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er.

      Rabea verabschiedete sich von Professor Thiersch, doch das schien dieser überhaupt nicht zur Kenntnis zu nehmen. Dann folgte sie dem jungen Arzt auf den Flur. Dort atmete sie erst mal tief durch.

      Dr. Scheibler lächelte. »Es ist nicht gerade einfach mit ihm.«

      »Da haben Sie recht«, stimmte Rabea zu, dann schüttelte sie den Kopf. »Meine Güte, ich habe mich gefühlt wie ein kleines Schulmädchen, das zum Rektor muß, weil es was ausgefressen hat.«

      Der junge Arzt mußte lachen. »Eine sehr passende Beschreibung. Aber keine Angst, Frau Gessner, der Herr Professor ist nicht so wild, wie er tut.«

      »Fräulein«, berichtigte Rabea mit einem koketten Seitenblick. Der Arzt gefiel ihr ausgesprochen gut. Sie war ja normalerweise kein Mädchen, das bei einem gutaussehenden Mann gleich den Kopf verlor, aber dieser Dr. Scheibler war schon ein ganz außergewöhnlicher Mensch. Das markante Gesicht, in dem die strahlend blauen Augen dominierten, dazu das dichte dunkle Haar – er war wirklich ein Bild von einem Mann, und Rabea konnte sich vorstellen, daß ihm die Mädchenherzen gerade so entgegenflogen.

      »Fräulein?« wiederholte er jetzt, und sein Lächeln erreichte dabei auch seine Augen. »Wollen Sie etwa behaupten, daß ein so zauberhaftes Mädchen wie Sie noch immer frei ist?«

      Rabea war diesem kleinen Flirt keineswegs abgeneigt, und für einen Moment vergaß sie sogar die Schmerzen. Mit kokettem Augenaufschlag sah sie den jungen Arzt an. »Genauso ist es.«

      »Wo haben die Männer denn nur ihre Augen?« fragte Dr. Scheibler in gespielter Verzweiflung.

      »Vielleicht bin ich zu anspruchsvoll«, entgegnete Rabea.

      »Das wird’s wohl sein.« Dr. Scheibler grinste. »Aber wenn ich mir eine Bemerkung erlauben darf – ich bin in jeder Beziehung erstklassig.«

      »Und Sie sind überhaupt nicht von sich eingenommen«, fügte Rabea hinzu.

      »Stimmt genau.« Dr. Scheibler schmunzelte. »Schließlich handelt es sich bei dem, was ich sage, nur um eine Tatsache.« Er hielt Rabea eine Tür auf. »So, Fräulein Gessner, hier sind wir. Das ist für die nächsten Tage Ihr Reich.«

      Rabea sah sich in dem sauberen, fast steril wirkenden Zimmer um, dann fiel ihr Blick auf die beiden Betten, die an der rechten Wandseite standen.

      »Ich bin also nicht allein«, stellte sie fest.

      »Doch, im Augenblick schon«, antwortete Dr. Scheibler.

      »Die Dame, die mit Ihnen das Zimmer teilt, wurde operiert und liegt noch auf Intensiv.« Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Sie haben eine halbe Stunde Zeit, um sich ein wenig wohnlich einzurichten. Anschließend kommen Sie bitte zu mir ins Untersuchungszimmer – gleich hier schräg gegenüber.« Dann lächelte er Rabea an. »Ich freue mich schon, Sie bald wiederzusehen.«

      Wie zufällig berührte er ihren Arm, bevor er das Zimmer verließ. Rabea war allein, und erst jetzt kam ihr zu Bewußtsein, wie sehr sie mit dem jungen Arzt geflirtet hatte.

      »Dr. Scheibler«, murmelte sie, dann schüttelte sie den Kopf. Sie hatte doch gar keine Zeit für einen Mann. Zuerst wollte sie ihr Studium zu Ende bringen und dann als Assistenzärztin an einem möglichst großen Krankenhaus arbeiten. Und anschließend wollte sie noch ihren Facharzt in Psychiatrie machen. Für Ehe und Kinder blieb da nicht viel Raum, und Rabea hatte sich auch noch nie Gedanken übers Heiraten gemacht.

      »Alles Quatsch«, knurrte sie sich an. »Ein Flirt ist schließlich lange kein Heiratsantrag.«

      *

      Dr. Daniel war gerade im Begriff, das Sprechzimmer zu verlassen, um in seine Wohnung hinaufzugehen, als Gabi Meindl ihm noch einen Anruf durchstellte.

      »Thiersch!« gab sich der Professor im üblichen barschen Ton zu erkennen, nachdem Dr. Daniel sich gemeldet hatte. »Ihre Diagnose war richtig.«

      Obwohl der Professor keinen Namen genannt hatte, wußte Dr. Daniel sofort, daß von Rabea Gessner die Rede war.

      »Also tatsächlich Endometriose«, meinte Dr. Daniel. »Und? Konnten Sie ihr helfen?«

      »Was soll die Frage?« polterte Professor Thiersch.

      »Selbstverständlich konnte ich ihr helfen. Davon sind Sie ja wohl auch ausgegangen, nachdem Sie die Patientin an mich überwiesen haben.«

      »Natürlich«, beeilte sich Dr. Daniel zu versichern.

      Professor Thiersch knurrte etwas Unverständliches, dann fuhr er fort: »Es war keine ganz einfache Geschichte. Die Schleimhautinseln hatten sich um die Eileiter herum angesiedelt und den einen völlig, den anderen schon teilweise verklebt. Aber es ist mir gelungen, beide wieder funktionsfähig zu machen. Am Montag kann die junge Dame nach Hause, aber ich habe ihr nahegelegt, sich dann an Sie zu wenden, Daniel. Eine kurzzeitige Hormonbehandlung dürfte nicht zu umgehen sein.«

      Dr. Daniel nickte, obwohl der Professor das nicht sehen konnte. »Damit habe ich schon gerechnet.«

      »Gut«, meinte Professor Thiersch. »Ich werde Ihnen noch einen genauen Berich zukommen lassen.« Dann verabschiedete er sich mit knappen Worten und legte auf.

      Dr. Daniel blieb noch einen Augenblick lang nachdenklich sitzen. Es drängte ihn, seinem Sohn die gute Nachricht mitzuteilen, doch nachdem sich Rabea über ihre Krankheit in Stillschweigen gehüllt hatte, durfte er weder über die Diagnose noch über die gelungene Therapie sprechen. Schließlich unterlag er der Schweigepflicht, und die durfte er nicht einmal seinem Sohn gegenüber brechen.

      *

      Rabea war bis über beide Ohren verliebt, und das beruhte offensichtlich auf Gegenseitigkeit, denn auch Dr. Scheibler verbrachte jede freie Minute bei ihr.

      »Ich muß ein bißchen vorsichtig sein«, erklärte er, als er sich nach Dienstschluß wieder bei Rabea aufhielt. Es war Sonnabend, und Dr. Scheibler hatte sich freiwillig für den Wochenenddienst gemeldet, um in Rabeas Nähe sein zu können.

      »Vorsichtig?« wiederholte Rabea erstaunt. »Warum denn?«

      Dr Scheibler lächelte. »Der Professor sieht es nicht gern, wenn wir Ärzte etwas mit den Patienten anfangen. Am Wochenende ist mit seinem Erscheinen zwar nicht zu rechnen, aber…« Er zuckte die Schultern. »Ich würde es mir nur ungern mit ihm verscherzen.«

      Rabea zeigte ein kokettes Lächeln. »Nicht einmal meinetwegen?«

      Dr. Scheibler wurde ernst. »Nein, Rabea. Meine Karriere setze ich für niemanden aufs Spiel.«

      Auch Rabeas Lächeln erlosch. »Du bist erschreckend ehrlich, Gerrit.«

      Dr. Scheibler nickte. »Ich weiß. Ich war schon immer für Ehrlichkeit.« Er berührte Rabeas Hand. »Schau mal, ich bin im Moment sehr verliebt in dich, und ich möchte dich auch nach deiner Entlassung noch sehen, aber eine feste Beziehung, die am Traualtar endet, ist bei mir einfach nicht drin. Das mußt du akzeptieren, wenn es mit uns noch eine Weile weitergehen soll, ansonsten beenden wir die Geschichte lieber gleich.«

      Rabea senkte den Kopf. Gerrits Worte schmerzten sie, doch im Grunde vertrat sie ja dieselben Ansichten. Auch für sie stand die Karriere an erster Stelle – obwohl sie zumindest im Augenblick sehr verliebt war. Jetzt sah sie Dr. Scheibler wieder an.

      »Ich akzeptiere deine Einstellung, Gerrit«, erklärte sie und bemühte sich, ihrer Stimme Festigkeit zu geben. »Ich akzeptiere sie, weil ich normalerweise genauso denke. Das habe ich im Moment nur vergessen, weil ich dich sehr liebe. Andererseits… ich studiere Medizin und will Psychiaterin werden.«

      Dr. Scheibler lächelte. »Dann sind wir uns ja einig.« Er küßte sie liebevoll. »Wir werden eine wunderschöne Zeit miteinander haben, mein Schatz.«

      Und plötzlich fühlte Rabea etwas wie Erleichterung in sich. Ja, sie liebte Gerrit – im Augenblick jedenfalls. Aber sie wußte auch, daß ihr ihre Karriere irgendwann wieder wichtiger werden würde. Und sie konnte froh sein, einem Mann wie Gerrit Scheibler begegnet zu sein, der von ihr ganz bestimmt

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