in der Camargue so glücklich miteinander gewesen waren.

      »Danke, das ist nicht nötig«, wehrte Dr. Scheibler ab. »Ich bleibe nicht lange.«

      Rabea hielt mitten in der Bewegung inne. Langsam drehte sie sich zu Gerrit um.

      »Was heißt das?« fragte sie atemlos.

      Dr. Scheibler seufzte. »Ach, Rabea, mach es mir doch nicht so schwer. Wir waren uns von Anfang an einig…«

      »Ich verstehe«, fiel Rabea ihm ins Wort. »Es ist also aus.«

      Dr. Scheibler wand sich ein wenig. »Nein, so darfst du das nicht sehen. Es ist… ich brauche halt ein bißchen mehr Freiraum. Selbstverständlich können wir uns noch sehen und…«

      »Nein, Gerrit.« Wieder unterbrach sie ihn. Sie senkte den Kopf. »Weißt du, als wir in der Camargue waren, da dachte ich, daß unsere Beziehung vielleicht doch…« Sie stockte. »Vergiß es, Gerrit. Ich war in Urlaubsstimmung und… vergiß es einfach.«

      Dr. Scheibler war dieses Gespräch sichlich unangenehm. Er hatte es sich irgendwie einfacher vorgestellt. Schließlich hatte Rabea immer gesagt, daß sie Studium und Assistenzzeit hinter sich bringen und dann ihren Facharzt in Psychiatrie machen wollte. Warum sollte jetzt plötzlich alles anders sein?

      Er stand auf und legte einen Arm um ihre Schultern.

      »Ich wollte dir niemals weh tun«, beteuerte er. »Und ich dachte immer…« Ein wenig hilflos zuckte er die Schultern. »Auf den Gedanken, daß du deine Meinung ändern könntest, wäre ich niemals gekommen.« Wieder schwieg er einen Moment. »Hast du wirklich gedacht, wir würden eines Tages heiraten?«

      Rabea seufzte. »Ich weiß es nicht, Gerrit. Es war wohl nur so ein Gedanke. In der Camargue… in dieser Unendlichkeit…« Sie zwang sich zu einem Lächeln. »Du hast ja recht. Für uns zählt die Karriere mehr als eine Beziehung – mag sie auch noch so schön gewesen sein.« Rasch senkte sie den Kopf, um die Tränen zu verbergen, die ihr in die Augen gestiegen waren. »Ich habe dich sehr geliebt, Gerrit.« Und ich liebe dich immer noch, fügte sie in Gedanken hinzu.

      *

      Nach etwas mehr als einer Woche wurde Stefan Daniel aus der

      Thiersch-Klinik entlassen. Ursprünglich hätte er schon nach vier Tagen nach Hause gehen dürfen, doch Professor Thiersch und der Oberarzt hatten nochmals Schädelaufnahmen gemacht, um sicherzugehen, daß es sich wirklich nur um eine Gehirnerschütterung gehandelt hatte.

      »So, Herr Daniel, jetzt sind Sie endlich erlöst«, erklärte Dr. Scheibler, als er am Mittwochmorgen sein Zimmer betrat und ihm seine Entlassungspapiere aushändigte.

      »Ja, von Ihnen«, knurrte Stefan.

      Dr. Scheibler überhörte die Bemerkung geflissentlich.

      »Ich habe Ihnen ein Rezept für Heilgymnastik ausgestellt«, fuhr er fort. »Bitte, nehmen Sie die zehn Termine auch wahr, sonst könnte es sein, daß Ihnen das verrenkte Fußgelenk noch lange Zeit Schwierigkeiten machen wird.«

      Stefan nahm das Rezept entgegen und nickte. »In Ordnung.«

      Dr. Scheibler blieb noch einen Augenblick unschlüssig stehen. Er hätte gern etwas gesagt, doch Stefans abweisende Haltung hielt ihn davon ab. Und so nickte er ihm nur verabschiedend zu.

      »Ich wünsche Ihnen alles Gute, Herr Daniel«, erklärte er, dann verließ er das Zimmer.

      »Mistkerl«, grummelte Stefan hinter ihm her, dann ließ er sich mit einem tiefen Seufzer auf den an der Wand stehenden Stuhl fallen und warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Seine Schwester hatte versprochen, ihn abzuholen, und eigentlich mußte sie jetzt jeden Augenblick eintreffen.

      Stefan sah zu der kleinen Reisetasche, die fertiggepackt auf seinem Bett stand. Und plötzlich hielt es ihn nicht mehr in diesem Zimmer. Er wollte weg von hier und zwar auf dem schnellstmöglichen Weg.

      Kurzerhand ergriff er die Tasche und trat damit auf den Flur. Von Karina war weit und breit noch nichts zu sehen, und so machte sich Stefan langsam auf den Weg zum Lift. Als er am Ärztezimmer vorbeikam,

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