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so war es auch.

      Ludwig Walber machte nämlich den Vorschlag, seinen Schwiegersohn zum Direktor zu ernennen. Natalie Egge­brecht zog die Augenbrauen hoch. Sie wußte von den Gerüchten, die über Inges Ehe umliefen. Warum sollte der Arzt Direktor werden?

      Sie sah Stephan an. »Geht das?« fragte sie.

      Stephan zögerte.

      Da wandte Natalie sich an Ludwig Walber. »Ich möchte mir das noch einmal überlegen«, sagte sie, »wir können ja ein anderes Mal darüber sprechen.«

      Ludwig Walber und Jochen saßen mit hochroten Köpfen da. Natalie hatte zwar nicht direkt abgelehnt, aber sie wußten doch, daß ihre Worte eine Ablehnung gewesen waren. Jochen Wagner bemühte sich, seine Enttäuschung und seinen Zorn zu verbergen. Aber als die Familie sich verabschiedete und Stephan ihm die Hand reichen wollte, sah er darüber weg.

      Grenzenlose Wut erfüllte ihn. Immer war es dieser Amsinck, der zwischen ihn und seine Pläne trat. Erst bei Susanne und jetzt auch wieder.

      Aber das würde er ihm eines Tages schon noch heimzahlen!

      Stephan war ganz erstaunt, als der Arzt ihm nicht die Hand gab. Aber dann packte auch ihn der Zorn. Was bildete dieser Mann sich eigentlich ein? Er dachte daran, wie feige er sich bei dem Brand gezeigt hatte. Nein, einen solchen Menschen konnten sie als Direktor der Eggebrecht-Werke nicht brauchen.

      Von nun an begegneten sich die beiden mit einer höflichen, aber eisigen Zurückhaltung. Stephan machte auch keinen Versuch mehr, in ein freundschaftliches Verhältnis mit dem Arzt zu kommen. Er wußte, daß es keinen Sinn hatte. Der Arzt fühlte sich zu sehr gekränkt und in seiner Eitelkeit getroffen.

      *

      Es war an einem eisigen Winterabend.

      Stephan Amsinck hatte eine lange Besprechung mit einem schwierigen Kunden gehabt. Zum Schluß sagte sein Besucher: »Und nun, mein lieber Amsinck, möchte ich, daß wir noch etwas zu unserem Vergnügen unternehmen. Gearbeitet haben wir genug. Was schlagen Sie vor?«

      Stephan zögerte.

      Er wäre am liebsten nach Hause gegangen. Aber es ging um einen Auftrag, der nicht unbedeutend war für die Eggebrecht-Werke. Und von diesem Mann hier hing es ab, wer den Auftrag bekommen würde.

      Der andere bemerkte Ste­phans Zögern. »Kommen Sie, lieber Amsinck«, drängte er. »Erzählen Sie, wo ist es interessant hier?«

      Stephan zuckte die Achseln. »Das kommt darauf an, wofür Sie sich interessieren«, gab er zurück. »Wir haben ein gutes Theater hier.«

      Der andere lachte dröhnend. »Theater? Sie scherzen wohl? Theater kann ich jeden Tag zu Hause haben. Nein, eine Revue möchte ich sehen. Haben Sie ein nettes Varieté hier?«

      Stephan versuchte auszuweichen. In eine Revue zu gehen, dazu hatte er weiß Gott keine Lust.

      Aber der andere gab nicht nach.

      Ehe sie in die Kakadu-Bar fuhren, rief Stephan Susanne an. Er erzählte ihr, was er vorhatte. Sie lachte. »Natürlich mußt du hin, Stephan! Der Auftrag ist schließlich wichtig, nicht wahr?«

      Es war fast elf, als sie in die Kakadu-Bar kamen.

      Das Nachtlokal war gedrängt voll. Stephan schüttelte erstaunt den Kopf.

      Er begriff nicht, was die Menschen hierhin trieb. Gerade war eine Darbietung im Gange, eine Tänzerin, die irgend etwas tanzte, ohne viel Talent.

      Stephan lehnte sich gelangweilt zurück.

      Wieviel lieber wäre er jetzt bei Susanne gewesen! In Tante Natalies großem Wohnzimmer war es an diesen Winterabenden so gemütlich. In dem breiten Kamin brannten hell und lodernd die klobigen Buchenscheite. Susanne kniete davor und röstete Kastanien. So süß sah sie aus, wenn sie vom Feuer her sanft angestrahlt wurde und die Flammen in ihren Augen zu tanzen schienen.

      Und er mußte hier sitzen und den Darbietungen einer mittelmäßigen Tänzerin leider zusehen.

      Aber sein Begleiter war hell begeistert und konnte sich nicht sattsehen. Als die Vorführung zu Ende war, klatschte er laut und anhaltend.

      Später wollte er unbedingt noch in die Bar.

      Der Raum lag in einem künstlichen Halbdämmer. An dem hohen Bartisch saßen nur wenige Leute. Als die beiden sich davor niederließen, sagte plötzlich hinter ihnen eine betrunkene Stimme: »Ach, da ist ja mein lieber Verwandter!«

      Stephan wandte sich erstaunt um.

      Hinter ihm stand Jochen Wagner. Er hatte seinen Arm um ein Mädchen gelegt, in dem Ste­phan die Tänzerin von vorhin erkannte. Er schwankte leicht. Stephan wollte sich angewidert umdrehen, da sagte Jochen Wagner – ein wenig stotternd vor Trunkenheit: »Den mußt du dir einmal ansehen, mein Kind. Das ist der gerissenste Mensch, den ich kenne. Er war bettelarm, als er in diese Stadt kam. Und heute ist er der Geschäftsführer der Eggebrecht-Werke. Und außerdem hat er sich noch eine reiche Erbin geangelt.«

      Stephan stand langsam auf. »Halten Sie Ihren Mund, Wagner«, sagte er eisig, »und lassen Sie meine Frau aus dem Spiel. Sie sind ja betrunken.«

      Aber Jochen Wagner ließ sich nicht zum Schweigen bringen. Mit der Hartnäckigkeit des Betrunkenen begann er wieder: »Seine Frau, sagt er…«

      Stephan faßte den Arzt beim Arm. »Sie sollen meine Frau aus dem Spiel lassen, sage ich Ihnen!« In seinen Augen blitzte der Zorn.

      Aber der Arzt ließ keine Ruhe. »Ihre Frau?« er lachte höhnisch. »Soll ich Ihnen einmal erzählen, warum Ihre Frau Sie geheiratet hat? Das ist nämlich ein Witz! Sie hat Sie geheiratet, weil die Familie das so wollte. Die Familie wollte nämlich keinen Fremden als Geschäftsführer der Eggebrecht-Werke haben, und da hat die schöne Susanne sich geopfert und Sie geheiratet.«

      Der Betrunkene lachte hemmungslos. »Das haben Sie wohl nicht gewußt«, sagte er triumphierend. »Aber dafür ist es in der Familie ein beliebtes Gesprächsthema.«

      Stephans Gesicht war kalkweiß geworden.

      Nein, das hatte er nicht gewußt.

      Und er konnte es auch nicht glauben! Susanne liebte ihn doch! Sie hatte es ihm tausendmal gesagt.

      Dann aber fiel ihm ihr zwiespältiges Benehmen ein. So haßerfüllt war sie manchmal gewesen. Und so kalt und abweisend. Sollte es tatsächlich wahr sein, was Jochen Wagner da gesagt hatte? Betrunkene sagten manchmal die Wahrheit.

      Stephan faßte den Arzt vorn beim Rock und hob ihn ein wenig hoch. »Wagner«, sagte er drohend, »hören Sie auf, ich rate Ihnen gut! Und reden Sie nie wieder solches Zeug!«

      Jochen Wagner wurde plötzlich ganz klein. Seine Feigheit kam wieder zum Vorschein.

      Stephans Begleiter sagte unruhig: »Lassen Sie ihn doch, Amsinck. Sie sehen doch, daß er betrunken ist. Sie können ihn ja gar nicht für das verantwortlich machen, was er sagt.«

      Stephans Zorn legte sich. Der andere hatte ja recht. Er ließ den Arzt so plötzlich los, daß der zu Boden torkelte. Dann wandte er sich ab.

      Jochen Wagner machte unauffällig, daß er hinauskam.

      Nach einer Weile sagte Ste­phan zu seinem Begleiter: »Sie werden mich entschuldigen, es ist besser, wenn ich jetzt nach Hause gehe.«

      Der andere nickte zustimmend. Als er dem hochgewachsenen Mann nachsah, der sich seinen Weg zum Ausgang bahnte, machte er sich Gedanken darüber, ob das wohl stimmte, was der Betrunkene vorhin gesagt hatte.

      Als Stephan nach Hause kam, war Susanne noch auf.

      Sie kam ihm strahlend entgegen. »Wie schön, daß du so früh schon wieder da bist, Stephan! Hat es dir nicht gefallen?« Sie wollte sich bei ihm einhängen.

      Aber er blieb vor ihr stehen und packte sie bei den Armen. »Susanne«, sagte er, »ich muß dich etwas fragen.«

      »Ja?« Sie schlug die Augen zu ihm auf. »Was ist

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