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holte Stefan sie ab. Stützend griff er unter ihren Arm und geleitete sie zu seinem Auto.

      »Ich weiß nicht, was du jetzt vor- hast«, meinte er. »Aber ich würde dich gern nach Steinhausen einladen.« Er lächelte. »Es gibt dort zwar keine Sehenswürdigkeiten, aber du könntest dich gut erholen – wenn auch nur übers Wochenende.«

      Rabea lächelte ihn an. »Einverstanden. Und wo soll ich schlafen?«

      »In Karinas Zimmer. Sie bleibt dieses Wochenende in München.«

      »Gut, fahren wir nach Steinhausen.« Sie wurde ernst. »Vorausgesetzt, es ist deinem Vater auch recht.«

      »Er freut sich schon auf dich.« Stefan warf ihr einen kurzen Seitenblick zu. »Durch deinen Ehrgeiz, was dein Studium betrifft, hast du einen tiefen Eindruck bei ihm hinterlassen. Und ich glaube, er hofft, daß dein Ehrgeiz ein bißchen auf mich abfärbt.«

      Rabea lachte. »Das ist doch Unsinn, Stefan. Du wirst dein Examen sowieso mit Leichtigkeit schaffen.« Dann wurde sie unvermittelt ernst. »Du hast mir gefehlt.«

      Stefan war von dem abrupten Themenwechsel so verwirrt, daß er ein paar Sekunden brauchte, um Rabeas Worte voll aufnehmen zu können. Jetzt hielt er den Wagen am Straßenrand an, stellte den Motor ab und schaute das Mädchen an seiner Seite an.

      »Heißt das… du liebst mich?« fragte er atemlos.

      »Nein«, gestand Rabea ehrlich. »Ich glaube nicht, daß es schon Liebe ist, aber… du hast mir wirklich gefehlt, Stefan.«

      Da lächelte er. »Das genügt mir schon.«

      *

      Es wurde ein ruhiges Wochenende, das Rabea in der Villa von Dr. Daniel verbrachte. Die Operationsnarbe schmerzte zwar kaum noch, trotzdem war es für Rabea ein beruhigendes Gefühl, einen guten Arzt in ihrer Nähe zu wissen. Außerdem genoß sie Stefans Nähe, und manchmal fragte sie sich, weshalb sie nicht schon früher gemerkt hatte, was für ein netter Kerl er war.

      Er war so völlig anders als Gerrit, trotzdem… oder vielleicht gerade deswegen fühlte sich Rabea in seiner Nähe so geborgen. Das war für sie etwas völlig Neues. Bisher hatte sie sich so selbständig gefühlt und nie Sehnsucht nach Geborgenheit verspürt, doch Stefan gab ihr eine Sicherheit, die nicht aufdringlich wirkte.

      »Fühlst du dich kräftig genug für einen kleinen Spaziergang?«

      Stefans Stimme riß Rabea aus ihren Gedanken.

      »Wenn es nicht zu weit ist, gern«, meinte sie lächelnd.

      »Ich würde dir gerne den Waldsee zeigen«, erklärte Stefan. »Es ist ein sehr idyllisches Fleckchen Erde. Und von dort ist es gar nicht weit zum Waldcafé. Dort gibt es die besten Kuchen und Torten der ganzen Umgebung.«

      »Klingt verlockend«, stimmte Rabea zu. »Also, gehen wir.«

      Wenig später schlenderten sie den schmalen Weg entlang, der zum Waldsee führte. Wie von selbst hatten sich ihre Hände gefunden, und Rabea spürte eine eigenartige Glückseligkeit in sich.

      »Du bist gern hier, nicht wahr?« fragte sie, als sie sah, wie gelöst Stefans Gesicht wirkte.

      »Ja und nein«, antwortete Stefan ehrlich. »Steinhausen ist meine Heimat, ich bin hier geboren und aufgewachsen, ich kenne praktisch jeden Stein hier. Trotzdem gefällt es mir in München besser. Schwabing übt eine gewaltige Faszination auf mich aus, und deshalb war ich in den vergangenen Jahren nur selten zu Hause – sehr zum Leidwesen meines Vaters. Aber jetzt… so mit dir… da gefällt es mir wieder in Steinhausen. Ich glaube, wenn man einen Menschen wirklich liebt, dann braucht man keinen Trubel und keine Action, sondern einfach nur Zweisamkeit an einem ruhigen Ort wie diesem hier.«

      Rabea lauschte seinen Worten nach.

      »Das hast du schön gesagt«, urteilte sie schließlich.

      Dann gingen sie eine Weile stumm nebeneinander her, doch es war kein peinliches Schweigen. Zwischen den beiden herrschte eine Art stummes Einvernehmen, das keiner Worte bedurfte. So etwas hatte Rabea noch nie erlebt.

      Plötzlich blieb sie stehen, und Stefan, der sie ja noch immer bei der Hand hielt, folgt ihrem Beispiel. Er war ein Stück größer als Rabea, und als sie jetzt ihre großen blauen Augen auf ihn richtete, da spürte er, wie sein Körper zu vibrieren begann.

      »Ich weiß nicht, was es ist, aber ich habe das Gefühl, dich schon ewig zu kennen«, meinte Rabea.

      Stefan lächelte. »Mir geht es mit dir genauso.« Er hob eine Hand und streichelte zärtlich über ihr Gesicht. »Auch wenn du es jetzt vielleicht noch nicht hören möchtest, aber… ich liebe dich.«

      Rabea lehnte sich an ihn. »Wer sagt, daß ich es nicht hören möchte?«

      Stefans Herz begann rascher zu klopfen. Er konnte kaum glauben, was Rabea eben angedeutet hatte. Sollte sich sein größter Wusch jetzt endlich erfüllen?

      »Heißt das…« Er wagte nicht, den Satz zu beenden.

      Rabea nickte an seiner Brust, dann hob sie den Blick und lächelte zu Stefan auf.

      »Ich glaube, bei mir ist so etwas wie ein Naturereignis eingetreten«, gestand sie leise. »Aus Sympathie ist Liebe geworden.«

      »Rabea…«, stammelte Stefan nur.

      Sie nickte mit einem glücklichen Lächeln. »Du darfst es schon glauben, Stefan… ich liebe dich.«

      Da schloß er sie in die Arme und küßte sie voller Zärtlichkeit.

      »Meine Güte, Rabea, ich habe nicht mehr daran geglaubt…«, stammelte er. »Ich dachte…o Gott, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.«

      Wieder streichelte sie liebevoll über sein Gesicht.

      »Sag gar nichts«, flüsterte sie, und dann fanden sich ihre Lippen wieder zu einem zärtlichen Kuß.

      Und jetzt endlich konnte Stefan wirklich an sein Glück glauben. Mit einem fröhlichen Jauchzer wirbelte er Rabea herum, dann hielt er sie fest umschlungen und küßte sie immer wieder, als hätte er Angst, sie könnte sich plötzlich in Luft auflösen. Und dabei schien ihm noch immer alles wie ein Märchen zu sein – ein Märchen, das an diesem herrlichen Frühlingstag für ihn wahr wurde.

Eine unmenschliche Forderung

      Das Abendessen verlief wieder einmal in eisigem Schweigen, das nur vom dezenten Klappern des Bestecks unterbrochen wurde. Dann traten die beiden Serviermädchen nahezu lautlos heran und räumten ab. Diesen Augenblick nutzten Rainer und Anke Bergmann, um das Eßzimmer zu verlassen. Martin Bergmann schickte ihnen nur einen wütenden Blick hinterher.

      »Meine Güte, war das heute wieder gemütlich«, stöhnte Anke, während sie ein wenig schwerfällig die Treppe hinaufging. Die Schwangerschaft neigte sich allmählich dem Ende zu, und Anke schien es, als wäre jeder Tag noch ein wenig beschwerlicher als der vorangegangene.

      »Seit du deinem Vater gesagt hast, daß ich in der Klinik von Dr. Sommer entbinden werde, behandelt er uns wie Schwerverbrecher«, fuhr Anke fort, dann ließ sie sich aufatmend in einen der bequemen Wohnzimmersessel fallen.

      »Er ist manchmal unausstehlich«, erklärte Rainer und setzte sich neben seine Frau. »Ich bin froh, daß wir hier oben unsere eigenen vier Wände haben.«

      Er hatte gerade ausgesprochen, als die Wohnzimmertür aufgerissen wurde und Martin Bergmann mit finsterer Miene hereintrat.

      »Mein erster Enkelsohn kommt hier zur Welt«, erklärte er mit drohender Stimme. »Alle Bergmanns sind in dieser Villa geboren worden, und euer Sohn wird keine Ausnahme machen, habt ihr mich verstanden?«

      Rainer stand auf und ging einen Schritt auf seinen Vater zu. Es sah aus, als wolle er seine junge Frau vor ihm beschützen. Mit bewundernswerter Ruhe hielt er dem eisigen Blick des alten Bergmann stand.

      »Nur du und ich wurden hier geboren«, berichtigte er gelassen. »Mein Großvater war es, der diese Villa gebaut

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