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Tür hinter sich zu.

      »Oho, mein Bruderherz ist heute aber sehr empfindlich«, erklärte Karina.

      Nachdenklich sah Dr. Daniel auf die geschlossene Tür. »Eine sehr unglückliche Liebe kann sehr weh tun.«

      *

      Kurz vor Beginn der Nachmittagssprechstunde rief Dr. Daniel in der Thiersch-Klinik an. Er wußte aus Erfahrung, daß dies die beste Zeit war, um den Professor zu erreichen. Die Dame in der Krankenhausvermittlung machte denn auch keine weiteren Umstände und stellte den Anruf zum Chefarzt durch.

      »Hier Daniel aus Steinhausen«, gab der Arzt sich zu erkennen, nachdem Professor Thiersch sich gemeldet hatte.

      »Was ist denn nun schon wieder, Daniel?« entgegnete er forsch wie immer. »In letzter Zeit haben Sie ständig Arbeit für mich. Worum

      geht’s diesmal?«

      »Um ein vierundzwanzigjähriges Mädchen. Verdacht auf Endometriose. Sie leidet ständig unter Schmerzen.«

      Eine Weile herrschte Schweigen am anderen Ende der Leitung.

      »Damit wollen Sie sagen, daß es eilt«, erklärte Professor Thiersch schließlich in seiner barschen Art. »Wahrscheinlich soll ich die junge Dame schon morgen hier in der Klinik aufnehmen.«

      »Nein, Herr Professor«, wehrte Dr. Daniel ab. »Es gibt nämlich noch ein Problem. Fräulein Gessner ist Medizinstudentin und steht kurz vor dem Examen. Sie sollte also möglichst wenige Vorlesungen versäumen.«

      Professor Thiersch seufzte. »Sie mit Ihren Sonderwünschen! Also, Daniel, was schreiben Sie mir vor? Wann soll die junge Dame kommen? Am Wochenende vielleicht?«

      »So ähnlich«, gab Dr. Daniel zu. »Ich dachte, daß Sie vielleicht am Freitag die Bauchspiegelung durchführen könnten, dann könnte Fräulein Gessner möglicherweise schon am Montag wieder entlassen werden.«

      »Sonst noch Wünsche?« polterte Professor Thiersch. »Künftig werde ich Ihnen meine Terminpläne

      zur Genehmigung vorlegen.« Er schwieg, und Dr. Daniel hörte, wie er in seinem Terminkalender blätterte.

      »Also schön«, grummelte er. »Sie soll am Donnerstagabend in die Klinik kommen.« Dann legte er auf.

      Dr. Daniel schmunzelte, während er den Hörer ebenfalls auf die Gabel legte. Professor Thiersch war wirklich ein Original, und wer ihn nicht kannte, war ihm wegen seiner scheinbaren Unhöflichkeit sicher oftmals böse.

      Dr. Daniel warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Ob Rabea Gessner wohl noch in der Uni war? Der Arzt hatte den Telefonhörer schon in der Hand, da überlegte er es sich doch anders. Er würde abends bei dem jungen Mädchen anrufen, denn die Wahrscheinlichkeit, daß sie um diese Zeit schon zu Hause war, war äußerst gering.

      Doch gleich nach Beendigung der Sprechstunde meldete sich Dr. Daniel bei Rabea und teilte ihr den Termin mit.

      »Möchten Sie, daß ich Sie begleite?« erkundigte er sich.

      »Um Himmels willen, nein«, wehrte Rabea sofort ab. »Sie haben schon genug für mich getan, Herr Doktor. Und so große Angst habe ich vor Professor Thiersch nicht, daß ich es nicht wagen würde, allein hinzugehen.«

      Dr. Daniel zögerte, dann machte er den Vorschlag, der sich ihm unwillkürlich aufgedrängt hatte, doch: »Ich bin sicher, daß auch Stefan gerne bereit wäre, Ihnen als seelische Unterstützung zu dienen.«

      »Ich weiß.« An ihrer Stimme hörte Dr. Daniel, daß sie lächelte. »Stefan ist ein netter Kerl, aber auch ihn möchte ich nicht unnötig belästigen. Keine Sorge, Herr Doktor, ich komme schon zurecht.«

      »Daran habe ich nicht gezweifelt«, betonte Dr. Daniel. »Aber es ist immer ein ungutes Gefühl, wenn man ins Krankenhaus muß, und in Begleitung geht man leichter. Nun, Sie haben ja noch Zeit, um es sich zu überlegen.«

      »Ja, Herr Doktor, und vielen Dank… für alles.«

      *

      Rabea war wirklich ein wenig mulmig zumute, als sie am späten Donnerstagnachmittag die Thiersch-Klinik betrat. Es war kein so riesiger Bau wie so manch andere Klinik, aber Rabea empfand ihn dennoch als ziemlich respekteinflößend, und für einen Augenblick bereute sie fast, daß sie Dr. Daniels Angebot, sie zu begleiten, abgelehnt hatte.

      Die breiten Schiebetüren öffneten sich automatisch, und ein wenig zögernd trat Rabea ein. Einen Augenblick lang blieb sie abwartend stehen, dann ging sie zu dem mit Glas umgebenen Auskunftsschalter. Ein junger Mann kam an das kleine Schiebefenster und fragte nach ihren Wünschen.

      »Mein Name ist Rabea Gessner«, erklärte sie, und ihre Stimme klang dabei ein wenig unsicher. »Ich habe einen Termin bei Professor Thiersch.«

      »Neben dem Lift rechts, den Flur entlang, das letzte Zimmer auf der rechten Seite«, erklärte der junge Mann knapp.

      Rabea bedankte sich und folgte seinen Anweisungen. Sie gelangte in einen düsteren Flur und entdeckte schließlich an der letzten Zimmertür ein Schildchen mit der Aufschrift: Professor Rudolf Thiersch, Vorzimmer.

      Die Nervosität, die Rabea für einen Augenblick hatte abschütteln können, kehrte wieder zurück, und zum zweiten Mal an diesem Tag wünschte sie, Dr. Daniel oder wenigstens Stefan an ihrer Seite zu haben. Dann atmete sie tief ein und klopfte beherzt an.

      »Ja, bitte!« erklang von drinnen eine sympathische Frauenstimme.

      Rabea trat ein und blickte sich fast ein wenig ängstlich um, doch nur die Sekretärin des Chefarztes war anwesend. Mit einem unverbindlichen Lächeln wandte sie sich Rabea zu.

      »Sie wünschen?«

      »Ich bin…« Rabea räusperte sich. »Mein Name ist Rabea Gessner. Ich habe einen Termin bei Herrn Professor Thiersch.« Sie schwieg einen Moment und fügte dann hinzu: »Dr. Daniel aus Steinhausen hat mich hierher überwiesen.«

      Die Sekretärin nickte. »Nehmen Sie noch einen Augenblick Platz, Frau Gessner. Der Herr Professor kommt gleich.«

      Es dauerte auch wirklich nur wenige Minuten, bis die Tür schwungvoll aufgerissen wurde und ein kleiner, untersetzter Mann Mitte Sechzig hereintrat. Die dicke Hornbrille verlieh ihm ein strenges Aussehen, was von seinem forschen Auftreten noch unterstrichen wurde. Sein erster Blick fiel auf Rabea.

      »Ach, da sind Sie ja«, erklärte er, und Rabea dachte unwillkürlich, daß diese harte, barsche Stimme genau zu seiner Erscheinung passen würde.

      Sie stand auf und reichte ihm höflich die Hand, dabei hatte sie das Gefühl, als müßten ihre Beine gleich unter ihr wegknicken. Dieser Professor war mehr als respekteinflößend.

      »Rabea Gessner«, stellte sie sich vor und war froh, daß ihr wenigstens ihre Stimme gehorchte.

      Der Professor nickte. »Weiß ich. Kommen Sie mit.«

      Er betrat ihr voran das Nebenzimmer und wies mit einer knappen Handbewegung auf einen der beiden Sessel, die vor seinem Schreibtisch standen.

      »Dr. Daniel hat eine Endometriose diagnostiziert«, stellte er fest.

      »Er vermutet es anhand der Beschwerden, die ich habe«, erklärte Rabea, doch sie war nicht sicher, ob Professor Thiersch ihr überhaupt zugehört hatte, denn er blätterte angelegentlich in seinem Terminkalender. Und ohne noch einmal das Wort an sie zu richten, griff er nach dem Telefonhörer.

      »Schicken Sie Scheibler zu mir«, befahl er knapp, und Rabea mußte unwillkürlich denken, daß sie unter diesem Chefarzt niemals würde arbeiten mögen.

      Es dauerte nur wenige Minuten, bis nach kurzem Anklopfen ein großer, schlanker Arzt Mitte Dreißig hereintrat.

      »Sie wollten mich sprechen, Herr Professor?«

      Professor Thiersch nickte, dann wies er auf Rabea. »Das ist Ihre neue Patientin, Scheibler. Verdacht auf Endometriose. Ich nehme morgen früh eine Laparoskopie vor. Sie haben für die vorbereitenden Untersuchungen also nicht viel Zeit.«

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