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Robert Daniel war gerade dabei, seine Praxis abzuschließen, als draußen ein Auto mit quietschenden Reifen in die Einfahrt bog und dann ebenso forsch auf dem Parkplatz gebremst wurde.

      »Das ist doch…«, knurrte Dr. Daniel ärgerlich, dann ging er hinaus, um nachzusehen, wer es da so eilig hatte. Und seine Miene verfinsterte sich noch mehr, als er seinen Sohn erkannte, der jetzt mit langen Schritten auf die Villa zukam.

      »Hallo, Papa!« rief er schon von weitem. »Ich muß dringend mit dir sprechen. Es geht um…«

      »Augenblick mal, Stefan!« fiel Dr. Daniel ihm nicht ohne Schärfe ins Wort. »Wie oft habe ich dir schon gesagt, daß du nicht wie ein Verrückter hier herauffahren sollst? Die Auffahrt ist verdammt steil, und bei dem Tempo, das du vorgelegt hattest, wärst du nicht in der Lage gewesen, rechtzeitig zu bremsen, wenn dir ein Auto entgegengekommen wäre.«

      Stefan seufzte. »Ach, Papa, mir ist aber nichts entgegengekommen, und außerdem ist es wirklich wichtig…«

      »Was ist mit deiner Schwester?« Zum zweiten Mal fiel ihm sein Vater jetzt ins Wort. »Kommt sie dieses Wochenende nicht nach Hause?«

      Allmählich nervten Stefan die Fragen seines Vaters. Es drängte ihn, von Rabea zu erzählen.

      »Doch, sie kommt auch, aber jetzt…«

      »Und warum fahrt ihr dann nicht gemeinsam? Das macht ihr ja sonst auch immer.«

      »Himmel noch mal, weil ich es eilig hatte!« brauste Stefan auf. »Karina kommt erst in einer Stunde aus der Uni, aber wenn du noch länger so weiterfragst, dann hätte ich tatsächlich ebensogut mit ihr fahren können.«

      Jetzt war es Dr. Daniel, der einen Seufzer nicht unterdrücken konnte. »Also schön, und warum hattest du es so eilig?«

      »Müssen wir das hier besprechen, oder können wir auch ins Haus gehen?« Stefan konnte nicht verhindern, daß seine Stimme jetzt aggressiv klang.

      Dr. Daniel bedachte ihn mit einem kurzen Blick.

      »Dein Ton gefällt mir nicht«, urteilte er. Dann wies er mit einer Handbewegung zu der stattlichen Villa, in der er auch seine Praxis betrieb. »Bitte, gehen wir hinein.«

      Schweigend folgte Stefan seinem Vater ins erste Stockwerk. Er wußte, daß er sich falsch verhalten hatte, und das war nicht gerade die geeignete Voraussetzung für ein Gespräch.

      »Stefan!«

      Irene Hansen, die ältere, seit vielen Jahren verwitwete Schwester von Dr. Daniel, fiel ihrem Neffen um den Hals, als hätte sie ihn seit langem nicht mehr gesehen.

      »Grüß dich, Tante Irene«, erwiderte Stefan und blockte weitere stürmische Begrüßungsattacken sofort ab, indem er erklärte: »Ich habe mit Papa noch etwas Wichtiges zu besprechen.«

      Irene war sichtlich enttäuscht. Seit Stefan in München studierte, ließ er sich nur noch äußerst selten hier in Steinhausen sehen. Und nun hatte sie sich gerade auf eine kleine Plauderei gefreut.

      Stefan bemerkte ihre Verstimmtheit sofort, und er wußte auch, daß sein Verhalten ungehörig war – vor allem, weil das Gespräch über Rabea durchaus noch eine Weile hätte warten können. Trotzdem wandte er sich jetzt ab und trat zur Wohnzimmertür, doch dort drehte er sich noch einmal um.

      »Würdest du mir vielleicht ein Glas Wasser bringen, Tante Irene?« fragte er.

      »Das holst du dir gefälligst selbst!«

      Unter dem strengen Ton seines Vaters zuckte Stefan unwillkürlich zusammen und gehorchte ohne ein weiteres Wort.

      Während er in die Küche ging, um aus dem Kühlschrank eine Flasche Mineralwasser zu holen, betrat Dr. Daniel bereits das Wohnzimmer und setzte sich auf das gemütliche Sofa. Kurz darauf kam auch sein Sohn herein. Für einen Moment blieb er ein wenig unsicher an der Tür stehen, dann nahm er seinem Vater gegenüber Platz.

      »Ich billige dein Verhalten ganz und gar nicht«, erklärte Dr. Daniel in ungewöhnlich hartem Ton. »Und ich hoffe für dich, daß es wirklich etwas Wichtiges ist, was du mit mir zu besprechen hast. Ansonsten bestehe ich darauf, daß du dich bei Irene entschuldigst. Haben wir uns verstanden?«

      »Ja, Papa«, antwortete Stefan leise.

      »Gut. Also, worum geht’s?«

      »Um eine Studienfreundin von mir. Rabea Gessner.«

      Dr. Daniel runzelte die Stirn. »Rabea? Der Name kommt mir irgendwie bekannt vor.« Und dann erinnerte er sich. »Karina hat vor ein paar Wochen erzählt, daß du in dieses Mädchen verliebt bist.«

      Stefan errötete tief, und einen Augenblick lang verfluchte er seine jüngere Schwester. Warum konnte sie nicht ein einziges Mal ihre Klappe halten?

      »Darum geht es jetzt nicht«, wich er schließlich aus. »Rabea ist krank… das heißt, ich weiß nicht, ob sie krank ist. Es ist… sie hat Schmerzen…Unterleibsschmerzen.« Stefan war sich des prüfenden Blickes seines Vaters nur zu bewußt, was dazu führte, daß er sichtlich nervös wurde. »Bitte, Papa, schau mich nicht so an! Du bringst mich ja völlig durcheinander.«

      Dr. Daniel nickte. »Das merke ich. Allerdings glaube ich nicht so sehr, daß ich persönlich der Grund dafür bin, sondern vielmehr die Tatsache, daß ich von deiner Verliebtheit in Rabea weiß.«

      Abrupt stand Stefan auf und trat zum Fenster. Vielleicht gelang es ihm eher, einen klaren Gedanken zu fassen, wenn er seinen Vater nicht mehr vor Augen hatte.

      »Rabea hat seit Monaten Schmerzen«, erklärte er nun. »Zuerst nur, bevor sie ihre Tage bekam, doch jetzt hat sie ständig Schmerzen – sogar nachts.« Er drehte sich zu seinem Vater um und erkannte die Veränderung in dessen Gesicht. Sobald es um einen Patienten ging, waren alle persönlichen Differenzen für Dr. Daniel vergessen.

      »Und sie war noch nicht beim Arzt?« wollte Dr. Daniel jetzt wissen.

      »Doch, natürlich«, entgegnete Stefan nachdrücklich. »Sogar schon bei mehreren, aber keiner konnte etwas finden.« Er schwieg kurz. »Und Rabea ist beileibe keine Simulantin.«

      »Das habe ich auch gar nicht behauptet«, verwahrte sich Dr. Daniel, dann rieb er nachdenklich sein Kinn. »Ich würde mir das junge Fräulein sehr gern einmal ansehen.«

      Stefan lächelte. »Genau damit habe ich gerechnet, Papa. Und ich habe Rabea auch schon gefragt, ob sie sich von dir untersuchen lassen würde. Zuerst wollte sie nicht, aber dann hat sie doch zugestimmt.« Er zögerte einen Moment. »Es gibt da noch ein Problem, das heißt… ein Problem direkt ist es nicht, sondern…«

      »Hör schon auf herumzustottern, und sag einfach, worum es geht«, meinte Dr. Daniel mit einem nachsichtigen Lächeln.

      Stefan atmete tief durch. »Ich weiß, daß du immer sehr eingespannt bist und dir ein ruhiges Wochenende verdient hättest, aber… könntest du Rabea nicht morgen oder am Sonntag untersuchen? Dann würde sie keine Vorlesung versäumen.« Er zuckte die Schultern. »Wir stehen kurz vor dem Examen, und obwohl Rabea die Beste in unserer Studienklasse ist…«

      »Schon gut, Stefan«, fiel sein Vater ihm ins Wort. »So umfangreiche Erklärungen sind nicht nötig. Ruf das Mädchen an. Sie kann kommen, wann sie möchte. Ich werde mir für sie Zeit nehmen – allerdings unter einer Bedingung.«

      »Und die wäre?« fragte Stefan mißtrauisch.

      Dr. Daniel lächelte. »Du wirst dich jetzt ein bißchen um deine Tante kümmern. Das hat sie mehr als verdient, meinst du nicht auch?«

      Stefan nickte. »Geht in Ordnung, Papa.« Er senkte den Kopf. »Ich glaube, ich habe mich unmöglich benommen, und es tut mir leid.«

      Dr. Daniel trat zu ihm und legte ihm einen Arm um die Schultern. »Das ist schon in Ordnung, mein Junge. So, und jetzt geh ans Telefon, und ruf das Mädchen an.«

      *

      »Ein bißchen unangenehm ist es mir schon, deinen Vater am Wochenende zu belästigen«, meinte Rabea, als Stefan sie vom

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