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daß er sein Versprechen, das er mir an seinem Hochzeitstag gegeben hat, einhalten wird. Rainer ist nicht wie sein Vater.«

      Und dabei mußte Dr. Daniel unwillkürlich an Anke Bergmann denken. Ob sie ihrem Mann wohl schon die Wahrheit gestanden hatte? Und wenn ja, wie mochte Rainer dieses Geständnis wohl aufgenommen haben?

      Na ja, morgen werde ich es erfahren, dachte Dr. Daniel, und er hoffte inständig, daß Rainer trotz allem fest zu seiner Frau stehen würde.

      *

      Das Wochenende war in eisigem Schweigen verlaufen. Anke hatte ein paarmal versucht, es zu brechen, doch Rainer hatte jedes Gespräch, das sie begann, schon im Keim erstickt. Und so war Anke froh, als dieses unselige Wochenende endlich vorüber war und Rainer am Montag sehr früh ins Werk fuhr. Zwei Stunden später machte sie sich auf den Weg zu Dr. Daniel.

      »Guten Morgen, Fräulein Meindl«, begrüßte sie die junge Empfangsdame.

      Gabi Meindl lächelte ihr freundlich zu. »Guten Morgen, Frau Bergmann. Bitte nehmen Sie einen Augenblick im Wartezimmer Platz. Frau Kaufmann wird Sie dann zur Blutabnahme holen.«

      Die Empfangsdame wartete noch, bis Anke im Wartezimmer verschwunden war, dann stand sie auf und betrat das geräumige Labor.

      »Die junge Bergmann ist gerade gekommen«, erzählte sie. »Meine Güte, die sieht heute aber schlecht aus – ganz blaß, mit tiefen Ringen unter den Augen. Ich schätze, die hat Krach mit ihrem Mann. Und das schon nach so kurzer Zeit der Ehe.«

      Lena Kaufmann seufzte. »Fräulein Meindl, Sie sollten sich wirklich mehr um sich als um andere Frauen kümmern.« Dann verließ sie ohne ein weiteres Wort das Labor.

      Verdutzt blieb Gabi Meindl zurück. Es dauerte ein paar Sekunden, bis sie sich fassen konnte, dann ging wie wieder zu ihrem Schreibtisch und setzte sich.

      »Allerhand«, grummelte sie vor sich hin. »Was glaubt diese Kaufmann eigentlich, wer sie ist? Nur weil sie doppelt so alt ist wie ich…«

      Die nächste eintretende Patientin unterbrach Gabis Selbstgespräch. Mit einem unverbindlichen Lächeln wandte sie sich der Dame zu. Für den Augenblick waren sowohl Anke Bergmann als auch die Sprechstundenhilfe vergessen.

      Währenddessen hatte Lena Kaufmann Anke aus dem Wartezimmer geholt.

      »So, Frau Bergmann, jetzt muß ich Sie ein bißchen pieksen«, erklärte die Sprechstundenhilfe. »Ich brauche nämlich eine ganze Menge Blut von Ihnen.« Sie lächelte Anke freundlich zu. »Es wird aber nicht weh tun.«

      Anke zwang sich zu einem tapferen Lächeln. Die letzten Blutabnahmen, die sie über sich hatte ergehen lassen müssen, waren ausgesprochen schmerzhaft gewesen.

      »Ich habe ziemlich schlechte Venen«, erklärte sie, und Lena Kaufmann hörte an ihrer Stimme, daß sie Angst hatte.

      »Keine Sorge«, meinte sie beruhigend. »Das kriegen wir schon hin.«

      Sie legte einen Gurt um Ankes rechten Oberarm und bat sie dann, die Faust zu ballen. Mit dem Mittelfinger strich sie über Ankes rechten Oberarm und bat sie dann, die Faust zu ballen. Die Venen waren in der Tat kaum zu ertasten.

      »Na, da haben wir ja schon eine«, erklärte die Sprechenstundenhilfe betont munter, dann setzte sie mit äußerster Konzentration die Nadel an und stach vorsichtig in die Vene ein.

      Verblüfft schaute Anke ihr zu. »Meine Güte, das hat noch nie jemand beim ersten Mal geschafft.« Und jetzt konnte sie wirklich lächeln. »Sie sind eine erstklassige Sprechstundenhilfe.«

      Lena Kaufmann errötete ein wenig. »Ach was.« Sie konzentrierte sich auf ihre Arbeit, und erst, als sie die Nadel wieder herausgezogen und die Einstichstelle versorgt hatte, sah sie Anke wieder an. »Wissen Sie, ich habe ein paar Jahre auf einer Krebsstation gearbeitet. Die Patienten dort haben oftmals noch viel schlechtere Venen als Sie, und trotzdem muß man es irgendwie schaffen, ihnen Blut abzunehmen. Da lernt man schnell, jede noch so dünne Vene zu ertasten.« Sie lächelte. »So, Frau Bergmann, jetzt dürfen Sie noch mal im Wartezimmer Platz nehmen. Ich hole Sie dann, sobald der Herr Doktor frei ist.«

      Es dauerte auch wirklich nicht lange, bis Anke ins Sprechzimmer gerufen wurde. Und wie Gabi Meindl fiel auch Dr. Daniel sofort das schlechte Aussehen seiner Patientin auf.

      »Ich nehme an, Sie haben mit Rainer gesprochen«, vermutete er.

      Anke nickte, dann brach sie plötzlich in Tränen aus.

      »Bitte, verzeihen Sie«, brachte sie mühsam hervor. »Ich bin sonst wahrlich keine Heulsuse, aber…« Sie konnte nicht mehr weitersprechen.

      Dr. Daniels Stirn legte sich in bedrohliche Falten. Sollte Rainer tatsächlich die Unverfrorenheit besessen haben und seiner Frau mit der Annulierung der Ehe gedroht haben?

      »Können Sie mir von dem Gespräch mit Ihrem Mann erzählen?« fragte er behutsam.

      Anke nickte. »Es war am Freitag. Er kam spät nach Hause, weil es im Werk einen Unfall gegeben hatte, aber… ich wollte einfach nicht mehr länger warten. Rainer mußte doch die Wahrheit erfahren.« Mit großen, traurigen Augen blickte sie den Arzt vor sich an. »Er war so… kalt. Und er hat gesagt, daß er mich niemals geheiratet hätte, wenn er gewußt hätte…« Wieder versagte Ankes Stimme. Es dauerte eine Weile, ehe sie fortfahren konnte. »Dann hat er mir das Schlafzimmer überlassen, und er hat im Wohnzimmer auf dem Sofa übernachtet.« Sie senkte den Blick. »Seitdem schlafen wir getrennt. Und das ganze Wochenende über hat er kein Wort mit mir gesprochen. Ich fühle mich wie eine Schwerverbrecherin… wie eine Aussätzige.«

      Dr. Daniel stand hinter seinem Schreibtisch auf, dann ging er mit langen Schritten im Zimmr auf und ab. Schließlich blieb er vor Anke stehen.

      »Haben Sie ihm erzählt, daß Sie bei mir waren?«

      Wieder nickte Anke. »Ich habe die mikrochirurgischen Eingriffe erwähnt und auch… die… Zeugung außerhalb der Gebärmutter, aber…« Sie schluchzte auf. »Das alles kommt für Rainer nicht in Frage. Ich muß auf natürliche Weise schwanger werder oder… gar nicht.«

      »Na warte, mein Junge«, knurrte Dr. Daniel, dann wandte er sich Anke zu. »Mit Ihrer Erlaubnis, Frau Bergmann, werde ich mir Ihren Mann mal vorknöpfen.«

      Anke erschrak. »Ich weiß nicht, ob das gut ist, Herr Doktor. Rainer ist manchmal sehr jähzornig, und wenn Sie mit ihm sprechen, könnte es die Sache vielleicht nur noch schlimmer machen.«

      »Das glaube ich kaum«, entgegnete Dr. Daniel sehr ernst. »Meines Erachtens kann die Situation für Sie gar nicht mehr schlimmer werden. Außerdem kenne ich Rainer seit vielen Jahren.«

      Anke senkte den Kopf. Dr. Daniel hatte recht. Schlimmer konnte es wirklich nicht werden. Langsam hob sie den Blick und sah den Arzt wieder an.

      »Gut, Herr Doktor, wenn Sie es für richtig halten, dann sprechen Sie mit ihm.«

      Dr. Daniel nickte, dann griff er nach dem Telefonhörer und wählte eine Nummer.

      »Das Vorzimmer von Herrn Bergmann, bitte«, verlangte er knapp.

      Es dauerte ein paar Sekunden, dann sprach Dr. Daniel wieder.

      »Sind Sie die Sekretärin von Herrn Bergmann?« Er erhielt offenbar eine positive Antwort, denn er fuhr sogleich fort: »Hier Dr. Robert Daniel. Ich brauche einen Termin bei Herrn Bergmann – heute noch. Am besten in… sagen wir, zwei Stunden.« Er lauschte einen Moment, dann schüttelte er den Kopf. »Nein, Frau Salling, nächste Woche ist zu spät. Ich will heute mittag mit ihm sprechen, und wenn er keine Zeit hat, dann soll er sie sich nehmen. Ich bin jedenfalls in zwei Stunden im Werk, und ich erwarte, daß Herr Bergmann auch da ist.« Dann legte er auf.

      »Das sind sicher nicht die besten Voraussetzungen für ein positives Gespräch«, wagte Anke einzuwenden, doch Dr. Daniel lächelte. »Vertrauen Sie mir, Frau Bergmann. Heute abend wird Rainer wieder mit Ihnen sprechen.

      Dann stand er auf. »Kommen Sie bitte mit mir nach nebenan.«

      Anke folgte ihm mit sehr gemischten

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