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      Da verschloß er ihr mit einem weiteren Kuß den Mund, und es

      schien, als würden sie niemals wieder voneinander loskommen. Aber schließlich entwand sich Anke doch seinen Armen.

      »Tut mir leid, mein Schatz, aber ich friere«, gestand sie ihm lächelnd. »In ein paar Minuten bin ich fertig, ja?«

      Rainer nickte. »Ich hoffe, daß ich so lange ohne deine Gesellschaft auskomme.«

      Es dauerte wirklich nur knappe zehn Minuten, bis Anke aus dem Bad kam. Sie hatte sich in einen Seiden-kimono gehüllt und das an den Spitzen noch feuchte Haar hochgesteckt. Nie war sie Rainer bezaubernder erschienen als in diesem Augenblick. Und er wußte, daß er ohne diese Frau nicht mehr leben wollte. Anke gehörte zu ihm – ob mit oder ohne Kinder.

      Jetzt setzte sie sich neben ihn und kuschelte sich an ihn wie ein kleines Kätzchen.

      »Dr. Daniel war bei mir«, begann Rainer. Er wollte diese ganze Geschichte endlich vom Tisch haben. Anke hatte ein Recht zu erfahren, woran sie bei ihm war.

      »Ich weiß«, entgegnete sie leise. »Er hat mir gesagt, daß er mit dir sprechen wird.«

      Rainer schmunzelte. »Mit mir sprechen ist gut. Er hat mir die Leviten gelesen. Meine Güte, war der sauer auf mich.« Er legte einen Arm um ihre Schultern, drückte sie zärtlich an sich. »Aber er hat mir gezeigt, was im Leben wirklich wichtig ist.«

      Langsam hob Anke den Blick zu ihm. »Heißt das…« Sie wagte es nicht, den Satz zu beenden.

      Rainer nickte. »Ja, Liebes, das heißt, daß es schön wäre, mit dir ein Kind zu haben, aber wenn uns dieses Glück nicht vergönnt ist, dann wird es unserer Liebe keinen Abbruch tun.«

      Anke atmete auf. Obwohl sie nach Rainers Auftritt im Bad mit dieser Antwort gerechnet hatte, konnte sie erst jetzt wirklich an ihr Glück glauben. Doch dann kam ihr ein anderer Gedanke.

      »Und… dein Vater?«

      »Es ist meine Ehe«, erklärte Rainer, »nicht die meines Vaters.«

      »Aber es gibt dann keinen Erben für die Firma«, gab Anke zu bedenken.

      Da lächele Rainer. »Darüber, mein Liebling, machen wir uns erst Gedanken, wenn es soweit ist.«

      Anke konnte kaum glauben, daß Rainer zu solchen Worten fähig war, nachdem er noch am Freitag völlig anders gesprochen hatte. Voller Glückseligkeit schmiegte sie sich an ihn.

      Eine Weile herrschte Schweigen zwischen ihnen, dann ergriff Anke wieder das Wort.

      »Am Donnerstag habe ich den langen Termin bei Dr. Daniel«, erzählte sie. »Die Untersuchung, die da gemacht wird, heißt Hysterosalpingografie.« Jetzt hob sie den Blick. »Dr. Daniel hat mir alles erklärt, und er ist ein sehr netter, rücksichtsvoller Arzt, aber… ich habe trotzdem Angst davor.«

      Rainer wußte genau, was sie damit sagen wollte. Er schluckte schwer, dann schüttelte er den Kopf.

      »Nein, Anke, das kann ich nicht. Bitte, sei mir nicht böse, aber ich kann da nicht mitgehen.« Er wandte den Blick ab, um nicht mehr in diese bittenden Augen schauen zu müssen.

      »Rainer«, begann Anke noch einmal leise. »Du mußt gar nicht mit

      ins Untersuchungszimmer kommen. Es… es würde mir schon helfen, nur zu wissen, daß du in der Nähe bist… im Zimmer nebenan… oder im Wartezimmer.«

      Er atmete tief durch, stellte sich vor, wie es sein würde, als Mann eine Frauenarztpraxis zu betreten, und dachte daran, wie einsam Anke sich fühlen würde, wenn er es ablehnte mitzukommen.

      »Also schön«, gab er nach. »Ich komme mit.«

      Da fiel Anke ihm um den Hals und konnte nicht verhindern, daß ihr ein paar Tränen über die Wangen liefen.

      »Danke, Rainer«, flüsterte sie. »Das werde ich dir niemals vergessen.«

      *

      Fast zwei Tage lang kämpfte Rainer mit sich, bis er sich dazu durchringen konnte, seinen Vater aufzusuchen. Es war Mittwochnachmittag, und im Werk war es sehr ruhig, so daß Rainer kurzerhand beschloß, seinen momentanen Mut auszunutzen und für eine Stunde nach Hause zu fahren. Noch immer ein wenig zögernd, weil er das dringend nötige Gespräch fürchtete, betrat er schließlich die Villa und sah sich suchend um.

      »Kann ich Ihnen behilflich sein, gnädiger Herr?« fragte Johann.

      Rainer erschrak. Er hatte den Butler nicht kommen hören, aber der gute Johann bewegte sich ja meistens auch wie ein Geist. Manchmal war er Rainer richtig unheimlich.

      »Ja, Johann«, antwortete er jetzt. »Vielleicht können Sie mir sagen, wo mein Vater ist.«

      »Im Wintergarten, gnädiger Herr«, entgegnete Johann mit einer angedeuteten Verbeugung, dann zog er sich so lautlos zurück, wie er gekommen war.

      Rainer sah ihm noch einen Augenblick nach, dann machte er sich auf den Weg zum Wintergarten. Es erstaunte ihn ein wenig, daß sich sein Vater an einem so angenehm warmen, sonnigen Tag dorthin zurückgezogen hatte. Doch als Rainer wenig später vor der breiten, bleigefaßten Glastür stand, ergriff ihn wieder etwas wie Angst. Mit forschem Schritt und stolz erhobenem Kopf ging sein Vater durch die mit Palmen und exotischen Blumen gesäumten schmalen Pfade, und Rainer war fast versucht zu flüchten, doch dann klopfte er beherzt an und trat ein.

      Martin Bergmann wandt sich um, und seine Stirn umwölkte sich beim Anblick seines Sohnes.

      »Was tust du um diese Zeit zu Hause?« fragte er barsch.

      Diese wenigen Worte genügten, um Rainer erneut unsicher zu machen. Normalerweise konnte er sich seinem Vater gegenüber ganz gut behaupten, aber diesmal…

      »Ich muß mit dir sprechen«, erklärte Rainer und konnte nicht verhindern, daß seine Stimme ein wenig vibrierte.

      »Und das hat nicht bis zum Abend Zeit?« entgegnete Martin Bergmann, während sich seine Stirn in noch tiefere Falten legte.

      Rainer atmete tief durch. »Nein, Vater, es muß jetzt sein, damit du dich darauf einstellen kannst.« Er machte ein kurze Pause. »Ich möchte dich bitten, mich morgen nachmittag für ein paar Stunden im Werk zu vertreten.«

      »Kommt überhaupt nicht in Frage«, wehrte Martin Bergmann ab und unterstrich seine Ablehnung mit einer heftigen Handbewegung.

      »Vater, ich würde dich nicht darum bitten, wenn es nicht notwendig wäre«, versuchte Rainer sein Glück zum zweiten Mal. »Morgen werden die ersten Reparaturen im Werk durchgeführt, und da muß einer von uns beiden anwesend sein.«

      »Richtig, und das bist du«, meinte Martin Bergmann. »Immerhin bist du seit ersten Juni der Chef dieses Ladens. Ich habe damit nichts mehr zu schaffen.«

      »Ich weiß. Es ist ja auch nur ein Ausnahmefall.« Rainer zögerte, doch er wußte, daß er nicht darum herumkommen würde, seinem Vater den Grund für die Bitte, die er an ihn gerichtet hatte, zu nennen. »Ich muß Anke morgen nachmittag zum Arzt begleiten.«

      Martin Bergmanns Gesicht verfinsterte sich wieder. »Warum das? Ist sie ein unmündiges Kind, das nicht allein zum Arzt gehen kann?«

      Nur mit Mühe konnte Rainer seine aufsteigende Wut unterdrücken. Wie kam sein Vater dazu, ihm gegenüber in einem derartigen Ton über Anke zu sprechen? Rainer hatte eine scharfe Bemerkung auf der Zunge, zwang sich aber zur Ruhe.

      »Nein, Vater«, antwortete er schließlich, »aber Anke muß eine Untersuchung über sich ergehen lassen, bei der ich sie ungern allein lassen würde.«

      »Was für eine Untersuchung?« fragte sein Vater argwöhnisch. Instinktiv ahnte er, wo das Problem lag.

      Rainer öffnete den oberen Hemdknopf. Die schwül-feuchte Luft hier im Wintergarten trieb ihm den Schweiß aus den Poren. Dazu kam die Angst vor der Reaktion seines Vaters, wenn er ihm erst die ganze Wahrheit gestanden hatte.

      »Eine Untersuchung beim Frauenarzt«,

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