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sind sie zusammen in Urlaub gefahren«, erklärte Stefan voller Bitterkeit.

      Dr. Daniel zog die Augenbrauen hoch. »Dafür, daß du sie angeblich vergessen wolltest, bist du ja glänzend informiert.«

      Stefan zuckte die Schultern. »Das nutzt mir auch nichts.« Er sah seinen Vater an.»Sag mal, Papa, tut Liebe immer so weh?«

      Dr. Daniel dachte an den frühen Tod seiner Frau. »Sicher nicht immer, Stefan, aber manchmal kann Liebe sehr weh tun.«

      *

      Die Zeit auf Mauritius flog nur so dahin. Nach den ersten Tagen, die sie ausschließlich am Strand verbracht hatten, zeigte Dr. Scheibler seiner Freundin die Schönheiten dieser Trauminsel. Zusammen genossen sie den atemberaubenden Blick von dem erloschenen Vulkankrater Trou aux Cerfs über den ganzen Norden der Insel. Von hier aus konnten sie den Indischen Ozean sehen bis hinüber nach Réunion, über den heiligen See Grand Bassin, zu den schroffen Steilküsten und den weißsandigen Stränden. Doch das war nicht alles, was Mauritius zu bieten hatte. Rabea war von den schwarzsandigen Lavastrandbuchten der zerklüfteten Ostküste fast noch mehr hingerissen. Und auch die kleinen kreolischen und indischen Fischerdörfer übten einen eigenartigen Reiz auf sie aus. So fiel ihr der Abschied nach zwei Wochen richtig schwer.

      »Nicht traurig sein, mein Schatz«, erklärte Dr. Scheibler zärtlich. »Jetzt besuchen wir Paris – die Stadt der Liebe. Und ich hoffe, daß alles so abläuft, wie ich es mir vorstelle.«

      »Du machst mich wahnsinnig neugierig«, erklärte Rabea, und nun konnte sie die Abreise kaum noch erwarten.

      Als die Maschine auf dem Flughafen Orly landete, wurden Rabea und Dr. Scheibler von feinem Nieselregen begrüßt.

      »Wir haben Glück«, erklärte Gerrit, und entgeistert starrte Rabea ihn an. Er schien es damit tatsächlich ernst zu meinen.

      »Glück nennst du das?« fragte sie ungläubig.

      Dr. Scheibler lachte. »Natürlich! Hast du denn nicht gewußt, daß Paris bei Regen so süß duftet wie keine andere Stadt der Welt?«

      Rabea schüttelte den Kopf. Das hörte sie heute zum ersten Mal. Doch als sie eine knappe Stunde später mit Gerrit einen Spaziergang entlang der Champs-Elysées machte, mußte sie ihm recht geben. Es war ein wahrhaft betörender Duft, der über der Stadt zu schweben schien.

      Doch Paris wollte sich ihnen offensichtlich von seiner schönsten Seite zeigen. Nach der Begrüßung im Regen schien am nächsten Morgen eine angenehm warme Sonne, die zu einem Bummel durch diese charmante Stadt einlud. Man hätte denken können, der Frühling würde ins Land ziehen, dabei war es jetzt erst Anfang Januar.

      Dr. Scheibler und Rabea besichtigten den Arc de Triomphe, suchten Montparnasse und Montmartre auf, und Rabea war hingerissen von der Schönheit Sacre-Coeur’s.

      »Hier möchte ich dich fotografieren«, erklärte sie und hoffte, daß es ihr gelingen möge, mit ihrer nicht gerade exklusiven Kamera etwas von dem Zauber der schneeweißen Kirche, die hinter Gerrit aufragte, einzufangen.

      Und als Rabea am Abend im Bett lag und den erlebten Tag Revue passieren ließ, da hatte sie das Gefühl, daß ihr Leben ohne Gerrit nur noch halb so schön sein würde. Rasch schob sie diesen Gedanken beiseite. Sie und Gerrit waren sich von Anfang an einig gewesen, und wahrscheinlich war es nur dieser traumhaft schöne Urlaub, der den Wunsch nach einer festen, dauerhaften Beziehung in ihr weckte. Und so beschloß Rabea, sich auch in den nächsten Tagen dem unnachahmlichen Pariser Flair hinzugeben und die Gedanken an die Zukunft weit von sich zu schieben. Sie wollte diesen Urlaub mit Gerrit einfach genießen.

      Und Dr. Scheibler hatte ein volles Programm anzubieten. Er führte Rabea zur Ile de la Cité. Hier konnte sie die mächtige gotische Kathedrale Notre Dame bewundern, und am nächsten Morgen stand ein Ausflug zum Schloß Versailles auf dem Programm. Auch der Louvre war ein »Muß« in Paris, und den Abschluß bildete nach tagelanger Besichtigungstour schließlich der Eiffelturm. Ganz bewußt hatte Dr. Scheibler ihn als letzte Station gewählt, und daß bereits die Nacht hereinbrach, während sie mit dem Lift nach oben fuhren, war ebenfalls kein Zufall.

      Wie verzaubert stand Rabea da und blickte aus fast dreihundert Metern fasziniert auf die unzählige

      ausgestreute diamantenfunkelnde Lichterstadt. Minutenlang war sie nicht fähig, etwas zu sagen.

      »Das ist einfach überwältigend«, brachte sie endlich hervor. »So etwas habe ich noch nie gesehen, und ich werde diesen Anblick niemals vergessen.«

      Dann sank sie in Gerrits Arme und gab sich dem Zauber hin, der sie umfing. Erst nach Minuten blickte sie zu dem jungen Mann auf, und ein zärtliches Lächeln umspielte ihre Lippen.

      »Hier wäre der richtige Ort für einen Heiratsantrag«, meinte sie.

      Dr. Scheibler nickte. »Ich weiß.« Er schwieg einen Moment, dann fügte er hinzu: »Vielleicht werden wir beide irgendwann hierher zurückkehren – zu dieser Stunde und an genau denselben Platz.«

      Rabea begriff. Er würde sie jetzt nicht fragen, ob sie seine Frau werden wollte, und dabei wußte sie in diesem Moment, daß sie ja gesagt hätte.

      *

      »Morgen werden wir Paris verlassen«, erklärte Dr. Scheibler, als sie spätabends noch zusammensaßen und Champagner tranken. Die sehnsuchtsvolle Stimmung, die sich auf dem Eiffelturm bei Rabea eingestellt hatte, war wieder ein wenig abgeflaut, aber noch immer war sie sich ihrer Liebe zu Gerrit nur zu bewußt, und mehr denn je fürchtete sie sich vor einem Abschied, der endgültig sein würde.

      »Ab morgen werden wir beide die Côte d’Azur unsicher machen«, fuhr er fort und riß Rabea damit aus ihren Gedanken.

      Sie bedachte ihn mit einem langen Blick. »Glaubst du wirklich, daß das für uns das Richtige ist?«

      »Nizza besitzt sehr viel Charme«, meinte Dr. Scheibler lächelnd.

      »Daran zweifle ich nicht. Trotzdem schwebt mir etwas anderes vor.« Rabea beugte sich vor und griff nach Gerrits Hand. »Du hast mir so viel Schönes gezeigt. Ich glaube, jetzt bin ich auch mal an der Reihe. Warst du schon einmal in der Camargue?«

      Dr. Scheibler schüttelte den Kopf. »Nein, leider nicht. Ich wollte schon lange einmal dorthin, aber jedesmal ist etwas dazwischengekommen.«

      »Sehr gut. Dann werde ich dir zeigen, was unser Herrgott in seiner besten Sonntagslaune erschaffen hat.«

      Dr. Scheibler mußte lächeln. »Das hast du schön gesagt. Also gut, reisen wir in die Camargue.«

      Eine strahlende Sonne schien vom blauen Himmel der Camargue, als Dr. Scheibler und Rabea in dem winzigen Dorf le Paradis ankamen, und wieder wäre man nicht auf den Gedanken gekommen, daß es Januar war.

      »Man nennt die Camargue das Land ohne Zeit«, erklärte Rabea. »Sie besitzt keinen Horizont…alles scheint unendlich zu sein – auch die Liebe.« Sie schwieg kurz, dann fügte sie sehr leise hinzu: »In diesem Land wünscht man sich, eine Wurzel zu sein, damit man niemals wieder von hier weggehen muß.«

      Ein wenig erstaunt sah Dr. Scheibler sie an. »So philosophisch?«

      Sie lächelte. »Nein. Das habe ich mal irgendwo gelesen, aber es steckt tatsächlich ein Körnchen Wahrheit drin.« Forschend sah sie ihn an. »Kannst du reiten?«

      »Ich war einige Jahre im Reitclub«, entgegnete er. »Allerdings war ich nie ein besonderes As in dieser Sportart.«

      »Das paßt ausgezeichnet«, meinte Rabea. »Ich habe während meines Aufenthaltes hier in der Camargue ein paar Reitstunden genommen. Es gelingt mir also, mich einigermaßen auf einem Pferderücken zu halten. Aber die Camargue muß man einfach zu Pferd kennenlernen, denn mit dem Auto hat man hier nicht die geringste Chance. Diese Straßen sind für Pferde gemacht,«

      Der Besitzer des kleinen Gasthofes, in dem sie abgestiegen waren, stellte ihnen dann auch gleich zwei seiner Pferde zur Verfügung. Mit etwas gemischten Gefühlen stieg Rabea auf. Ob sie es wirklich noch konnte? Immerhin waren seit ihrem letzten Aufenthalt hier einige

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