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Dr. Daniel Paket 1 – Arztroman. Marie Francoise
Читать онлайн.Название Dr. Daniel Paket 1 – Arztroman
Год выпуска 0
isbn 9783740948535
Автор произведения Marie Francoise
Жанр Языкознание
Серия Dr. Daniel Paket
Издательство Bookwire
Lena Kaufmann hatte sich in der Zwischenzeit ins Labor zurückgezogen. Selten genug kam es ja vor, daß sie die Arbeiten hier noch während der Vormittagssprechstunde erledigen konnte. Meistens ging es in der Praxis zu wie auf dem Wochenmarkt, aber heute war es ausnahmsweise einmal sehr ruhig.
Das fiel auch Dr. Daniel auf.
»Sind wir heute schon fertig?« fragt er, nachdem Lena ihm keine weitere Karteikarte mehr auf den Schreibtisch gelegt hatte.
»Ja, Herr Doktor«, antwortete sie. »Frau Weinzierl hat kurzfristig abgesagt, und mehr Patientinnen waren für heute vormittag nicht angemeldet.
Dr. Daniel lächelte. »Na, uns soll’s recht sein, nicht wahr?« Er setzte seine Unterschrift auf die von Gabi bereitgelegten Rechnungen, dann warf er einen Blick auf seine Armbanduhr. »Da es im Augenblick hier nichts mehr für mich zu tun gibt, werde ich hinaufgehen und einen Happen essen. Frau Koenig hat mich um einen Hausbesuch gebeten. Ich werde also etwa eine Stunde weg sein.«
»Ist in Ordnung, Herr Doktor«, erklärte Lena Kaufmann und schrieb ihren Chef insgeheim für zwei Stunden ab. Schließlich kannte sie die gesprächige Frau Koenig, die den Doktor immer nur zu sich rief, um ausgiebig mit ihm plaudern zu können. Die alleinstehende Dame war eine von vielen, die in Dr. Robert Daniel ein wenig verliebt waren.
»Wenn wichtige Anrufe kommen, dann stellen Sie sie bitte nach oben durch«, wandte er sich schließlich noch an Gabi Meindl. »Spätestens um zwei Uhr bin ich wieder in der Praxis. Ich schätze nämlich, daß sich die Patientinnen heute nachmittag wieder die Klinke in die Hand geben. Ein ruhiger Vormittag kann ja nur einen stressigen Nachmittag zur Folge haben.« Er nickte den beiden Damen zu. »Mahlzeit zusammen.«
Dann verließ er die Praxis und lief – immer zwei Stufen auf einmal nehmend – die Treppe hinauf. Als er seine Wohnung betrat, duftete es schon nach Kartoffelpuffer – oder Reiberdatschi, wie Christine, seine verstorbene Frau, immer gesagt hatte.
»Mhm, eine meiner Leibspeisen«, schwärmte Dr. Daniel und warf einen Blick in die Küche. Auf der Anrichte stand eine Schüssel Apfelmus, das seine Schwester offensichtlich schon in aller Frühe gekocht hatte.
»Setz dich gleich hier an den kleinen Tisch«, meinte Irene und wies mit dem Schöpflöffel nach hinten, dann stellte sie einen Teller vor ihn und stapelte vier knusprige goldbraune Kartoffelpuffer darauf.
»Ich habe gesehen, daß die junge Frau Bergmann heute bei dir in der Praxis war«, erklärte sie wie nebenbei.
Dr. Daniel grinste. »Neugierde, dein Name ist Weib.«
Irene grummelte etwas Unverständliches, und Dr. Daniel war sicher, daß es sich um keine freundliche Bemerkung gehandelt haben konnte.
»Ach komm, Irenchen, du weißt ganz genau, daß ich über die Fälle aus meiner Praxis nicht sprechen darf«, versuchte er seine Schwester zu besänftigen.
»Natürlich weiß ich das«, entgegnete Irene sehr von oben herab, was normalerweise gar nicht ihre Art war. »Ich habe ja auch nur gesagt, daß ich sie gesehen habe. Das heißt noch lange nicht, daß ich auch wissen will, weshalb sie bei dir war.«
»Dr. Daniel hatte Mühe, ein Grinsen zu unterdrücken, doch er wußte, daß Irene es ihm niemals verzeihen würde, wenn er diesem Impuls nachgäbe. Sie bemühte sich so verzweifelt, ihre Neugier nicht zu zeigen, und dabei wußte Dr. Daniel ganz genau, daß sie förmlich darauf brannte, den Grund für Anke Bergmanns Besuch zu erfahren.
»Deine Reiberdatschi sind wirklich ausgezeichnet«, lenkte Dr. Daniel jetzt ab. Er unterlag nun mal der Schweigepflicht, und die brach er nicht einmal gegenüber seiner Schwester.
Dabei fiel ihm das Gespräch wieder ein, das er gerade mit Anke Bergmann geführt hatte, und er fragte sich, wie Rainer wohl reagieren mochte, wenn seine Frau ihm die Wahrheit sagen würde.
Er kannte Rainer Bergmann schon seit dreißig Jahren. Damals war Dr. Daniel jung verheiratet nach Steinhausen gekommen und hatte in München sein Medizinstudium fortgesetzt, während Christine für ihren gemeinsamen Lebensunterhalt gesorgt hatte, was ihr angesichts der vermögenden Verhältnisse, aus denen sie gestammt hatte, nicht sehr schwergefallen war. Dr. Daniel war oft nur am Wochenende nach Hause gekommen, trotzdem war ihm der Name Rainer Bergmann rasch ein Begriff geworden.
Rainer war damals gerade acht Jahre alt und der schlimmste Rabauke von ganz Steinhausen gewesen. Nichts war vor ihm sicher gewesen – weder die Fenster des Schulhauses noch die Kirschen im Pfarrgarten. Trotzdem hatte Dr. Daniel ihn gleich auf Anhieb gemocht. Und seltsamerweise war er auch nie Opfer eines von Rainers bösen Streichen geworden. Dann war der Lausbub von damals zu einem jungen Mann herangewachsen. Er war Chemiker geworden und hatte im Betrieb seines Vaters ganz von unten anfangen müssen. Martin Bergmann hatte seinem Sohn wahrlich nichts geschenkt, und heute war Rainer Chef der CHEMCO und Ehemann einer zauberhaften Frau, die keine Kinder bekommen konnte und ihrem Mann diese Tatsache auch noch verschwiegen hatte. Wie würde er darauf reagieren?
»Ich habe Angst, daß Rainer die Ehe annulieren läßt«, hatte Anke Bergmann gesagt, und Dr. Daniel mußte unwillkürlich denken, daß diese Angst durchaus berechtigt war. Obwohl Rainer aus Liebe geheiratet hatte und seine Frau nach wie vor liebte, hielt Dr. Daniel ihn für fähig, diese Ehe für ungültig erklären zu lassen. Was das für Anke bedeuten würde, wagte er sich gar nicht auszumalen.
*
Diese Gedanken beschäftigten auch Anke und ließen sie den ganzen Tag über nicht zur Ruhe kommen. Sie wußte, daß sie mit Rainer sprechen mußte, und sie wußte auch, daß das sehr bald geschehen mußte, wenn sie die ganze Sache nicht noch verschlimmern wollte. Vermutlich war es jetzt schon schlimm genug.
Doch als Rainer am Abend aus dem Werk kam und sie zur Begrüßung liebevoll küßte, brachte Anke es wieder nicht über sich, ihm die Wahrheit zu gestehen.
Mit einem tiefen Seufzer ließ sich Rainer auf einen der bequemen Wohnzimmersessel fallen.
»Mann, bin ich heute geschafft«, stöhnte er, dann fuhr er sich mit einer Hand durch die dichten Locken. »Mein Vater hat die CHEMCO in letzter Zeit viel mehr vernachlässigt, als ich gedacht hatte. Heute bin ich schon wieder auf ein undichtes Rohr gestoßen, und wenn in diesem Raum jemand gearbeitet hätte, dann wäre er jetzt wahrscheinlich tot.« Rainer schauderte allein bei dem Gedanken daran. »Normalerweise sollte ich das Werk vorübergehend schließen und sämtliche Einrichtungen genauestens überprüfen lassen.« Er seufzte. »Aber das kann ich mir leider nicht leisten.»
Völlig konsterniert starrte Anke ihn an. »Wie bitte?« Sie dachte an die vielen teuren Geschenke, die Rainer ihr in den fünf Jahren, die sie sich jetzt kannten, gemacht hatte, und auch an all die Bediensteten, die hier in der Villa beschäftigt waren. Sie selbst hatte ja ebenfalls eine Zofe – ein Umstand, an den sie sich noch immer nicht recht hatte gewöhnen können. Schließlich stammte sie ja aus sehr einfachen Verhältnissen.
Rainer zog sie auf seinen Schoß und lächelte sie liebevoll an. »Ich weiß, daß das für dich seltsam klingen mag, aber schau, Liebes, ich müßte die CHEMCO für mindestens ein halbes Jahr schließen, während dieser Zeit aber alle Gehälter weiter bezahlen, ganz zu schweigen von den endlos vielen Reparaturen, die sicherlich fällig wären. Aber ein stillgelegtes Werk bringt keinen Verdienst. Umgerechnet auf ein halbes Jahr würde mich das ein Vermögen kosten, und das kann ich mir beim besten willen nicht leisten.«
Verständnislos schüttelte Anke den Kopf. »Aber… dann bringst du ja deine Leute in Gefahr… in Lebensgefahr sogar.«
Rainer nickte. »Das weiß ich. Und ich selbst bin mindestens genauso gefährdet, denn ich bin kein Chef, der vom Schreibtisch aus regiert, wie mein Vater das früher getan hat.« Er zuckte die Schultern. »Natürlich lasse ich das Werk überprüfen und die nötigen Repraraturen durchführen, aber das muß während der Arbeitszeit geschehen, ich kann nur hoffen, daß uns wirklich schwere Unfälle erspart bleiben.« Dann warf er einen Blick auf seine Armbanduhr. »Ich glaube, es wird Zeit, daß wir zum Abendessen hinuntergehen.«
Anke nickte und konnte