Скачать книгу

stand ganz ruhig vor ihr. Dennoch konnte sie nicht zuschlagen. Es war etwas in dem Ausdruck seines Gesichtes, was sie daran hinderte.

      »Schlagen Sie zu«, sagte er ganz leise. »Warum tun Sie es nicht? Sie haben doch schon viel Schlimmeres getan.«

      Da drehte sie sich auf dem Absatz um und ging zur Tür. Seinen Worten gegenüber fühlte sie sich seltsam hilflos. Aber während sie hinausging, kochte schon der Zorn in ihr.

      Dieser Frechling! Wie kam er dazu, sie zu küssen?

      Das zeigte nur seine Unverschämtheit!

      Stephan Amsinck stand ganz still und blickte Susanne nach, wie sie mit federnden Schritten hinauslief. Sein Gesicht war versteint von Schmerz.

      *

      An einem der nächsten Nachmittage, als er wußte, daß Susanne nicht zu Hause sein würde, ging Stephan zu Natalie Eggebrecht in die Villa.

      Sie trank gerade Tee. »Komm, mein Junge«, sagte sie, »setz dich zu mir. Es ist nett, daß du mich alte, einsame Frau auch einmal besuchst. Das solltest du öfter tun.« Forschend blickte sie ihn an. »Was hast du auf der Seele?«

      Stephan ließ sich eine Tasse Tee einschenken, dann sagte er: »Ich – möchte weggehen, Tante Natalie.«

      Sie stellte langsam ihre Tasse nieder. »Und warum?«

      Er sprang auf. »Weil ich es nicht mehr aushalte.«

      Sie blieb ruhig. »Und warum hältst du es nicht mehr aus, Stephan?«

      Er blieb vor ihr stehen. »Ich – liebe Susanne«, antwortete er abgehackt.

      »Oh!« sagte Natalie Egge­brecht. Dann faßte sie ihn beim Arm und zog ihn zu sich auf das Sofa herunter. »Das freut mich zu hören«, meinte sie dann. »Ich habe mir schon manchmal Sorgen gemacht, ob Susanne auch den Mann findet, der zu ihr paßt. Und jetzt bekomme ich ihn gleich präsentiert.« Ihr Ton klang ganz leicht. Aber Stephan hatte in diesem Augenblick keinen Sinn für ihre Scherze.

      »Es ist mir bitterernst«, sagte er. »Und außerdem komme ich als Mann für Susanne nicht in Frage. Es ist nicht nur so, daß sie mich nicht liebt – sie haßt mich sogar.«

      Tante Natalie lächelte ungläubig. »Mein lieber Junge, Susanne ist noch jung. So jung, glaube ich, daß sie nicht einmal Haß von Liebe unterscheiden kann.«

      Stephan lachte bitter. »Wahr­scheinlich wird sie es auch niemals lernen, jedenfalls, was mich angeht.«

      Aber Natalie Eggebrecht blieb optimistisch. »Du mußt bleiben, Stephan«, sagte sie eindringlich. Und Stephan ließ sich auch diesmal wieder überreden.

      *

      Wieder einmal saß die Familie um den langen Tisch im Eßzimmer. Es war nach einer Gesellschafterversammlung.

      Stephan, der Bericht hatte erstatten müssen, hatte gleich danach das Haus verlassen, obwohl Tante Natalie ihn noch ausdrücklich zum Bleiben aufgefordert hatte.

      Nun saß nur noch die Familie an dem großen Tisch.

      Diesmal führte Natalie den Vorsitz. Neben ihr saß Susanne, an ihrer anderen Seite Leopold, der sich an diesem Tag unerwartet zusammengenommen hatte.

      Natürlich kam das Gespräch sofort auf Stephan, als er den Raum verlassen hatte.

      »Unerhört«, sagte Ludwig Walber und klemmte sich indigniert das Monokel ins Auge, »wie arrogant sich dieser Bursche benimmt. Als gehörten die Eggebrecht-Werke ihm, und wir seien Almosenempfänger.«

      Jemand widersprach. Es war Onkel Leopold.

      »Es ist nicht mehr ganz so schlimm«, meinte er. »Er ist höflicher geworden. Vielleicht«, fügte er hinzu und warf sich in die Brust, »sieht er ein, daß es ohne uns nicht geht. Aber es wäre natürlich besser, wenn man ihn hinaussetzen könnte. Na – vielleicht gelingt mir das auch noch!«

      Natalie Eggebrecht horchte auf. »Was hast du vor?« fragte sie scharf.

      Leopold zog die Mundwinkel herunter. »Keine Bevormundung bitte, meine liebe Schwester«, gab er bissig zurück, »ich tue schon das Richtige. Ich habe mich ein bißchen nach der Herkunft dieses jungen Mannes erkundigt, und ich habe das sichere Gefühl, daß da etwas nicht in Ordnung ist.« Er sah seinen Schwager Ludwig Walber an. »Wahrscheinlich gibt es einen dunklen Punkt in seiner Vergangenheit. Wenn man den herausbringen könnte…«

      Natalie Eggebrechts Gesicht sah plötzlich verstört aus. In ihrer Stimme lag Widerwillen, als sie ihren Bruder unterbrach. »Du schließt von dir auf andere, mein lieber Leopold«, sagte sie.

      Er fuhr auf. »Was meinst du damit?«

      Natalie winkte ab. »Das kannst du dir aussuchen. Im übrigen…«, sie blickte ihn ernst an – »rate ich dir, nicht nach dunklen Punkten in der Vergangenheit anderer Leute zu suchen. Es steht dir nicht zu.«

      Leopold wollte wieder auffahren, aber jetzt stand Hubertus von Müller auf. Er räusperte sich. »Ich – ich habe einen anderen Vorschlag«, begann er zögernd und blickte seine Frau an. Aber die war diesmal offenbar damit einverstanden, daß er redete. Sie nickte ihm sogar auffordernd zu.

      Da faßte er Mut und fuhr fort: »Es ist Rudolfines Idee. Sie meinte – mhm – daß der junge Mann, ganz gleich, was wir sonst gegen ihn haben, geschäftlich wohl sehr tüchtig sein müsse. Die Firma wirft schließlich einen ganz ordentlichen Gewinn ab. Das haben wir ja heute wieder gesehen. Wir – ich meine – Rudolfine meinte, wir sollten ihn enger an unsere Familie binden.«

      Die anderen begriffen nicht gleich. Nur auf Natalies Gesicht zeigte sich ein amüsiertes Lächeln. Sie hatte sofort verstanden.

      Rudolfine konnte es nicht mehr ertragen, daß ihr Mann so lange das Wort behielt. Sie schnitt es ihm kurzerhand ab und fuhr selber fort: »Ich meinte«, sagte sie mit ihrer scharfen Stimme, »wir sollten dafür sorgen, daß er in unsere Familie einheiratet.«

      Leopold Eggebrecht lachte haßvoll auf. »Du bist ja verrückt«, sagte er.

      Aber die anderen achteten nicht auf ihn. Ludwig Walber hüstelte, als sei ihm ein Gedanke gekommen. Er sah seine Frau an. In ihren Blicken lag ein geheimes Einverständnis. »Das ist keine schlechte Idee«, meinte er dann.

      Aber Rudolfine gab ihm eine Abfuhr. Bissig sagte sie: »Du denkst wohl an deine übriggebliebenen Töchter? Aber du irrst, wenn du glaubst, daß dieser Amsinck dir eine von ihnen abnimmt. So sieht er nicht aus. – Nein…« Sie richtete ihre Augen auf das Ende des Tisches, wo Natalie und Susanne saßen, »ich dachte an jemand anders – an unsere junge Geschäftsführerin nämlich. Ich bin sicher, daß er sie heiraten würde – wenn sie will.«

      Aller Augen blickten nun auf Susanne.

      Sie fühlte, wie ihr das Blut ins Gesicht stieg. Empört wollte sie aufspringen. Da hielt Natalie ihre Hand fest. »Bleib sitzen, Kind«, sagte sie, »das ist doch kein Grund, sich aufzuregen. Tante Rudolfines Idee ist nicht schlecht. Du solltest es dir wirklich überlegen.«

      Natalie Eggebrecht dachte an Stephans Geständnis, das er ihr vor ein paar Wochen gemacht hatte. Er liebte Susanne! Und sie dachte an Leopolds haßvolle Worte. Wenn Stephan erst einmal zur Familie gehörte, würde Leopold vielleicht zu schnüffeln aufhören und sich zufriedengeben. Und das mußte er, wenn nicht großes Unheil entstehen sollte!

      »Wenn du ihn heiratest«, sagte sie weiter, »dann wird die Familie die Kontrolle über das Werk fest in der Hand haben, nicht wahr? Oder…«, Natalies Augen zwinkerten ein wenig, »oder glaubst du, daß er dich nicht heiraten will.«

      Susanne wollte empört auffahren, aber dann besann sie sich. »Ich will nicht«, sagte sie ruhig.

      »Aber Susanne!« Natalie ließ sich nicht abweisen. »Es geht schließlich um das Wohl der Werke.«

      Rudolfine nickte bekräftigend. Die Werke interessierten sie zwar nicht besonders, aber der Gewinn, den sie abwarfen.

      Lange ging das Gespräch hin und her.

      Zuletzt

Скачать книгу