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am meisten fürchtete sie sich vor Stephan Amsinck.

      Und nun sollte sie Tag für Tag mit ihm in einem Zimmer sitzen!

      Susanne wollte unbemerkt an dem Portier vorbeischlüpfen. Aber da trat Stephan Amsinck auf sie zu.

      Er blieb vor ihr stehen und versperrte ihr den Weg. »Mein verehrtes gnädiges Fräulein«, sagte er, »darf ich Sie im Namen aller Betriebsangehörigen als unsere neue Chefin begrüßen?«

      Susanne wußte nicht recht, was sie erwidern sollte. Sie sah in die neugierigen Gesichter der Umstehenden. Einen solchen Empfang hatte sie nicht erwartet.

      »Vielen Dank«, sagte sie zurückhaltend und blickte in das offene, gebräunte Gesicht des großen, schlanken Mannes, der vor ihr stand. Sicher war diese Freundlichkeit nicht echt.

      Wahrscheinlich hat er es auch so mit Urgroßvater gemacht, dachte sie mißtrauisch.

      Nebeneinander gingen sie die Treppe hinauf.

      Oben im Büro wartete eine Reihe alter Angestellter, um ihr zu dem Anfang alles Gute zu wünschen.

      Dann führte Stephan Amsinck sie zu ihrem Arbeitsplatz. Sie sah, daß ihre beiden Schreibtische sich gegenüberstanden, genauso, wie es zu Zeiten ihres Urgroßvaters gewesen war.

      »Muß das sein?« fragte sie stirnrunzelnd. »Ich hätte viel lieber ein Zimmer für mich gehabt.«

      Stephan Amsincks Gesicht blieb undurchdringlich. Nichts verriet, was er über Susannes Unfreundlichkeit dachte. »Es ist immer so gewesen«, sagte er gleichmütig, »und die Angestellten würden sich wahrscheinlich sehr wundern, wenn es plötzlich geändert würde. Aber wenn Sie wünschen…« Ein kurzer Blick aus stahlgrauen Augen flog über sie hin und haftete einen Moment auf dem zarten Oval des jungen Gesichtes.

      Susanne machte eine verlegene Bewegung. »Nein, danke«, sagte sie kurz, »wir lassen alles beim alten.«

      Den Rest des Morgens zeigte er ihr den Betrieb, weihte sie in die Geheimnisse des riesigen Werkes ein und tat sein Bestes, um ihr den Anfang leicht zu machen.

      Wenigstens glaubte er das – Susanne dachte dagegen erbost, wie unerträglich er sich vor ihr aufspielte. Er wollte ihr doch nur zeigen, wie sehr viel besser er alles wußte.

      Aber sie merkte sich alles ganz genau, was er ihr erklärte. Sie wollte so schnell wie möglich unabhängig werden von ihm!

      *

      Zwischen Leopold Egge­brecht und den beiden jungen Geschäftsführern hatte sich ein sehr kühles und von seiner Seite aus feindliches Verhältnis entwickelt.

      Wenn er mit einem von ihnen, besonders aber mit Amsinck, sprechen mußte, blickte er über ihn hinweg, als sei er im Grunde genommen Luft für ihn.

      Mitunter kam es zu heftigen Meinungsverschiedenheiten, bei denen er sehr ausfällig wurde. Es stellte sich nämlich manchmal heraus, daß Leopold sinnlose Anordnungen getroffen hatte, die ihm nicht zukamen. Einer von den alten Angestellten hatte sie dann ängstlich befolgt und sie mußten zurückgenommen werden.

      Eines Tages kam es aus einem solchen Grund zum Krach.

      Es war in einer der großen Werkhallen.

      Stephan und Susanne waren auf ihrem täglichen Rundgang, als sie Leopold Eggebrecht begegneten. Sie grüßten ihn.

      Er erwiderte ihren Gruß mit eisiger Höflichkeit, dann sagte er wie nebenher zu Stephan: »Übrigens habe ich die neue Drehbank bestellt, von der vorgestern die Rede war.«

      Susanne sah erschrocken auf.

      Gerade gestern hatten sie entschieden, diese Drehbank nicht zu kaufen, weil sich herausgestellt hatte, daß sie einen Konstruktionsfehler hatte. Und Onkel Leopold hatte das bestimmt gewußt! Er war von dieser Entscheidung noch am Nachmittag in Kenntnis gesetzt worden.

      Und trotzdem hatte er die Maschine bestellt! Obwohl er gar kein Recht dazu hatte!

      Ehe sie etwas sagen konnte, hatte Stephan schon geantwortet. »Dann werden wir sie wieder abbestellen müssen«, sagte er mit ruhiger Stimme und so leise, daß die Arbeiter ihn nicht verstehen konnten.

      Aber Leopold Eggebrecht fühlte sich trotzdem bloßgestellt. »Das werden Sie nicht!« schrie er.

      »Das werde ich doch!« sagte Stephan, immer noch leise. Susanne sah, daß er sich mühsam beherrschte.

      Die Leute hatten aufgehorcht, als Leopold Eggebrecht so laut schrie. Er redete weiter, mit einer Stimme, die den Lärm der Maschinen übertönte. »Wagen Sie das nicht«, schrie er in hilflosem, kindischem Zorn. »Sie Eindringling, Sie Erbschleicher! Sie haben meinen Vater dazu gebracht, Sie hier hereinzusetzen. Belogen haben Sie ihn, sich in sein Vertrauen geschlichen! Sie Lump!«

      Stephan Amsincks Augen waren plötzlich schwarz vor Zorn. Susanne sah, wie er die Fäuste ballte. Einen Augenblick lang glaubte sie, er würde auf ihren Onkel losgehen.

      Auch Leopold Eggebrecht mochte das denken, als er in die Augen des anderen blickte, denn er duckte sich jäh und trat ein paar Schritte zurück.

      Da zog Stephan Amsinck verächtlich die Mundwinkel herunter, drehte sich um und ging.

      Susanne fühlte tausend neugierige Augen auf sich ruhen. Sie faßte den Arm ihres Onkels. »Beruhige dich doch, Onkel Leopold«, sagte sie, »ich bitte dich. Die Leute.«

      Schroff machte er sich los. »Laß du mich in Ruhe«, zischte er. »Und lauf ihm nach. Das würdest du ja doch am liebsten tun, nicht wahr?« In seiner Stimme lag tückische Bosheit.

      Susanne sah ihn mit erschrockenen Augen an. Was hatte er da gesagt? Sie fühlte, wie ihr die Tränen in die Augen schossen. Hastig wandte sie sich ab und lief aus dem Maschinensaal hinaus, um den neugierigen Blicken der Arbeiter zu entrinnen.

      Als sie wieder in ihr Büro kam, saß Stephan ganz ruhig an seinem Schreibtisch.

      Er sah nicht auf, als sie sich hinsetzte. Und er sagte auch eine ganze Weile nichts. Als sie einmal scheu zu ihm hinblickte, sah sie, daß er untätig saß und vor sich hinstarrte.

      Dann auf einmal sagte er, als spräche er zu sich selber: »Ich mußte es ihm doch sagen!«

      Susanne gab keine Antwort.

      Er strich sich mit der Hand über die Stirn.

      »Ja, ich weiß! Sie denken genauso! Ich bin ein Eindringling, ein Erbschleicher, nicht wahr? Sagen Sie es doch!«

      Susanne blickte ihn gerade an. »Wenn Sie es selber wissen«, sagte sie eiskalt, »dann brauche ich es Ihnen doch nicht mehr zu sagen.«

      Als sie die Wirkung ihrer Worte sah, verstummte sie erschrocken.

      Stephans Gesicht war aschfahl geworden. Einen Augenblick lang sah er schweigend auf sie herunter. »Gut«, sagte er dann mit einer Stimme, vor der sie sich fürchtete. »Sie sollen wissen, daß ich kein Eindringling bin! Ich bin heute zum letztenmal in den Egge­brecht-Werken gewesen.« Damit drehte er sich um und ging hinaus.

      Susanne starrte ihm erschrocken nach. Zum erstenmal gefiel ihr seine Haltung. Ob sie sich nicht doch in ihm geirrt hatte?

      Sie war noch ganz verstört, als sie nach Hause zum Mittag­essen ging. Während des Essens saß sie ganz still am Tisch. Es wurde ihr schwer, auch nur ein paar Bissen herunter zu bringen.

      Natalie sah sie mehrmals forschend an. Aber sie fragte nichts.

      Susanne war ihr dankbar dafür. Sie ahnte nicht, daß Natalie sofort nach dem Essen ihren Fahrer bestellte und ihm den Auftrag gab, zu Stephan Amsincks Wohnung zu fahren.

      Sie ließ sich nicht erst lange melden, sondern ging sofort hinter der Haushälterin her in Stephans Wohnzimmer hinein.

      Sie fand ihn, wie er an seinem Schreibtisch stand und auf ein Bild heruntersah, daß in einem silbernen Rahmen stand.

      Ruhig trat sie neben ihn. »Sind Sie nicht ein bißchen voreilig gewesen?« fragte sie.

      Er

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