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nahm er Anke liebevoll in den Arm. »Komm, Liebes, sag einfach, was los ist, ja?«

      Da schlang Anke beide Arme um Rainers Nacken und brach an seiner Schulter in Tränen aus.

      »Ich kann kein Baby bekommen«, brachte sie unter Schluchzen mühsam hervor.

      Sie spürte, wie Rainer in ihren Armen steif wurde, dann schob er sie sehr energisch von sich. Der Blick seiner Augen war plötzlich hart und kalt.

      »Was soll das heißen?« fragte er, und seine Stimme klang dabei völlig fremd.

      Sekundenlang schloß Anke die Augen.

      Aus, dachte sie. Seine Reaktion ist nur zu deutlich. Gleichgültig, was ich noch sagen werde – er wird mich verlassen.

      »Ich war fünfzehn«, begann sie leise zu erzählen. »Mein Hausarzt diagnostizierte bei mir eine akute Blinddarmentzündung und überwies mich ins Krankenhaus. Dort wurde ich operiert, und später sagten mir die Ärzte, daß ich irgendwelche Verwachsungen hätte und deshalb niemals Kinder bekommen könnte.«

      Rainer stand auf und ging erregt im Zimmer auf und ab, dann blieb er dicht vor seiner Frau stehen und blickte zu ihr hinunter. Anke fühlte sich wie das Kaninchen vor der Schlange.

      »Und warum erfahre ich das erst heute?« Noch immer klang Rainers Stimme sehr eisig.

      Anke schluckte. »Ich… ich hatte einfach Angst. Ich hatte Angst, daß du mich verlassen würdest.«

      Rainer nickte. »Diese Angst bestand nicht zu Unrecht. Wenn ich gewußt hätte, daß du keine Kinder bekommen kannst, hätte ich dich nicht geheiratet.«

      Die Worte trafen Anke bis ins Innerste.

      »Rainer«, stammelte sie verzweifelt. »Ich… ich dachte, du liebst mich.«

      Abrupt wandte er sich ab, damit Anke nicht bemerkte, welch ein Sturm in ihm tobte. Natürlich liebte er sie! Aber unwillkürlich mußte er an die Worte seines Vaters denken.

      »Ich wette, daß diese Gazelle dir nicht einmal Söhne gebären kann.«

      Wenn es nur das wäre, dachte Rainer verbittert, aber sie wird mir überhaupt keine Kinder schenken können.

      Und dabei stieg wieder Wut in ihm hoch. Warum, zum Teufel, hatte sie es ihm nicht vorher gesagt?

      »Ich war bei Dr. Daniel«, drang Ankes Stimme in seine Gedanken.

      Rainer fuhr herum. »Und? Was sagt er?«

      Anke versuchte, das Zittern ihrer Hände zu unterdrücken, doch es wollte ihr nicht recht gelingen.

      »Er… er will mich einigen Untersuchungen unterziehen«, erklärte sie mühsam. »Blutuntersuchungen, Abstrich…«

      Abwehrend hob Rainer eine Hand. »So genau will ich es gar nicht wissen.« Er schwieg kurz. »Besteht eine Chance, daß du irgendwann doch noch schwanger werden kannst?«

      Anke zuckte die Schultern. »Ich weiß es nicht. Dr. Daniel sagt, gerade auf diesem Gebiet hätte die Medizin in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Er sprach von Mikrochirurgie und Zeugung außerhalb der Gebärmutter, aber…

      Rainer unterbrach sie mit einer energischen Handbewegung. »Kommt nicht in Frage! Entweder du wirst auf normalem Weg schwanger oder überhaupt nicht. Ein Baby aus dem Reagenzglas will ich nicht haben.«

      Anke schluckte schwer. »Das hat Dr. Daniel ja nur vorgeschlagen für den Fall, daß alle anderen Möglichkeiten versagen sollten.« Wieder senkte sie den Kopf. »Es kann auch sein, daß er dich zu einigen der nötigen Untersuchungen braucht.«

      »Auch das kannst du dir sofort abschminken«, wehrte Rainer barsch ab. »Ich werde keinen Fuß in eine Frauenarztpraxis setzen. So, und jetzt möchte ich schlafen. Du kannst das Schlafzimmer benutzen, ich übernachte hier.«

      Das war deutlich. Rainer wollte also nicht einmal mehr das Zimmer mit ihr teilen.

      Mit Tränen in den Augen trat Anke zur Schlafzimmertür, doch dort drehte sie sich noch einmal um und streckte wie bittend eine Hand aus.

      »Rainer…«

      Er wandte ihr den Rücken zu. »Laß mich bitte allein.«

      Mit einem heftigen Schluchzen riß Anke die Tür auf, lief ins Schlafzimmer und warf sich weinend auf das breite Bett. Sie fühlte sich totunglücklich und entsetzlich einsam.

      *

      Der Sonntag verlief für die Familie Daniel äußerst geruhsam. Mittags hatte Dr. Daniel hinten im Garten den Grill aufgestellt und ein paar Koteletts auf den Rost gelegt. Der verführerische Duft weckte in allen einen wahren Heißhunger.

      »Mann, bin ich jetzt aber vollgepfropft«, stöhnte Karina schließlich und ließ sich auf dem Gartenstuhl zurücksinken. »Noch einen Bissen, und ich platze.«

      Dr. Daniel lachte. »So schnell geht das nicht. Außerdem wirst du dieses feudale Essen sofort wieder abarbeiten.« Er stand auf. »Wir erledigen jetzt gemeinsam den Abwasch, und dann machen wir einen ausgedehnten Spaziergang. Und wenn ihr danach wieder ein bißchen Hunger verspürt, lade ich die beiden Damen ins Waldcafé ein.«

      Karina leckte sich die Lippen. »Mhm, die haben dort so ausgezeichnete Torten. Ich glaube, da kann ich nicht widerstehen.«

      »Also dann – an die Arbeit«, kommandierte Irene. »Obwohl ich mir im Augenblick überhaupt nicht vorstellen kann, jemals wieder etwas zu essen, läuft mir beim Gedanken an die erstklassige Erdbeertorte, die sie im Waldcafé haben, doch schon das Wasser im Mund zusammen.«

      Zu dritt war der Abwasch rasch erledigt, und so schlenderten Dr. Daniel, seine Schwester und Karina schon eine knappe Stunde später den Hang hinunter und schlugen dann den Weg zum Waldsee ein. Das glasklare Wasser glitzerte im Sonnenlicht und lud zum Baden ein, doch wenn man die eisige Quelle kannte, die den See speiste, dann konnte man sich diesen Wunsch sofort wieder verkneifen.

      Mit einem wohligen Seufzer ließ sich Karina in das duftende Gras sinken, legte sich zurück und blinzelte zu dem blauen Himmel hinauf. Die Wipfel der majestätischen Tannen, die den See säumten, wiegten sich im sanften Sommerwind.

      »Ich kann Stefan nicht verstehen«, meinte Karina. »Hier ist es so still und friedlich – gar kein Vergleich zu der hektischen Stadt.« Wieder seufzte sie. »Ich wünschte, ich könnte immer hier sein.«

      Auch Dr. Daniel und Irene ließen sich am Ufer des Sees nieder.

      »Ich erinnere mich noch genau, als ich das erste Mal hier war«, meinte Dr. Daniel. »Damals kannte ich Christine gerade vier Wochen.« Er schwieg, denn die Erinnerung an seine Frau war noch immer schmerzlich für ihn.

      Karina spürte, was in ihrem Vater vorging, und versuchte ihn abzulenken.

      »Ist der Wald jetzt eigentlich Gemeindegebiet, oder gehört er auch schon den Bergmanns?« fragte sie.

      Das Ablenkungsmanöver gelang. Dr. Daniel sah sich um und überlegte angestrengt.

      »Soweit ich informiert bin, gehören die angrenzenden Grundstücke dem alten Bergmann«, erklärte er dann. »Der Wald selbst müßte dagegen noch immer Eigentum der Gemeinde sein.«

      Sinnend blickte Karina in das glitzernde Wasser. »Die stinken förmlich vor Geld.« Dann schüttelte sie den Kopf. »Hoffentlich fällt es dem alten Bergmann nicht noch ein, daß er hier eine Zweigstelle seiner gefährlichen Chemiefabrik bauen könnte.«

      »So etwas würde ihm niemals genehmigt«, entgegnete Dr. Daniel voller Überzeugung. »Der Wald und das angrenzende Sumpfgebiet stehen unter Naturschutz. Hier leben Tiere, die andernorts gar nicht mehr existieren könnten. Und auch vom Aussterben bedrohte Pflanzen gibt es hier noch.« Er schüttelte den Kopf. »Nein, ein zweites Chemiewerk wird es in Steinhausen und Umgebung bestimmt nicht geben. Uns reicht das eine schon voll und ganz«, fügte er leise hinzu.

      »Ist es denn nicht besser geworden, seit Rainer Chef des Unternehmens ist?« wollte Karina wissen.

      »Kaum.

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