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dauerte eine ganze Weile, bis Susanne aus ihrer Ohnmacht erwachte.

      Zuerst vermochte sie sich nicht zu erklären, wie es kam, daß sie plötzlich in ihrem Bett lag. Sie war doch in ihrem Büro gewesen!

      Verwirrt blickte sie in Natalies besorgtes Gesicht, das über sie gebeugt war.

      Und an der anderen Seite saß Dr. Hausmann, ihr alter Arzt. Was wollte der hier? Und dann fiel ihr alles ein.

      Sie hatte an ihrem Schreibtisch gesessen, als ihr Inge gemeldet wurde. Susanne erinnerte sich noch an ihr Staunen. Was mochte Inge von ihr wollen?

      Inge war ganz aufgelöst gewesen. »Ist Jochen hier?« hatte sie erregt gefragt.

      Susanne hatte erstaunt verneint. »Ich weißt nicht, wo er ist. Ich sehe ihn kaum, wenn ich nicht gerade in der Sozialabteilung des Werkes zu tun habe. Mußt du ihn sprechen? Ich will ihn gern anrufen.«

      Inge hatte nur genickt. Zum Sprechen war sie zu aufgeregt.

      Susanne hatte in Jochens Zimmer angerufen. Und dabei hatte sie erfahren, daß Jochen Wagner an diesem Tag noch nicht im Werk gewesen war. Susanne hob die Augenbrauen. Was bedeutete das? Sie wandte sich zu Inge. »Es tut mir leid, Inge, aber er ist nicht da. Er ist noch nicht gekommen.«

      Da schluchzte Inge auf. »Also ist es doch wahr!«

      Susanne hatte sich erhoben und war zu der Aufgeregten getreten. »Was ist wahr?«

      Wortlos hatte Inge ihre Tasche geöffnet und einen Brief daraus hervorgezogen. Sie reichte ihn Susanne.

      Susanne las erstaunt. Liebe Inge! In den vergangenen Wochen ist mir immer mehr klargeworden, wie untragbar unsere Ehe ist. Seit Tagen haben wir nun schon kein freundliches Wort miteinander gewechselt, nachdem Du mir vorgeworfen hast, ich liebte Dich nicht mehr. Du hast recht, Inge. Ich liebe Dich nicht. Unsere Ehe ist ein Irrtum gewesen. Wenn Du klug bist, wirst Du das einsehen. Bitte, laß uns auseinandergehen. Ich bin bereit, bei einer Scheidung die ganze Schuld auf mich zu nehmen.

      Ich füge Dir die Adresse eines Rechtsanwaltes bei, mit dem Du Dich in Verbindung setzen kannst. Bitte, versuche nicht, mich zu erreichen. Ich möchte nicht, daß wir uns noch einmal sehen. Darum habe ich diesen Weg gewählt. Jedes Wiedersehen zwischen uns würde nur zu unerquicklichen Auseinandersetzungen führen. Wenn Du kannst, so versuche, mich zu verstehen.

      Jochen.

      Susanne sah mitleidig auf ihre Kusine, deren Gesicht vom Weinen ganz verquollen aussah. Sie konnte fast verstehen, daß Jochen Wagner Inge nicht geliebt hatte.

      »Das ist noch nicht alles«, sagte Inge schluchzend. »Er ist ja nicht allein weg. Vater hat gesehen, daß er mit Ada Hertling im Auto weggefahren ist. Dieses Weib! Sie hat ihn mir genommen!«

      Susanne fühlte sich unbehaglich. »Vergiß es doch, Inge«, sagte sie, »vielleicht lieben sie sich.«

      »Liebe?« Inge lachte höhnisch. »Das hat nichts mit Liebe zu tun«, antwortete sie dann. »Wenigstens nicht von Jochens Seite. Ada ist Witwe. Sie ist unabhängig und sehr reich. Da kann er gleich über das Geld verfügen, während er bei mir noch warten mußte, bis Mutter stirbt. Nein«, wiederholte sie noch einmal bitter, »mit Liebe hat das nichts zu tun. Genauso wenig wie deine Heirat mit Amsinck.«

      Susanne starrte Inge mit weitaufgerissenen Augen an. Sie fühlte eine jähe Schwäche in den Knien. Was sagte Inge da?

      Wie konnte sie so taktlos sein?

      Inge sprach ungerührt weiter. »Na ja, das eine tröstet mich – deine Ehe hat noch nicht einmal so lange gehalten wie meine.«

      Sie sprach nicht zu Ende. Ein Schrei entfuhr ihr.

      Susanne war ohne einen Laut nach hinten gesunken. Schwer schlug sie auf den Boden auf. Draußen im Vorzimmer mochte man das dumpfe Geräusch wohl gehört haben. Jedenfalls stürzten schon einige Sekunden später mehrere Sekretärinnen ins Zimmer und hoben die Bewußtlose auf.

      Inge stand wie gelähmt. Was war nur mit Susanne? Hatte sie sich diese Bemerkung so zu Herzen genommen?

      Inge schüttelte verwundert den Kopf. Es war doch die reine Wahrheit. Für das Leid eines anderen Menschen hatte sie nur wenig Verständnis.

      Susanne hatte von alledem nichts mehr gehört. Nur eine seltsame, wohlige Schwäche hatte sie gespürt, sonst nichts.

      Und jetzt lag sie hier in ihrem Bett.

      Natalie Eggebrecht strich ihr behutsam übers Haar, das sich auf den weißen Kissen ringelte. »Ruhig, Kind«, sagte sie zärtlich, »ganz ruhig.«

      Aber Susanne wollte sich wieder aufrichten. »Ich fühle mich ganz wohl«, sagte sie, »ich möchte gern aufstehen.«

      Der Arzt mischte sich ein. »Das werden Sie nicht, gnädige Frau«, sagte er fest.

      »Aber ich muß doch ins Werk«, protestierte Susanne.

      Tante Natalie schüttelte heftig den Kopf. »Das kommt gar nicht in Frage. Es gibt jetzt etwas«, sie sah Susanne dabei ein wenig vorwurfsvoll an, »das noch wichtiger ist als das Werk.«

      Susanne wurde glühend rot. Sie blickte auf den Arzt, der ein wenig lächelte, und dann wieder auf Tante Natalie. »Du weißt?« flüsterte sie.

      Natalie Eggebrecht nickte. »Der Doktor hat es mir gesagt, du unvernünftiges Kind. Wenn du nicht ohnmächtig geworden wärst, würde ich es wohl nicht so bald erfahren haben.«

      Susanne lächelte ein wenig. »Lange hätte ich es nicht mehr verheimlichen können«, meinte sie. »Ob es ein Junge wird?« Und dann füllten sich ihre Augen mit Tränen. »Dann soll er Stephan heißen«, fügte sie ganz leise hinzu.

      Natalie Eggebrecht kämpfte mit ihrer Rührung. Ein heißes Mitleid mit dem jungen Menschenkind überkam sie. »Dann würde ich an deiner Stelle aber erst seinen Vater fragen, was er dazu sagt.«

      Susanne erschrak. »Stephan? – Aber ich weiß ja gar nicht, wo er ist«, sagte sie.

      »Nein!« Susanne sprach plötzlich laut und hart. »Nein, Tante Natalie, das möchte ich nicht. Er soll nicht aus Pflichtgefühl zu mir zurückkommen.« Ihre Wangen glühten vor Aufregung.

      Natalie Eggebrecht erinnerte sich an die Worte des Arztes. »Sie müssen alle Aufregungen von ihr fernhalten, ihr Seelenzustand ist bedenklich«, hatte er gesagt.

      Begütigend strich sie über die schwarzen Locken. »Ruhig, Kind, ruhig. Wenn du es nicht willst, dann warten wir eben. Kommen wird er sicher einmal.«

      Susanne legte sich in die Kissen zurück und schloß die Augen. Ob er wirklich einmal kommen würde?

      Sie dachte an das Kind, das sie erwartete. Sollte es ohne Vater aufwachsen?

      Unter den langen Wimpern stahlen sich zwei Tränen hervor und liefen über das blasse, schmalgewordene Gesicht.

      Natalie Eggebrecht wandte sich ab. Sie vermocht das nicht mit anzusehen.

      *

      Natalie Eggebrecht zog noch einen Frauenarzt zu Rat. Auf dessen Befehl hin mußte Susanne einige Wochen völlig mit der Arbeit aussetzen.

      Susanne gehorchte. Aber es fiel ihr sehr schwer. Gerade jetzt war es so wichtig, daß jemand in den Werken war, der den ganzen Betrieb kannte. Sie wußte, daß niemand sie ersetzen konnte, seit Stephan weggegangen war.

      Unruhig lief sie im Zimmer umher oder ging ans Fenster. Von dort aus konnte sie die Schornsteine der Werke sehen.

      Als sie es nicht mehr aushielt, bestellte sie die leitenden Herren in die Villa und gab von dort aus ihre Anweisungen.

      Der Arzt war natürlich sehr dagegen. Aber als er merkte, daß Susanne sich noch viel mehr aufregte, wenn sie nicht wußte, was drüben vor sich ging, gab er seine Zustimmung. Nach seinem letzten Besuch jedoch wandte er sich an Natalie, die ihn hinausbegleitete.

      »Ich muß Sie noch einmal sprechen, Fräulein Egge­brecht«, sagte er.

      Natalie

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