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      »Sie sind ganz schön gemein«, knurrte Rainer. »Wie soll ich jetzt noch nein sagen? Ich käme mir ja vor wie ein Barbar, wenn ich Anke allein ließe.«

      Da legte Anke ihre Hand auf seinen Arm. »Ich habe dir gesagt, daß es mir schon hilft, dich nur im Zimmer nebenan zu wissen, Rainer, und das gilt noch immer.«

      »Sie haben auch noch ein bißchen Zeit, es sich zu überlegen«, mischte sich Dr. Daniel ein. »Ich werde Ihnen erst mal erklären, wie die Untersuchung vor sich geht. Bitte, nehmen Sie Platz.« Auch er setzte sich wieder. »Also, wie ich schon sagte, kann ich mit der Hysterosalpingografie kontrollieren, ob die Eileiter durchlässig sind. Ich werde als erstes eine örtliche Betäubung vornehmen, dann wird ein Röntgenkontrastmittel in die Gebärmutter gespritzt. Theoretisch könnte diese Untersuchung auch ohne Narkose durchgeführt werden, aber sie kann bisweilen krampfartige Schmerzen verursachen, daher nehme ich lieber eine örtliche Betäubung vor.« Dr. Daniel schwieg einen Moment, dann fuhr er fort: »Anschließend mache ich einige Röntgenaufnahmen, auf denen ich feststellen kann, ob das Kontrastmittel durch die Eileiter in die Bauchhöhle abfließt. Gleichzeitig sehe ich, ob die Gebärmutter normal gebaut ist, ob Polypen oder Myome vorhanden sind und ob sich eventuell Verwachsungen unmittelbar außerhalb der Eileiter befinden.«

      Anke wußte das alles bereits, denn Dr. Daniel hatte ihr den ganzen Vorgang schon einmal erklärt. Rainer jedoch schwirrte nur so der Kopf.

      »Meine Güte«, stieß er hervor.

      Dr. Daniel lächelte. »Ist Ihr Interesse geweckt?«

      Rainer zuckte ein wenig hilflos die Schultern. »Ich weiß nicht so recht. Im Grunde habe ich jetzt noch mehr Angst als vorher.« Er stand auf. »Aber ich komme mit. Schließlich muß Anke das alles über sich ergehen lassen, da ist es nur recht und billig, wenn ich wengistens dabei bin.« Er lächelte seine junge Frau zaghaft an. »Auch wenn ich nur deine Hand halten kann.«

      »Sehr schön«, meinte Dr. Daniel zufrieden. »Dann können wir ja hinübergehen.« Er öffnete die Zwischentür und ließ Rainer und Anke vorausgehen. »Diese ganze Untersuchung könnte auch mit Ultraschall gemacht werden, aber wenn wirklich Verwachsungen vorliegen, will Dr. Sommer Röntgenbilder haben. Die gesamte Untersuchung müßte dann also nochmals durchgeführt werden, und das versuche ich meinen Patientinnen immer zu ersparen.«

      Hinter dem dezent gemusterten Wandschirm machte sich Anke frei, während Lena Kaufmann und Dr. Daniel alles für die Untersuchung bereitlegten, dann verließ die Sprechstundenhilfe das Untersuchungszimmer, denn die meisten Patientinnen wollten gerade bei Unterleibsuntersuchungen mit ihrem Arzt allein sein.

      »So, Frau Bergmann, ich nehme jetzt die örtliche Betäubung vor«, erklärte Dr. Daniel, während er zu ihr trat. »Den Einstich werden Sie noch spüren, alles andere fühlen sie zwar, aber sie werden keine Schmerzen dabei haben. Und ich erkläre Ihnen jeden Handgriff, bevor ich ihn ausführe.« Er schwieg kurz. »Na also, den kleinen Pieks haben Sie schon überstanden, war’s sehr schlimm?«

      »Nein«, antwortete Anke tapfer, obwohl ihr der Einstich doch ein wenig weh getan hatte. Aber das kam wahrscheinlich daher, weil sie ziemlich verkrampft war.

      »Wir warten jetzt noch einen Moment, bis die Betäubung wirkt«, meinte Dr. Daniel, dann sah er Rainer an. »Und? Geht’s noch, oder wollen Sie doch lieber hinausgehen?«

      Tapfer schüttelte Rainer den Kopf. »Nein, Herr Dr. Daniel, ich bleibe.«

      »Es ist schon seltsam«, meinte Dr. Daniel schmunzelnd. »Jeder Mann wird ziemlich blaß, wenn er einen Arzt mit der Spritze sieht – und dabei nehme ich mich selbst nicht aus. Ich hasse es, Injektionen zu bekommen.«

      Rainer mußte lächeln. »Es ist schön, einem so ehrlichen Arzt zu begegnen. Ich bin sicher, daß es vielen so geht, aber die meisten würden diese Schwäche leugnen.«

      »Da haben Sie recht«, stimmte Dr. Daniel zu. »So, Frau Bergmann, jetzt können wir anfangen.« Er trat zu ihr. »Mit Hilfe eines Katheters spritze ich nun das Kontrastmittel in Ihre Gebärmutter und in die Eileiter. Keine Angst, Sie werden dabei nichts spüren.«

      Dann schob Dr. Daniel das Röntgengerät über ihren Unterleib und machte einige Aufnahmen.

      »So, Frau Bergmann, das war’s«, erklärte er schließlich. »Sie bleiben jetzt noch ein bißchen hier liegen. Die örtliche Betäubung wird bald nachlassen, dann kann Rainer Sie nach Hause bringen.«

      »Und wann erfahre ich das Ergebnis der Untersuchung?« wollte Anke wissen.

      »Rufen Sie mich am Montag hier in der Praxis an«, meinte Dr. Daniel. »Bis dahin habe ich die Aufnahmen.« Er griff nach Ankes Hand und drückte sie sanft. »Machen Sie sich keine Sorgen, Frau Bergmann. Sollten tatsächlich Verwachsungen vorliegen, dann werde ich sofort einen Termin mit Dr. Sommer vereinbaren. Er ist wirklich erstklassig auf dem Gebiet der Mikrochirurgie, und ich bin sicher, daß er Ihnen helfen kann.«

      *

      Doch trotz der tröstenden Worte Dr. Daniels war Anke das ganze Wochenende über nervös und angespannt. Rainer erging es ganz ähnlich. Er hatte die Eindrücke der Untersuchung noch immer nicht richtig verarbeitet. Es schien ihm wie ein Wunder, was man auf diese Art und Weise im Innern eines Körpers alles sehen konnte.

      »Ich fahre morgen erst später in die Fabrik«, erklärte Rainer, als er und Anke am Sonntagabend zu Bett gingen. »Ich will wissen, was bei dieser Untersuchung herausgekommen ist.«

      Anke schlüpfte zu ihm unter die Decke und kuschelte sich ganz nah an ihn. Liebevoll nahm Rainer sie in den Arm.

      »Ich bin so froh, daß ich dich habe«, gestand sie leise. »Wenn du mich verlassen hättest, dann… ich glaube, dann hätte ich nicht länger leben wollen.«

      »Anke, so etwas darfst du nicht einmal denken!« rief Rainer erschrocken, und unwillkürlich meldete sich sein schlechtes Gewissen zurück. Noch vor einer Woche war er so nah daran gewesen, Anke zu verlassen. Es schauderte ihn, wenn er nur daran dachte.

      »Ich liebe dich, Anke«, erklärte er aus diesen Gedanken heraus. »Und ich schwöre dir, daß nichts und niemand jemals zwischen uns treten wird.«

      Ein glückliches Lächeln schlich sich auf Ankes zarte Züge, dann schmiegte sie sich noch näher an Rainer und schlief in seinen Armen ein. Er dagegen lag noch lange wach, und unwillkürlich kam ihm der Taufring in den Sinn, den er während der Hochzeitsreise auf der Bayern gekauft hatte. Jetzt verstand er Ankes damalige Reaktion, und unwillkürlich fragte er sich, ob sie diesen Taufring wohl jemals brauchen würden.

      Egal, dachte er, doch tief in seinem Innern wußte er, daß es ihm nicht ganz so gleichgültig war, ob er Vater würde oder nicht. Er gestand sich sogar ein, daß seine Sehnsucht nach einem Baby außerordentlich groß war.

      Und ohne es wirklich gewollt zu haben, formten seine Gedanken Worte zu einem Gebet. Es war das erste Mal seit Jahren, daß ihm Gott in den Sinn kam, und fast schämte er sich, weil er nur in der Not Zuflucht bei einem Gebet suchte.

      Es ist ja nicht nur um meinetwillen, versuchte er sich vor sich selbst zu verteidigen. Anke wünscht sich auch ein Baby.

      Seine Hand glitt über das seidenweiche Haar seiner jungen Frau, die in seinen Armen so selig schlief, als würde kein Kummer ihr Herz trüben. Und dabei wußte Rainer doch, wie sehr sie unter ihrer Unfruchtbarkeit litt.

      Aber vielleicht hat Dr. Daniel recht, dachte er, und es kommt wirklich alles in Ordnung.

      Mit diesem Gedanken gelang es Rainer endlich einzuschlafen, doch schon am frühen Morgen erwachte er. Auch Anke lag bereits wach neben ihm und starrte blicklos an die Decke. Rainer tastete nach ihrer Hand und drückte sie sanft. Da wandte sie ihm ihren Blick zu.

      »Ich habe Angst«, gestand sie leise.

      »Ich auch«, gab Rainer zu.

      In diesem Augenblick klingelte das Telefon. Wie elektrisiert sprang Anke aus dem Bett und riß den Hörer an ihr Ohr.

      »Bergmann!« Ihre Stimme klang gehetzt.

      »Hier

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