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      »Meine Güte, Stefan, was ist denn bloß mit dir los?« wollte Karina wissen, als ihr Bruder am Freitag mit mißmutigem Gesicht aus der Uni kam.

      Stefan knurrte etwas Unverständliches, dann lümmelte er sich an den Tisch und sah dabei aus wie das personifizierte Elend.

      »Fährst du über das Wochenende mit mir nach Hause?« fragte Karina ihn schließlich.

      Stefan zuckte die Schultern. »Was soll ich da?«

      »Stimmt. Herumhängen kannst du hier auch«, entgegnete Karina trocken, aber dann fühlte sie doch Mitleid mit ihrem Bruder. »Na komm schon, sag mir halt, was mit dir los ist? Liebeskummer?«

      Stefan ließ einen abgrundtiefen Seufzer hören. »Es geht um Rabea.«

      Karina nickte, als hätte sie genau diese Antwort erwartet.

      »Ich hatte von Anfang an den Eindruck, als würdest du dich da in eine hoffnungslose Sache verrennen«, meinte sie. »Liebe macht ja bekanntlich blind, deshalb siehst du wohl nicht, daß Rabea an dir nicht das geringste Interesse hat. Sie lebt nur für ihr Studium.«

      »Ach, die große Spezialistin spricht«, höhnte Stefan, dann winkte er ärgerlich ab. »Du hast ja keine Ahnung.«

      »So? Und warum machst du dann ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter?«

      Wieder seufzte Stefan tief auf. »Sie war heute nicht in der Uni.«

      »Na und? Vielleicht ist sie krank? Du wolltest doch, daß sie sich von Papa untersuchen läßt und…«

      Wie elektrisiert blickte Stefan auf. »Vielleicht war sie heute bei ihm!« Dann sprang er auf. »Ich fahre nach Steinhausen. Kommst du mit?«

      Karina lachte. »Was eine Liebe nicht alles bewirkt. Ich glaube, es ist in den letzten Jahren nicht ein einziges Mal vorgekommen, daß du freiwillig nach Hause gefahren bist.«

      »Ach, laß mich doch in Ruhe«, grummelte Stefan, dabei konnte er es kaum noch erwarten, bis seine Schwester endlich fertig war und sie losfahren konnten.

      Der Wochenendverkehr ins Gebirge hatte bereits eingesetzt, deshalb kamen sie sehr viel langsamer voran, als Stefan es sich gewünscht hätte. Aber schließlich tauchten doch die ersten Häuser Steinhausens vor ihnen auf. Vorsichtig fuhr Karina die steile Auffahrt zur Villa ihres Vaters hinauf, dann hielt sie ihren Wagen auf dem Patientenparkplatz an.

      Die Geschwister waren gerade ausgestiegen, als Dr. Daniel aus dem Haus kam und ihnen entgegeneilte. Sein Gesicht strahlte vor Freude.

      »Karina, Stefan, schön, daß ihr doch noch kommen konntet!« rief er aus. »Irene und ich haben schon gar nicht mehr mit euch gerechnet.«

      Karina umarmte ihren Vater. »Auf der Autobahn war ein höllischer Verkehr.«

      »Kein Wunder, bei diesem Wetter – wie geschaffen zum Bergwandern«, meinte Dr. Daniel, dann wandte er sich seinem Sohn zu. »Und daß du mitgekommen bist, freut mich ganz besonders. Du läßt dich viel zu selten bei uns sehen.«

      »Na, jetzt kannst du dich wirklich nicht beschweren«, hielt Stefan dagegen. »Ich war erst letztes Wochenende hier.«

      Dr. Daniel schmunzelte. »Ja, weil du etwas von mir wolltest.«

      »Das ist diesmal nicht sehr viel anders«, warf Karina mit einem neckischen Grinsen dazwischen, was ihr einen strafenden Blick von Stefan eintrug.

      Dr. Daniel zog die Augenbraue hoch. »Wie bitte? Hast du noch eine Studienfreundin, die am Wochenende untersucht werden will?«

      »Nein, natürlich nicht«, erklärte Stefan sofort, dann wandte er sich seiner Schwester wieder zu. »Du kannst auch wirklich nicht ein einziges Mal deine Klappe halten!«

      Karina schnitt eine Grimasse, dann winkte sie zum Balkon hinauf, auf dem Dr. Daniels Schwester Irene erschienen war.

      »Nachdem mein Bruderherz sicher ein Gespräch unter Männern führen will, gehe ich jetzt zu Tante Irene«, erklärte sie, und schon war sie im Haus verschwunden.

      Dr. Daniel sah seinen Sohn an. »Ist es so, Stefan?«

      Der junge Mann senkte den Kopf, dann nickte er. »Ja, Papa, ich wollte dich etwas fragen.«

      Dr. Daniel ahnte schon, in welche Richtung diese Frage gehen würde. Er legte seinem Sohn eine Hand auf die Schulter und betrat mit ihm die Villa.

      »Wenn wir in mein Sprechzimmer gehen, sind wir ungestört«, meinte er.

      Stefan nickte. »Einverstanden.«

      Doch als er seinem Vater gegenübersaß, hüllte er sich erst einmal in Schweigen. Dr. Daniel sah ihn eine Weile forschend an, dann ergriff er das Wort.

      »Also, mein Junge, was hast du auf dem Herzen?«

      Stefan seufzte tief auf. »Es geht um Rabea.«

      Dr. Daniel nickte. »Das dachte ich mir schon.«

      »Sie hat mir nichts gesagt«, fuhr Stefan leise fort. »Ich weiß weder, was ihr fehlt, noch, welche Behandlung du durchführen wirst.«

      »Das erschwert die Sache natürlich«, entgegnete Dr. Daniel ernst. »Wie du weißt, unterliege ich der Schweigepflicht.«

      Entsetzt starrte Stefan ihn an. »Heißt das… du willst mir nichts sagen?«

      »Ich darf nicht«, berichtigte Dr. Daniel.

      Stefan sprang auf und ging erregt im Zimmer auf und ab, dann blieb er vor dem Schreibtisch seines Vaters stehen und stützte sich mit beiden Händen ab. Der Blick seiner tiefblauen Augen war zwingend.

      »Ich bin doch dein Sohn!« erklärte er eindringlich. »Und es geht um eine Freundin von mir.«

      »Genauso ist es«, stimmte Dr. Daniel zu. »Rabea ist eine Freundin… eine Studienfreundin von dir – mehr nicht. Und ich nehme es mit meiner Schweigepflicht sehr genau.«

      »Aber das ist doch…« Stefan unterbrach sich, dann fuhr er nahezu flehend fort: »Ich muß wissen, was mit Rabea ist. Sie war heute nicht in der Uni, und… ich mache mir Sorgen.« Er senkte den Kopf. »Sie war auch nicht zu Hause. Ich bin auf dem Heimweg bei ihr vorbeigefahren und habe vergeblich geklingelt.«

      Dr. Daniel kämpfte mit sich, dann sprach er doch aus, was er dachte.

      »Glaubst du nicht, daß das Mädchen in dir nichts anderes sieht als einen netten Kollegen?« Er zögerte einen Moment, ehe er hinzufügte: »Ich fürchte, deine Liebe wird nicht von ihr erwidert, Stefan.«

      »Was nicht ist, kann ja noch werden«, behauptete Stefan hartnäckig. »Irgendwann wird Rabea schon merken, was ich für sie empfinde, und notfalls werde ich eben um sie kämpfen.«

      Dr. Daniel seufzte leise. »Du bist erwachsen und mußt wissen, was du tust. Aber… Liebe läßt sich nicht erzwingen, Stefan.«

      *

      Am Dienstagfrüh kehrte Rabea zur Uni zurück, als wäre sie nie weggewesen. In der Mittagspause setzte sich Stefan zu ihr an den Tisch.

      »Ich darf doch, oder?« fragte er lächelnd.

      Rabea schmunzelte. »Fragst du immer erst hinterher?«

      Stefan grinste. »Meistens, dann fällt das Nein-Sagen schwerer.« Er wurde wieder ernst. »Rabea, ich… ich meine, es geht mich ja nichts an, aber… du warst zwei Tage nicht hier, und… ich habe mir Sorgen gemacht.«

      Rabea sah auf ihren Teller, als müsse sie sich ganz besonders auf das Mittagessen konzentrieren.

      »Das war unnötig«, entgegnete sie. »Ich fühle mich sehr gut.«

      Stefan wußte genau, was diese Antwort bedeutete. Rabea wollte ganz offensichtlich nicht darüber sprechen – jedenfalls nicht mit ihm. Trotzdem hakte er noch einmal nach.

      »Und deine Schmerzen?« Er zögerte kurz. »Konnte dir mein Vater helfen?«

      »Ja«,

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