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schluckte. »Das heißt also, daß ich operiert werden muß.« Sie senkte den Kopf. »Und damit steht auch fest, daß ich niemals Kinder bekommen kann.«

      Erstaunt sah Dr. Daniel sie an. »Wie kommen Sie denn auf so etwas, Fräulein Gessner?«

      Sie zuckte die Schultern. »Wir haben nicht sehr viel über die Behandlung von Endometriose gelernt, aber ich erinnere mich an die Vorlesung…« Sie überlegte kurz. »Es wurde gesagt, daß die Entfernung von Gebärmutter und Eileitern die einzige Möglichkeit wäre, wenn Medikamente versagen.«

      Energisch schüttelte Dr. Daniel den Kopf. »Wenn Ihr Professor das so gesagt hat, dann versteht er nicht viel von Endometriose. Allerdings gehe ich eher davon aus, daß Sie da etwas falsch verstanden haben.« Er lächelte. »Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie viele verschiedene Dinge Tag für Tag auf einen Studenten einstürmen. Da ist es nicht verwunderlich, wenn man nicht alles vollständig behält.«

      Rabea mußte ebenfalls lächeln. »Das haben Sie nett ausgedrückt. Und wahrscheinlich haben Sie recht. Die Gynäkologie ist ein Thema, das mich nicht besonders interessiert. Es ist also durchaus möglich, daß ich nicht richtig aufgepaßt habe.«

      »Welche Fachrichtung möchten Sie denn einmal einschlagen?« wollte Dr. Daniel wissen.

      »Die Psychiatrie ist mein Steckenpferd«, gestand Rabea.

      Dr. Daniel nickte. »Ein äußerst interessantes Gebiet der Medizin.« Dann schwenkte er wieder auf das ursprüngliche Thema über. »Aber um Ihre Frage von vorhin zu beantworten: Eine Entfernung von Gebärmutter und Eierstöcken würde ich höchstens dann empfehlen, wenn Sie unmittelbar vor den Wechseljahren stünden oder Ihre Familienplanung bereits abgeschlossen hätten. Aber auch dann wäre diese Behandlungsform äußerst problematisch. Ich persönlich bin mehr für die organerhaltenden Maßnahmen. Deshalb würde ich in Ihrem Fall eine Bauchspiegelung empfehlen, denn damit kann nicht nur eine sichere Diagnose gestellt werden, sondern die Schleimhautinseln, die sich bei Ihnen außerhalb der Gebärmutter angesiedelt haben, können in einem speziellen Verfahren gleich entfernt werden. Der Vorteil dieser Behandlung ist unter anderem auch, daß Sie nur drei oder vier Tage in der Klinik bleiben müßten, also nicht allzu viele Vorlesungen versäumen würden.« Er dachte einen Augenblick nach. »Vielleicht könnte man Professor Thiersch auch dazu bewegen, den Eingriff an einem Freitag vorzunehmen, dann würden Sie maximal zwei Tage verlieren.«

      Rabea lächelte. »Sie sind wirklich ein ausgezeichneter Arzt. Stefan muß glücklich sein, Sie zum Vater zu haben.«

      Bedächtig wiegte Dr. Daniel seinen Kopf hin und her. »Ich weiß nicht, Fräulein Gessner. Manchmal scheint Stefan das eher als belastend zu empfinden.« Er stand auf. »Also, ich werde gleich am Montag mit Professor Thiersch Kontakt aufnehmen und ihm Ihren Fall schildern. Kennen Sie die Thiersch-Klinik?«

      Rabea nickte. »Professor Thiersch ist vor allem in der Krebsforschung ein Begriff. Er muß ein erstklassiger Arzt sein.«

      »Das ist richtig«, bestätigte Dr. Daniel. »Als Arzt ist er unübertroffen. Allerdings hat er eine ganz besondere Art, mit Menschen umzugehen. Er gibt sich meistens sehr grob und ruppig, aber das Schicksal seiner Patienten liegt ihm trotzdem sehr am Herzen.«

      »Das klingt, als würden Sie ihn näher kennen.«

      »Wie man’s nimmt«, meinte Dr. Daniel. »Ich glaube nicht, daß es jemanden gibt, der Professor Thiersch näher kennt, aber ich habe meine Assistenzzeit an der Thiersch-Klinik absolviert und hatte während dieser zwei Jahre praktisch täglich mit ihm zu tun. Und obwohl er es nie zeigte, habe ich immer wieder gespürt, wie nahe es ihm ging, wenn er einem Patienten einmal nicht helfen konnte.«

      »Sie machen mich richtig neugierig«, gestand Rabea.

      »So?« Dr. Daniel lächelte. »Nun, Sie werden bald Gelegenheit haben, Professor Thiersch kennenzulernen. Wie gesagt, ich rufe ihn am Montag an und gebe Ihnen dann umgehend Bescheid, wann Sie einen Termin bei ihm bekommen.«

      *

      Stefan konnte es kaum erwarten, bis sein Vater und Rabea endlich aus der Praxis kamen. Dr. Daniel hatte das junge Mädchen überreden können, noch zum Kaffee zu bleiben. Doch anschließend bestand sie darauf, nach Hause zu fahren.

      »Ich habe Sie jetzt lange genug belästigt«, erklärte sie, während sie Dr. Daniel zum Abschied die Hand reichte.

      »Von belästigen kann keine Rede sein«, entgegnete er, dann wandte er sich seinem Sohn zu. »Ich nehme an, du bringst Fräulein Gessner zum Bahnhof.«

      Stefan zögerte. »Ich könnte dich auch nach München fahren, Rabea, Vielleicht…«

      »Danke, Stefan, das ist wirklich nicht nötig«, fiel Rabea ihm ins Wort. »Es reicht vollkommen, wenn du mich zum Bahnhof bringst.«

      So schnell war Stefan allerdings nicht abzuwimmeln. Er wollte länger mit Rabea zusammensein, und so unternahm er einen zweiten Versuch, um sie umzustimmen. »Aber… ich meine… wenn du schon ständig Schmerzen hast…«

      Rabea lächelte. »Die werden im Auto auch nicht besser.« Sie schüttelte den Kopf. »Nein, Stefan, du brauchst dich wirklich nicht zu bemühen. Ich fahre zurück, wie ich hergekommen bin.«

      Stefan gab auf, und für einen Augenblick fragte er sich, ob es noch Sinn hatte, sich weiter um Rabea zu bemühen. Entweder sie merkte wirklich nicht, daß sie für ihn weit mehr als nur eine Studienkollegin war, oder sie wollte es einfach nicht bemerken.

      Etwas Ähnliches dachte auch Dr. Daniel, sprach es jedoch erst aus, als Stefan und Rabea die Villa verlassen hatten.

      »Mir scheint, Stefan gibt sich da einer hoffnungslosen Liebe hin«, erklärte er.

      Seine Tochter nickte. »Das Gefühl habe ich auch. Aber ich habe es dir ja vor ein paar Wochen schon gesagt: Für Rabea gibt es nur das Studium. Nach allem, was Stefan mir über sie erzählt hat, war sie während der vergangenen fünf Jahre noch nie mit einem Mann zusammen.«

      »Sie scheint sehr ehrgeizig zu sein«, stimmte Dr. Daniel zu. »Und ich muß gestehen, daß Stefan ein bißchen was von diesem Ehrgeiz gebrauchen könnte.«

      »Ach, du!« mischte sich Irene ein. »Stefan wird sein Examen bestehen, und auch den Facharzt macht er mit Leichtigkeit! Warum muß der Junge denn immer Höchstleistungen vollbringen? Ich erinnere mich noch sehr gut an die Zeit, als ich nach Jörgs Tod eine Weile bei euch gelebt habe. Damals ging Stefan noch zur Schule, und schon da hast du seine guten Noten immer als Selbstverständlichkeit hingenommen. Nie hast du ihn gelobt, wenn er Einsen geschrieben hat. Und eine Zwei trug ihm von dir höchstens die Bemerkung ein, daß er noch besser hätte sein können.«

      »Jetzt übertreibst du aber!« verteidigte sich Dr. Daniel. »So ein Rabenvater war ich nun auch wieder nicht. Und ich bin auf Stefan im Grunde auch sehr stolz.«

      »Das verstehst du aber ganz geschickt zu verbergen«, hielt Irene ihm vor.

      »Hört doch auf«, bat Karina jetzt. »Ihr braucht euch gar nicht mehr zu beschweren, wenn Stefan und ich uns in den Haaren liegen. Das haben wir anscheinend von euch geerbt.«

      Dr. Daniel und seine Schwester sahen sich an, dann mußten sie lachen.

      »Du hast recht«, stimmte Irene zu. »Ich glaube, Geschwister, die sich nie streiten, gibt es nicht.«

      Dann stand sie auf und begann, den Tisch abzuräumen. Karina ging ihr bereitwillig zur Hand. Sie waren gerade damit fertig, als Stefan zurückkam und sich niedergeschlagen in den nächsten Sessel fallen ließ.

      »Na, hast du deine Herzensdame sicher abgeliefert?« fragte Karina grinsend.

      »Laß mich bloß in Frieden«, knurrte Stefan, dann wandte er sich seinem Vater zu. »Ihr habt nichts gesagt, und vor Rabea wollte ich nicht fragen, aber… was ist denn nun eigentlich mit ihr?«

      »Du weißt, daß das eigentlich unter meine Schweigepflicht fällt«, meinte Dr. Daniel. »Wenn Fräulein Gessner es dir nicht erzählt hat, dann geht sie sicher davon aus, daß auch ich nichts

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