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bat Dr. Daniel und wies auf den gynäkologischen Stuhl.

      Mit fahrigen Handbewegungen kam Anke seiner Aufforderung nach, doch er schien zu spüren, was in ihr vorging.

      »Sie müssen keine Angst haben«, meinte er. »Ich werde sehr vorsichtig sein.«

      »Danke«, hauchte Anke, konnte aber dennoch nicht verhindern, daß ihre Handflächen feucht wurden.

      Dr. Daniel rückte mit seinem fahrbaren Drehstuhl näher heran. »So, Frau Bergmann, als erstes werde ich den Abstrich abnehmen. Versuchen Sie sich zu entspannen.«

      Anke hörte das Klappern der Instrumente und fühlte, wie der Abstrich abgenommen wurde. Dann stand Dr. Daniel auf.

      »Ich muß noch die Gebärmutter und die Eierstöcke abtasten«, erklärte er. »Letzteres ist ein bißchen unangenehm, manche Patientinnen empfinden es auch als schmerzhaft. Versuchen Sie, sich so gut wie möglich zu entspannen. Es ist gleich vorbei.«

      Ergeben schloß Anke die Augen, doch Dr. Daniel war wirklich ein sehr rücksichtsvoller Arzt. Anke empfand die Untersuchung weder als schmerzhaft noch als allzu unangenehm. Dann trat Dr. Daniel zurück und streifte die Plastikhandschuhe ab.

      »Sie können sich wieder anziehen«, erklärte er, während er zu dem kleinen Schreibtisch im Untersuchungszimmer trat und im Krankenblatt etwas notierte.

      »Und? Konnten Sie etwas feststellen?« fragte Anke in banger Erwartung, als sie wieder bekleidet war.

      Mit einer einladenden Handbewegung bot Dr. Daniel ihr Platz an, dann setzte auch er sich.

      »Der Abstrich muß erst im Labor untersucht werden«, erklärte er. »Das Ergebnis dieser Untersuchung kann ich Ihnen am Donnerstag mitteilen, wenn Sie zur Hysterosalpingographie kommen. Die Untersuchung selbst hat keine Auffälligkeiten ergeben, und ob Verwachsungen der Eileiter vorliegen, kann ich so leider nicht feststellen, aber auch das werden wir am Donnerstag klären.« Er griff nach Ankes Hand und hielt sie einen Augenblick fest. »Machen Sie sich keine Sorgen, Frau Bergmann, ich bin sicher, daß wir Ihr Problem in den Griff bekommen. Wie gesagt, Eileiterverwachsungen sind heute zu reparieren.«

      »Hoffentlich«, entgegnete Anke leise. »Wenn ich kein Baby bekommen kann, dann geht meine Ehe kaputt, das spüre ich.«

      *

      Völlig aufgelöst kam Frau Salling in Rainer Bergmanns Büro. Den Terminkalender hielt sie dabei wie einen Schild und machte so den Eindruck, als müsse sie sich gegen eine ganze Ritterschar verteidigen.

      »Herr Bergmann, entschuldigen Sie bitte, daß ich Sie stören muß«, erklärte sie aufgeregt. »Aber gerade hat Dr. Daniel angerufen.«

      Tiefe Furchen gruben sich bei diesen Worten in Rainers Stirn.

      »Was wollte er denn?« schnauzte er seine Sekretärin an.

      Die knapp vierzigjährige Frau erschrak bei dem unerwartet rüden Ton ihres Chefs.

      »Er… er bat um einen Termin bei Ihnen«, stammelte sie, »das heißt, eigentlich stellte er mich vor vollendete Tatsachen. Er wird in etwa zwei Stunden zu Ihnen kommen.« Sie überlegte, ob sie die Worte des Arztes wiederholen sollte, entschied sich jedoch vorsichtshalber dagegen. Wenn ihr Chef jetzt schon so wütend war, dann würde ihn die Bemerkung Dr. Daniels nicht gerade besänftigen.

      »Sie wissen doch, daß ich mit dem Vorstandsvorsitzenden der Pharma GmbH zum Mittagessen verabredet bin«, erklärte Rainer ärgerlich.

      »Natürlich weiß ich das«, entgegnete Frau Salling fast ein wenig entrüstet. Schließlich hatte sie alle aktuellen Termine ihres Chefs im Kopf. »Aber Dr. Daniel ließ mir für eine Erwiderung gar keine Zeit. Er schien sehr… aufgebracht zu sein.«

      Rainer fuhr sich mit einer heftigen Handbewegung durch das dichte Haar. Wenn Dr. Daniel seine Sekretärin dermaßen überfahren hatte, dann mußte dafür ein schwerwiegender Grund vorliegen, denn der Arzt war normalerweise die Höflichkeit in Person. Und im Augenblick gab es nur zwei Dinge, die bei Dr. Daniel ein solches Verhalten hatten hervorrufen können. Entweder hatte er von dem Chlorgas-Unfall in der CHEMCO gehört, oder es ging um Anke. Rainer tippte auf letzteres, schließlich hatte Anke ihm erzählt, daß sie bei Dr. Daniel gewesen war, und wenn sie heute zu ihm gegangen und ihm von den Vorfällen des Wochenendes erzählt hatte, dann…

      »Soll ich Dr. Daniel anrufen und ihm sagen, daß Sie keine Zeit für ihn haben?« fragte Frau Salling und riß Rainer damit aus seinen Gedanken.

      Er zögerte sekundenlang, dann schüttelte er den Kopf. »Nein, rufen Sie bei der Pharma GmbH an, und sagen Sie Herrn Weber, daß es mir außerordentlich leid tut, mir aber eine unaufschiebbare Sache dazwischengekommen ist. Wenn es sich bei ihm terminlich einrichten läßt, dann holen wir unser geplantes Mittagessen morgen nach. Ansonsten vereinbaren Sie irgendeinen anderen Termin.«

      »Ist in Ordnung, Herr Bergmann«, erwiderte die Sekretärin, dann verließ sie das Büro ihres Chefs.

      Fast auf die Minute genau zwei Stunden später, wurde die Tür zu Frau Sallings Zimmer aufgerissen, und Dr. Daniel trat mit langen Schritten herein. Wer ihn gut kannte, konnte auf den ersten Blick sehen, wie wütend er war. Und Frau Salling kannte ihn recht gut, schließlich war er auch ihr Gynäkologe. Rasch stand sie auf.

      »Guten Tag, Herr Dr. Daniel«, grüßte sie und bemühte sich dabei um einen besonders liebenswürdigen Ton.

      »Ist er da?« fragte der Arzt knapp, was normalerweise gar nicht seine Art war. Er war sonst immer ausgesprochen freundlich zu ihr.

      »Herr Bergmann erwartet Sie«, beeilte sich Frau Salling zu versichern.

      »Gut, dann sorgen Sie bitte dafür, daß wir nicht gestört werden.« Damit wandte sich Dr. Daniel der Tür zu, die in Rainers Büro führte, klopfte an und trat ein, ohne eine Aufforderung abzuwarten.

      Rainer erhob sich hinter seinem Schreibtisch, als Dr. Daniel hereinkam. Auch er kannte den Arzt lang genug, um zu wissen, daß mit ihm heute nicht gut Kirschenessen war.

      »Grüß Gott, Herr Dr. Daniel«, begrüßte Rainer ihn höflich, aber ein wenig distanzierter als sonst.

      Dr. Daniel verzichtete darauf, seinen Gruß zu erwidern.

      »Kann uns hier irgend jemand hören?« wollte er nur wissen.

      »Meine Sekretärin«, antwortete Rainer, »aber ich kann die Gegensprechanlage ausschalten.«

      »Dann tu das. Was ich dir zu sagen habe, geht nur dich etwas an.«

      Rainer stutzte. Es war an die zwanzig Jahre her, seit Dr. Daniel ihn zum letzten Mal geduzt hatte. Damals war er volljährig geworden, und von diesem Tag an hatte der Arzt ihn immer mit Sie angesprochen, auch wenn er beim Vornamen geblieben war. Daß er jetzt zum vertrauten Du wechselte, hatte sicher nichts Gutes zu bedeuten. Anscheinend war Dr. Daniel gekommen, um ihm gehörig den Kopf zu waschen.

      Rainer kam der Wahrheit damit ziemlich nahe. Dr. Daniel hatte tatsächlich vor, ihm die Leviten zu lesen, und er kannte ihn auch lange genug, um sich das erlauben zu können.

      »Deine Frau war heute bei mir«, begann Dr. Daniel ohne große Umschweife.

      Ich hab’s doch geahnt, dachte Rainer und wappnete sich insgeheim gegen die Vorwürfe, die ihm von Dr. Daniel drohten.

      »Das habe ich mir schon gedacht«, entgegnete er. »Sie hat Ihnen wahrscheinlich ihr Leid geklagt.«

      »So würde ich es nicht nennen«, erklärte Dr. Daniel barsch. »Ich würde eher sagen, sie hat mir von deinen Grobheiten berichtet.«

      »Was heißt hier Grobheiten?« brauste Rainer auf. »Ich habe reagiert wie jeder andere Mann auch. Oder würden Sie Ihre Frau umarmen, wenn sie Ihnen gesteht, daß sie Sie jahrelang belogen hat? Himmel noch mal, Anke hat mir verschwiegen, daß sie unfruchtbar ist, und da soll ich…«

      »Jetzt halt aber mal die Luft an!« fuhr Dr. Daniel energisch dazwischen. »Deine Frau liebt dich, und sie hatte Angst, dich zu verlieren. Nur aus diesem Grund hat sie dir die

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