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habe ziemlich heftig reagiert«, bekannte Rainer leise.

      Dr. Daniel spürte die Veränderung, die innerhalb weniger Augenblicke in Rainer vorgegangen war, sofort.

      »Dieser Meinung bin ich auch«, erklärte er, und sein Ton war dabei schon merklich ruhiger. »Du hast deiner Frau sehr weh getan.«

      Rainer donnerte die rechte Faust auf den Tisch. »Verdammt, ja, das weiß ich! An jedem anderen Tag wäre ich…« Wieder senkte er den Kopf. »Nein, das ist keine Entschuldigung.«

      »Was ist keine Entschuldigung?« hakte Dr. Daniel nach. Instinktiv fühlte er, daß bei Rainer noch sehr viel mehr nicht in Ordnung war.

      Der junge Mann seufzte. »Am Freitagfrüh gab es hier im Werk einen Unfall. Aus einer der Kellerleitungen strömte Chlorgas.«

      Dr. Daniel erschrak sichtlich. »Oh, mein Gott.«

      Abwehrend hob Rainer beide Hände. »Wir hatten Glück. Es ist nichts weiter passiert. Zum Zeitpunkt des Unglücks befand sich niemand im Keller, und ich habe die undichte Stelle noch am Freitag richten lassen.« Mit einer müden Handbewegung fuhr er sich über die Augen. In diesem Moment wirkte er sehr deprimiert, und Dr. Daniel fühlte unwillkürlich Mitleid mit ihm.

      »Dein Vater hat dir die Firma in einem entsetzlichen Zustand übergebeben«, stellte er fest.

      Rainer nickte. »Ja, aber davon will er nichts hören. Im Grunde ist es ja auch egal. Ich weiß schon seit Jahren, wie viele Reparaturen fällig sind, und eigentlich müßte ich das Werk vorübergehend schließen, aber… das kann ich mir einfach nicht leisten.«

      »Aber Unfälle dieser Arzt, die noch dazu ein Menschenleben fordern können – die kannst du dir leisten?« fragte Dr. Daniel, und dabei schwang in seiner Stimme ein leiser Vorwurf mit.

      Rainer seufzte wieder. »Das sagt Wenger auch. Der Betriebsratsvorsitzende«, fügte er erklärend hinzu. »Er hat mir mehr oder weniger das Messer auf die Brust gesetzt. Entweder ich lasse innerhalb einer Woche die längst fälligen Reparaturen durchführen, oder meine ganzen Arbeiter treten in den Streik.«

      In diesem Moment dämmerte es Dr. Daniel. »Und das alles hast du am Freitag erfahren, nicht wahr?«

      Rainer nickte. »Ich war fix und fertig, als ich aus dem Werk kam.« Mit gespreizten Fingern fuhr er sich durch die hellbraunen Locken. »Aber das ist keine Entschuldigung für mein Verhalten Anke gegenüber.«

      Da stand Dr. Daniel auf, trat neben ihn und legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Doch, Rainer, es ist eine Entschuldigung – allerdings nur, wenn du noch heute alles wiedergutmachen willst. Deine Frau wartet auf ein versöhnliches Wort von dir.«

      Rainer nickte. »Das wird sie bekommen – ich verspreche es Ihnen, Herr Dr. Daniel.« Er zögerte, wagte es nicht, die Frage, die ihm am Herzen lag, auszusprechen.

      Schmunzelnd beobachtete Dr. Daniel, wie Rainer mit sich rang.

      »Ihre Frau hat am Donnerstag einen Termin bei mir«, erklärte er und wechselte dabei wieder zum Sie. »Bei dieser Untersuchung kann ich feststellen, ob die Eileiter durchlässig sind. Sollte das nicht der Fall sein, dann überweise ich Ihre Frau in eine Münchner Klinik, die ein guter Freund von mir leitet. Er ist ein As auf dem Gebiet der Mikrochirurgie.«

      »Heißt das… Anke hat eine Chance, doch irgendwann schwanger zu werden?« fragte Rainer atemlos.

      Dr. Daniel nickte. »Ja, ich glaube, sie hat gute Chancen – vorausgesetzt, es liegt an den Eileiterverwachsungen.« Dann lächelte er. »Machen Sie sich keine Sorgen. Irgendwie bekommen wir die ganze Sache schon in den Griff. Wichtig ist nur, daß Sie zu Ihrer Frau halten – und zwar auch dann, wenn sich tatsächlich herausstellen sollte, daß sie doch nicht schwanger werden kann.«

      Rainer schluckte. »Ja, Herr Dr. Daniel, ich werde zu Anke halten – in jedem Fall. Und… bitte, bleiben Sie doch ruhig beim Du.«

      Doch da schüttelte Dr. Daniel bestimmt den Kopf. »Nein, Rainer, das gehört sich nicht. Immerhin sind Sie der Chef der CHEMCO.«

      Gegen seinen Willen mußte Rainer lachen. »Ach so, aber wenn Sie mich ausschimpfen, dann gehört es sich.«

      Dr. Daniel stimmte in das Lachen mit ein. »In der Sie-Form kann ich niemanden beschimpfen. Aber das soll ja auch nie wieder vorkommen.«

      »Da haben Sie recht, Herr Dr. Daniel. Ich werde versuchen, Ihnen keinen Grund mehr zu geben, daß sie mit mir schimpfen müssen.«

      *

      Nachdem Dr. Daniel gegangen war, hielt es Rainer nicht mehr in seinem Büro. Er ging ins Vorzimmer hinaus, doch Frau Salling war offensichtlich noch bei Tisch. Rainer zögerte einen Moment, dann trat er an den Schreibtisch und blätterte im Terminkalender. Für heute standen keine wichtigen Termine mehr an. Sicher, er wollte eigentlich noch einmal mit Helmut Wenger sprechen. Vielleicht konnte er die Frist, die der Betriebsratsvorsitzende ihm gesetzt hatte, um eine Woche verlängern, denn es war fast unmöglich, in so kurzer Zeit eine Firma zu verpflichten, die die vielen Reparaturen vornehmen sollte. Doch das Gespräch mit Wenger konnte er auch morgen noch führen.

      Rainer zog den Notizblock heran, griff nach einem Kugelschreiber und hinterließ für Frau Salling eine kurze Mitteilung, das er heute nicht mehr ins Büro kommen würde. In dringenden Fällen sollte sie seinen Vater verständigen. Dann legte er den Block so auf den Schreibtisch, daß die Sekretärin ihn unmöglich übersehen konnte, bevor er das Zimmer verließ.

      Er hatte keine Geduld, um auf den Lift zu warten, sondern lief rasch die Treppe hinunter. Und plötzlich

      schien es ihm, als könnte er gar nicht schnell genug nach Hause kommen. Obwohl die Straßen verhältnismäßig leer waren und er mit seinem Mercedes die Ortsgeschwindigkeit weit überschritt, kam ihm der Weg zur Bergmann-Villa unendlich lang vor.

      Aber schließlich konnte er seinen Wagen doch vor der weit ausladenden Freitreppe anhalten. Er ließ den Schlüssel einfach stecken; irgend jemand würde den Wagen schon in die Garage fahren. Dann lief er die flachen Stufen zum Portal hinauf, hatte nicht die Geduld, nach dem Haustürschlüssel zu suchen, und klingelte daher Sturm.

      Es dauerte nur wenige Sekunden, bis der Butler Johann die Tür aufriß. Seinem sonst immer unbewegten Gesicht war anzusehen, daß er eine scharfe Bemerkung auf der Zunge hatte, doch die verbiß er sich, als er sah, wer da so heftig geklingelt hatte.

      »Tut mir leid, Johann«, entschuldigt sich Rainer knapp. »Ich konnte in der Eile den Schlüssel nicht finden.«

      Johann deutete eine Verbeugung an, doch noch ehe er etwas erwidern konnte, war Rainer schon die geschwungene, mit einem edlen Teppich belegte Treppe hinaufgelaufen.

      Und dann stand er im Wohnzimmer, doch Anke schien nicht hier zu sein. Suchend blickte sich Rainer um. Sollte alle Hast umsonst gewesen sein?

      In diesem Moment hörte er aus dem Bad ein leises Wasserrauschen. Ohne anzuklopfen trat Rainer ein. Anke stand offensichtlich unter der Dusche. Durch das Milchglas konnte er ihren Körper ausmachen.

      Rainer zögerte nur wenige Augenblicke, dann ging er zur Duschkabine, öffnete die Tür und zog Anke in seine Arme. Daß sie völlig naß und mit einem exotisch duftenden Duschgel eingerieben war, störte ihn nicht.

      »Verzeih mir, Liebling«, murmelte er und hielt sie dabei so fest, als wollte er sie nie wieder loslassen.

      Es dauerte ein paar Sekunden, bis Anke diesen Überfall begriffen hatte, dann lächelte sie ihren Mann liebevoll an.

      »Du bist verrückt, Rainer«, meinte sie, und ihre Stimme klang bei diesen Worten so zärtlich wie nie zuvor. »Die Flecken bekommst du nie wieder aus deinem Anzug heraus.«

      »Na und?« entgegnete Rainer nur. »Dann schmeiße ich ihn eben weg.«

      Er beugte sich zu Anke hinunter und küßte sie.

      »Ich liebe dich«, bekannte er. »Und ich verspreche dir, daß ich mich niemals wieder so aufführen werde, wie ich es am Freitag getan haben.«

      Da

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