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tut mir leid«, murmelte er. Er hatte die warmherzige Christine Daniel sehr gemocht.

      »Es war ein schwerer Schlag«, gestand Dr. Daniel und spürte dabei, daß die Erinnerung an seine Frau ihn noch immer schmerzte. »So schwer, daß ich Steinhausen für fünf Jahre den Rücken kehrte. Seit ich wieder hier bin, führt mir meine Schwester den Haushalt. Sie ist auch sehr früh Witwe geworden, und ich glaube, sie ist ganz froh, daß sie mich ein bißchen umsorgen darf.«

      Dr. Metzler nickte. »Das kann ich mir vorstellen.« Dann schwenkte er auf ein anderes Thema. »Und was machen Karina und Stefan?«

      Das Ablenkungsmanöver gelang. Auf Dr. Daniels Gesicht erschien ein Lächeln. »Stefan wird Arzt. Er steht kurz vor dem Examen. Und Karina studiert Jura.«

      Dr. Metzler pfiff anerkennend durch die Zähne. »Alle Achtung.«

      »Und du?« wollte Dr. Daniel jetzt wissen. »Was hast du in den vergangenen Jahren gemacht?«

      »Nach dem Examen habe ich in der Thiersch-Klinik meine Assistenzzeit hinter mich gebracht, dann bin ich nach Amerika gegangen.«

      Dr. Daniel lächelte. »An die Mayo-Klinik?«

      »Du hast ein gutes Gedächtnis. Ich war noch ein Junge, als ich das gesagt habe.« Dann wurde er ernst. »Aber ich war tatsächlich zwei Jahre lang dort – allerdings nicht gleich. Zuerst habe ich drüben meinen Facharzt für Chirurgie gemacht, dann habe ich mich bei der Mayo-Klinik beworben und wurde genommen. Ich habe in den beiden Jahren dort viel gelernt, doch das reichte mir noch nicht. Von Amerika ging ich nach Japan und schließlich nach China. Von dort komme ich jetzt.«

      »Und ich nehme an, du bist ein erstklassiger Arzt geworden«, meinte Dr. Daniel, und dabei war die Anerkennung unschwer aus seiner Stimme herauszuhören.

      Dr. Metzler zuckte die Schultern. »Ich weiß es nicht, aber ich habe mir jedenfalls alle Mühe gegeben, ein erstklassiger Arzt zu werden.«

      »Und warum bist du jetzt zurückgekommen?« wollte Dr. Daniel wissen. »Daß du nur Heimweh hattest, glaube ich nämlich nicht.«

      »Das war auch nicht der Grund – jedenfalls nicht der ausschlaggebende«, gab Dr. Metzler unumwunden zu. »Ich habe jetzt – zumindest vom medizinischen Standpunkt aus – das Zeug, um mir den Traum von einer eigenen Klinik zu erfüllen. Und ich habe vor, diese Klinik hier in Steinhausen zu bauen.«

      Dr. Daniel legte ihm eine Hand auf den Arm. »Ich fürchte, mein Junge, da hast du dir zuviel vorgenommen. Ahnst du überhaupt, was ein Klinikbau kostet?«

      Dr. Metzler nickte. »Ich ahne es nicht nur, ich weiß es, Robert. Trotzdem gebe ich diesen Traum nicht auf.« Er schwieg einen Moment. »Hast du denn nie von einer Klinik geträumt?«

      Dr. Daniel senkte den Kopf. Natürlich hatte er sich in jungen Jahren solchen Träumen hingegeben. Eine moderne Frauenklinik, ja, so etwas hätte er sich immer gewünscht. Später waren seine Träume dann realistischer geworden. Es hätte ihm schon genügt, nur ein paar Belegbetten zu haben, damit er seine Patientinnen auch nach Geburten oder chirurgischen Eingriffen hätte betreuen können. Doch es war müßig, darüber nachzudenken. Die Klinik in der Kreisstadt war zu klein, als daß sie Belegbetten hätte vergeben können – ganz davon abgesehen, daß Dr. Daniel nicht ständig zwischen Steinhausen und der Kreisstadt hätte hin und her fahren können. Und großartige Operationen konnten in der Kreisklinik ohnehin nicht durchgeführt werden. Dazu mußte man nach München.

      »Ich sehe schon, du hattest auch deine Träume«, meinte Wolfgang und riß Dr. Daniel aus seinen Gedanken.

      Der seufzte. »Ja, die hatte ich, aber das ist lange her. Und irgendwann wird es dir genauso gehen, Wolfgang. Du wirst deine Praxis haben, und der Traum von der eigenen Klinik wird in immer weitere Ferne rücken.«

      Doch Dr. Metzler schüttelte hartnäckig den Kopf. »Ganz bestimmt nicht, Robert. Ich werde diese Klinik bauen, das schwöre ich dir.«

      *

      Als Anke Bergmann Dr. Daniels Sprechzimmer betrat, sah er sofort, wie bedrückt sie war. Rasch stand er auf, kam um seinen Schreibtisch herum und griff fürsorglich nach ihrem Arm, um ihr beim Hinsetzen behilflich zu sein.

      »Allmählich wird die Schwangerschaft beschwerlich, nicht wahr?« meinte er mitfühlend. »Aber jetzt haben Sie’s ja bald geschafft, Frau Bergmann.«

      Anke nickte, dann brach sie plötzlich in Tränen aus.

      »Entschuldigen Sie«, schluchzte sie leise. »Aber… es ist so schwierig…«

      Dr. Daniel runzelte die Stirn. »Gibt es Probleme mit Rainer?«

      Heftig schüttelte Anke den Kopf. »Nein, Herr Doktor, Rainer ist ganz lieb und schrecklich besorgt, damit dem Baby und mir nichts geschieht.«

      Dr. Daniel nickte. Er ahnte, wo Ankes Problem lag.

      »Es ist Ihr Schwiegervater, nicht wahr?« fragte er.

      Anke nickte, dann blickte sie Dr. Daniel mit tränennassen Augen an. »Er macht mir das Leben zur Hölle.«

      »Und Rainer tut nichts dagegen?«

      Anke wich dem forschenden Blick des Arztes aus.

      »Er weiß nichts davon«, gestand sie leise, bevor sie Dr. Daniel wieder anschaute. »Mein Schwiegervater kennt Rainers Einstellung, und ihm gegenüber tut er, als würde er sie akzeptierten. Aber sobald Rainer im Werk ist, setzt er mir zu. Ich soll in der Bergmann-Villa entbinden und nicht im Krankenhaus.« Sie zuckte die Schultern. »Rainer würde sich meinem Wunsch sicher beugen, aber… ich habe Angst vor einer Hausentbindung. Wenn irgend etwas schiefgeht…« Sie stockte.

      Nachdenklich rieb sich Dr. Daniel das Kinn. »Bei Ihnen sind im Grund keine Komplikationen zu erwarten, Frau Bergmann. Aus medizinischer Sicht würde einer Hausentbindung nichts im Wege stehen. Wir haben hier in Steinhausen eine erstklassige Hebamme, die Sie ja aus dem Geburtsvorbereitungen kennen, und ich wäre selbstverständlich auch zu jeder Tages- und Nachtzeit zur Stelle. Allerdings will ich doch klarstellen, daß ich allgemein eher zu einer Geburt in der Klinik tendiere. Es hat sich oft genug bewiesen, daß bei einer scheinbar komplikationslosen Geburt plötzlich etwas schiefgegangen ist und dann ein Kaiserschnitt gemacht werden mußte.«

      Anke atmete tief durch. »Das heißt, Sie würden mir raten, in die Klinik zu gehen.«

      »Ja, das rate ich jeder werdenden Mutter – nicht allein wegen der Entbindung, auch wegen der Versorgung des Säuglings. Natürlich lernen Sie alles, was Sie brauchen, in der Geburtsvorbereitung. Aber die erste Zeit mit dem Baby ist eine gewaltige Umstellung, und in der Klinik von Dr. Sommer steht Ihnen rund um die Uhr ein erstklassig geschultes Personal mit Rat und Tat zur Seite.«

      Anke seufzte. »Wenn das doch auch mein Schwiegervater begreifen würde.«

      Dr. Daniel lächelte. »Martin Bergmann ist ein Kapitel für sich. Er ist herrschsüchtig und stur, wie sich schon bei der Leitung der CHEMCO gezeigt hat. Aber ich finde, Sie sollten sich von ihm nicht einschüchtern lassen. Wie und wo Sie Ihr Baby zur Welt bringen, ist allein Ihre Entscheidung, Frau Bergmann. Und wenn Ihnen Ihr Schwiegervater in der verbleibenden Zeit weiterhin zusetzt, sollten Sie sich Rainer anvertrauen. Ich halte ihn nämlich durchaus für fähig, sich seinem Vater gegenüber zu behaupten.«

      Anke senkte den Kopf. »Ja, natürlich kann er das, aber… ich will ihn damit nicht auch noch belasten. Er hat mit der CHEMCO schon genug Probleme. Seine Arbeiter streiken.«

      Dr. Daniel nickte. »Davon habe ich gehört, und Rainer tut mir aufrichtig leid, denn die Schuld an der ganzen Misere der CHEMCO liegt bei seinem Vater. Allerdings mußte Rainer damit rechnen, daß dieser Streik kommt. Immerhin ist er jetzt seit fast einem Jahr Chef der Firma und hat es noch nicht geschafft, die Sicherheitsvorkehrungen zu verbessern. Und soweit ich weiß, hat er auch noch keinen Werksarzt eingestellt.«

      »Er findet keinen«, entgegnete Anke leise.

      Ein wenig skeptisch sah Dr. Daniel sie an. »Sucht er denn einen?«

      Anke

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