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und Irene hatte sich mit der Haushälterin des Pfarrers zum Kaffeeplausch verabredet. Karina hatte ursprünglich mit Markus etwas unternehmen wollen, doch der hatte am frühen Nachmittag angerufen und abgesagt, weil sein Auto wieder mal streikte.

      Jetzt saßen Vater und Tochter auf dem weit ausladenden windgeschützten Balkon. Karina hatte Kaffee gekocht, und Dr. Daniel war rasch in das nahegelegene kleine Waldcafé gefahren, um Kuchen zu besorgen.

      »Du bist so still, Papa«, bemerkte Karina. »Gibt’s Probleme in der Praxis?«

      Dr. Daniel schüttelte den Kopf. »Nein, keineswegs. Es ist nur…« Jetzt sah er seine Tochter an. »Sag mal, Karina, das mit dir und Markus… ist das ernst?«

      Ein wenig verdutzt betrachtete Karina ihn. »Wie bitte?« Und dann lachte sie plötzlich auf. «Mensch, Papa, du bist ja richtig eifersüchtig!«

      »Fang du nicht auch noch mit diesem Unsinn an«, knurrte Dr. Daniel. »Irene geht mir damit schon genug auf die Nerven.«

      Karina grinste. »Aber es stimmt doch. Der liebe Papi will sein Herzblatt nicht hergeben, habe ich recht?« Dann stand sie auf und umarmte ihren Vater. »Ach, Papa, ich hab’ dich lieb. Und du brauchst dir auch gar keine Sorgen zu machen. Im Augenblick denke ich noch nicht ans Heiraten.«

      Dr. Daniel versuchte, seine Erleichterung nicht allzu deutlich zu zeigen.

      Karina setzte sich wieder und lächelte ihn an. »Weißt du, Papa, das mit Markus und mir… wir gehen zwar zusammen, aber…« Sie zögerte. »Damals, als er mir mit seiner Schwester ein Liebespaar vorgespielt hat, da wurde ich richtig eifersüchtig, doch jetzt… ich weiß nicht so recht.« Wieder schwieg sie kurz. »Markus ist sehr intelligent, und er ist mit Abstand der beste in meiner Studienklasse. Er wird bestimmt mal ein ausgezeichneter Jurist. Ich schätze ihn sehr, aber als künftiger Ehemann kann ich ihn mir eigentlich gar nicht so recht vorstellen.« Sie zuckte die Schultern. »Na, ja, das wird die Zukunft schon noch zeigen.«

      Sinnend lehnte sich Dr. Daniel zurück. » Als ich deine Mutter kennenlernte, da wußte ich sofort, daß sie die Richtige war.«

      Karinas Augen leuchteten. »Siehst du, Papa, so stelle ich es mir auch vor. Um mit Julius Cäsars Worten zu sprechen: ›Er kam, sah und siegte‹.«

      Jetzt mußte Dr. Daniel lachen. »Du bist ja noch romantischer veranlagt als ich! Und so etwas will Juristin werden. Ist dir das nicht zu trocken?«

      »Doch, eigentlich schon«, gab Karina zu. »Die Medizin hätte mich mehr gereizt, aber bei unserem

      Überangebot an Ärzten hier im Haus…« Sie grinste. »Du Arzt, Stefan angehender Arzt – ich glaube, das reicht für eine Familie.«

      »Das sollte man meinen«, erklärte Dr. Daniel, doch dabei schwang ein seltsam melancholischer Unterton in seiner Stimme mit, den Karina unschwer heraushören konnte.

      »Was soll das heißen, Papa?«

      Dr. Daniel seufzte. »Ich habe mich unheimlich gefreut, als sich Stefan für ein Medizinstudium entschlossen hat. Immerhin habe ich unten die große Praxis, und es ist ein schönes Gefühl zu wissen, an wen man sie einmal weitergibt.«

      Prüfend sah Karina ihren Vater an. »Du glaubst also noch immer, daß Stefan sie nicht haben will?«

      Da zuckte Dr. Daniel die Schultern. »Ich weiß es nicht. Anfangs dachte ich, es wäre nur eine Laune von ihm, aber vor ein paar Wochen hat er wieder gesagt, daß er mal an eine Klinik möchte. Und es schien mir, als wäre es ihm sehr ernst damit.«

      Gelassen winkte Karina ab. »Ach komm, Papa, Stefan sagt doch fast jeden Tag etwas anderes. Und das ist auch ganz logisch. Er kennt einen Krankenhausbetrieb ja gar nicht richtig. Warte ab, bis er sein Studium hinter sich hat und Assistenzarzt ist. Ob es ihm nach zwei Jahren an einer Klinik immer noch so gut gefällt, ist nicht sicher. Und dann muß er erst noch seinen Facharzt machen. Da gehen etliche Jährchen ins Land, in denen Stefan seine Meinung vermutlich noch oft ändern wird. Aber ich bin sicher, daß er die Praxis irgendwann übernehmen wird.« Sie lächelte. »Vorausgesetzt, er will überhaupt Gynäkologe werden.«

      Auch Dr. Daniel lächelte. »Bis jetzt wohl noch, aber auch das wird sich vermutlich erst später endgültig herausstellen.«

      Liebevoll legte Karina, einen Arm um die Schultern ihres Vaters. »Keine Angst, Papa, deine Praxis kommt schon in die richtigen Hände. Wenn Stefan sie wirklich nicht haben will, dann sattle ich einfach um und studiere doch noch Medizin.«

      *

      Die Bayern erreichte den Hafen von Rio de Janeiro in den frühen Morgenstunden. An Rainers Seite stand Anke an der Reling und blickte fasziniert zu der erwachenden Stadt hinüber. Hinter dem Corcovado ging langsam die Sonne auf und tauchte die aufs Meer hinausgrüßende Christusstatue in goldenes Licht.

      »Oh, Rainer, ist das schön!« jauchzte Anke auf. »Wann können wir von Bord?«

      »Nach dem Frühstück«, antwortete er, dann legte er einen Arm um ihre Schultern und drückte sie zärtlich an sich. Und wie jedesmal, wenn er sie berührte, ergriff Anke ein leichter Schwindel – ein Schwindel des Glücks.

      Seit der Hochzeit war sie sich ihrer Liebe zu Rainer erst so richtig bewußt geworden. Sie brauchte ihn wie die Luft zum Atmen; ohne ihn war sie nur die Hälfte eines Ganzen, und fast erschrak sie ein wenig über die Bedingungslosigkeit ihrer Gefühle – und über ihre Abhängigkeit, die sich daraus ergab.

      Wenn er mich jemals verläßt, dann sterbe ich, dachte sie. Ohne Rainer ist mein Leben nichts mehr wert.

      »Komm, Liebling, gehen wir frühstücken«, meinte Rainer und riß sie aus ihren Gedanken heraus. »Um neun Uhr etwa geht das erste Boot von der Bayern weg.«

      Das Mittagessen genossen sie dann auch schon in einem Restaurant in Rio. Rainer, der sich bereits zum zweitenmal in Brasilien aufhielt, übernahm die Bestellung.

      Ein wenig mißtrauisch betrachtete Anke das kleine Gläschen Schnaps, das der Ober ihr wenig später servierte. Abgesehen von einem gelegentlichen Glas Wein trank sie keinen Alkohol.

      »Du weißt doch, daß ich nie harte Sachen trinke«, erklärte sie.

      Rainer lächelte. »Mach ruhig mal eine Ausnahme, Liebes. Damit bekommt dir das brasilianische Essen besser.« Und erklärend fügte er hinzu: »Das ist ein Cachaca. So nennt man den brasilianischen Zuckerrohrschnaps.«

      Anke sah zu, wie Rainer sein Glas in einem Zug leerte, dann holte sie tief Atem und tat es ihm gleich. Ein heftiger Hustenanfall war das Ergebnis.

      »So etwas trinke ich bestimmt nicht wieder«, schwor sie, als sie wieder Luft bekam.

      Dafür sagte ihr das brasilianische Nationalgericht Feijoada completa, eine Art Eintopf aus verschiedenen Fleisch- und Wurtsorten mit schwarzen Bohnen, sehr zu. Doch als der Ober ihr nachher noch einen Cachaca servieren wollte, lehnte sie hastig ab.

      Gleich nach dem Mittagessen führte Rainer seine junge Frau durch die Stadt. Fasziniert betrachtete Anke die kahlen Überreste des einstigen Küstenverlaufs und war hingerissen von den im Hintergrund schimmernden bewaldeten Hängen des Tijua-canmassivs.

      Rainer steuerte nahezu auf direktem Weg den Zuckerhut –eines der Wahrzeichen Rios – an. Die Kabinenbahn brachte sie in zwei Etappen von je fünf Minuten nach oben. Schon auf dem Morro Urca – der Zwischenstation – war Anke hellauf begeistert über den Ausblick, denn sie sah überall unter sich Strand, Stadt und Meer in seltener Harmonie.

      Dann erreichten sie die Spitze des Zuckerhuts, und Anke war sprachlos angesichts der Aussicht, die nicht umsonst als der schönste Blick der Welt gerühmt wird. Erst nach Minuten fand sie wieder Worte, doch dann war sie kaum noch zu bremsen.

      »Rainer, sieh doch nur!« rief sie immer wieder begeistert aus, als sie jetzt die gesamte Bucht von Guanabara mit dem Häusermeer Rios überblicken konnte. Leider ließ die Smogwolke, die über der Stadt hing, den Corcovado mit der Christusstatue hinter einem Schleier verschwinden, doch dafür sahen sie die Strände von Flamengo und Botafogo und die schlanke Linie

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