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sagte nichts. Er kannte nur eine Lösung: Der Verhaßte mußte vernichtet werden! Um jeden Preis!

      Natalie gab sich alle Mühe, Rudolfines Vorschlag zu unterstützen. Zuletzt war Susanne ganz müde vom Hin- und Herreden. Und allmählich kam ihr die Idee, die sie zuerst für so verrückt gehalten hatte, gar nicht mehr verrückt vor. Warum eigentlich nicht?

      Susanne glaubte nicht an Liebe. In ihrer Studentenzeit hatten ihre Freundinnen oft gesagt, sie habe kein Herz.

      Weil sie sich niemals verliebte.

      Und auch die Studenten hatten von dem Mädchen ohne Herz gesprochen.

      Warum also sollte sie nicht Stephan Amsinck heiraten. Schließlich ging es um die Eggebrecht-Werke.

      Ob er sie heiraten würde?

      Sie dachte an den heißen Sommermorgen zurück, als sie nebeneinander gestanden und er sie auf den Hals geküßt hatte. Und sie erinnerte sich an den schmerzhaften Zug in seinem Gesicht, als sie sich in jähem Zorn zu ihm herumgedreht hatte. Ja, sie war ganz sicher, Stephan Amsinck würde sie heiraten, wenn sie nur wollte.

      Am Abend sagte Natalie Eggebrecht: »Hast du dir Tante Rudolfines Vorschlag noch einmal überlegt, Susanne?« Sie legte ihre Hand auf die des Mädchens. »Du mußt es aber nur tun, wenn du glaubst, daß du ihn lieben kannst.«

      Susanne stand auf. »Ich kann ihn nicht lieben«, sagte sie leidenschaftlich, »niemals. Ich hasse ihn!«

      Natalie sah sie erschrocken und enttäuscht an. »Dann wirst du es also nicht tun?«

      Susanne fuhr herum. »Doch, natürlich! Tante Rudolfine hat ganz recht, wir müssen die Kontrolle über ihn behalten.«

      Jetzt war Natalie Eggebrecht zutiefst erschrocken. »Aber Kind! Deswegen heiratet man doch nicht!«

      Susanne lächelte kühl und überlegen. »Warum nicht?«

      Natalie suchte nach Worten. »Man muß doch etwas für den Mann empfinden, den man heiratet. Was geschieht zum Beispiel, wenn du verheiratet bist und es kommt dann einer, den du wirklich liebst?«

      Wieder lächelte Susanne. »Du bist romantisch, Tantchen«, sagte sie, »so einer wird niemals kommen.« Aus ihrer Stimme klang felsenfeste Überzeugung.

      Natalie Eggebrecht schüttelte den Kopf. »Du bist noch sehr jung, Kind«, sagte sie bekümmert, »wer dich so reden hörte, könnte glauben, du hättest kein Herz.«

      Susanne wandte sich ein wenig ab. »Ich habe auch keins«, sagte sie. Und trotzig fügte sie hinzu: »Ich will keins haben!«

      Am andern Morgen saß sie wieder, wie jeden Tag, Stephan gegenüber. Aber alles schien ihr irgendwie verändert. Zum erstenmal, seit sie ihn kannte, betrachtete sie ihn genauer: sein schmales Gesicht, seine hellen Augen, sein dunkles Haar und seine athletische Gestalt. Er sah gut aus, sehr gut, das konnte sogar sie nicht leugnen.

      Sie versuchte sich vorzustellen, wie es sein würde, wenn sie mit ihm verheiratet war.

      Plötzlich wurde sie rot. Ste­phan hatte aufgesehen. Er mußte bemerkt haben, daß sie ihn die ganze Zeit betrachtete. Ganz langsam verzog sie ihren Mund. Zum erstenmal, seit sie sich kannten, lächelte sie ihn an.

      Sie war fast erschrocken über die Wirkung, die dieses Lächeln hatte. Stephans Gesicht hellte sich jäh auf, als sei ihm etwas unerhört Schönes begegnet.

      Und Susanne war jetzt ganz sicher, daß dieser Mann sie heiraten würde. Sie mußte sich nur zwingen, ein wenig freundlicher zu ihm zu sein.

      Stephan Amsinck bemerkte mit anfangs ungläubigem Erstaunen Susannes Veränderung. Sie zog ihn jetzt manchmal in ein Gespräch, öfter fragte sie ihn auch um Rat. Und hin und wieder lächelte sie, wenn sie mit ihm sprach.

      Er freute sich jedoch viel zu sehr über diese Veränderung, um lange darüber nachzugrübeln. Und er konnte es nicht verhindern, daß seine sehn­süchtigen Gedanken, die schon seit Anbeginn um das junge Menschenkind mit dem schwarzen Haar und den blauen Augen gekreist hatten, mächtiger und mächtiger wurden. Gedanken und – Wünsche!

      Aber dann schalt er sich selbst einen Narren. Sicher las er zuviel aus ihrer Freundlichkeit heraus, viel zuviel! Heiraten würde sie ihn wohl niemals.

      *

      Eines Abends, als er länger gearbeitet hatte, sah er sie beim Nachhausegehen an dem neuerbauten Schwimmbecken stehen. Sie trug einen Badeanzug über dem Arm.

      Es war sehr heiß gewesen den ganzen Tag über, und das Wasser mußte noch wundervoll warm sein.

      Das Becken war von einer hübschen kleinen Grünanlage umgeben und lag ein wenig entfernt von den anderen Gebäuden. Jetzt, nach Fabrikschluß, war es vollkommen still hier.

      Stephan blieb stehen. »Wollen Sie jetzt noch schwimmen?«

      Susanne nickte. »Ja, ich wollte mich gerade umziehen«, sagte sie. Sie schien ein wenig verlegen. Eine Weile schwiegen sie, und Stephan dachte, daß er sich jetzt eigentlich verabschieden müßte. Zögernd sagte er: »Nun – dann wünsche ich Ihnen viel Vergnügen.«

      Aber als er ihr die Hand reichen wollte, sagte sie wie in ­einem schnellen Entschluß: »Wollen Sie nicht noch ein bißchen mitschwimmen?«

      Er war maßlos überrascht.

      Sie sprach schnell weiter. »In der ersten Kabine links liegen eine ganze Reihe Badeanzüge. Beeilen Sie sich!«

      Ehe er antworten konnte, lief sie zu den Umkleidekabinen.

      Stephan blieb noch einen Augenblick stehen. Um seinen Mund spielte ein weiches Lächeln. Trotzige kleine Susanne!

      Er vermochte es kaum zu glauben, aber anscheinend war ihm gelungen, was er nie zu glauben gewagt hatte: Er hatte ihren Haß und ihre Abneigung bezwungen.

      Langsam ging er zu den Männerkabinen hinüber. Ein unendliches Glücksgefühl war in ihm.

      Er ahnte nicht, daß Susanne fast eine Stunde hier am Becken auf ihn gewartet hatte. Sie war fest entschlossen, ihn zu heiraten.

      Der Eggebrecht-Werke wegen!

      *

      Von nun an lud Susanne Stephan öfter einmal ein, auch zum Tennisspielen. Anschließend blieb er dann meist noch zum Kaffee und zum Abendbrot.

      Stephan liebte diese Einladungen nicht nur, weil er mit Susanne zusammen sein konnte, sondern auch, weil sie so nette und fröhliche Stunden mit Natalie brachten, die aus ihrer Zuneigung zu ihm keinen Hehl machte.

      Eines Abends, nachdem er gegangen war, sagte Natalie Eggebrecht zu ihrer Großnichte: »Er ist doch ein netter Kerl, nicht wahr?« Fast ängstlich wartete sie auf eine Antwort. Susanne war jetzt doch sicher ein wenig beeindruckt von Stephan.

      Susanne saß am Fenster und blickte verträumt in den Garten hinaus. Sie schrak auf bei der plötzlichen Anrede und antwortete nicht gleich. Dann sagte sie kühl: »Wenn er nur ein bißchen besser Tennis spielen könnte. Aber das kann man wohl nicht erwarten.«

      »Wieso kann man das nicht erwarten?« Natalie war verärgert. Sie haßte diesen blasierten Ton, den Susanne immer hatte, wenn sie von Stephan sprach.

      »Nun…« Susanne zuckte die Achseln, »bei dieser Herkunft«, sie machte eine bedeutungsvolle Pause.

      Natalie Eggebrecht ließ ihre Stickerei sinken.

      »Welche Herkunft?« fragte sie mit plötzlicher Aufmerksamkeit und blickte Susanne scharf an. »Was meinst du damit?«

      Susanne wandte sich ihr zu. »Weißt du denn nicht«, fragte sie erstaunt, »was Onkel Leopold erfahren hat? Er hat es mir neulich gesagt.«

      »Was denn?« drängte Natalie Eggebrecht mit merkwürdiger Ungeduld. »Was hat er denn erfahren? Nun sag es schon!«

      Susanne blickte ihre Großtante erstaunt an. Warum war sie so aufgeregt? »Amsinck ist ein uneheliches Kind«, erzählte sie dann. »Onkel Leopold hat eine Detektei mit den Nachforschungen

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