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zum erstenmal erfahren mußte, daß die Familie den Anlaß zu ihrer Heirat mit Stephan noch deutlich in Erinnerung hatte. Und daß sie auch nicht bereit war, zu vergessen, daß Susanne Stephan ohne Liebe geheiratet hatte.

      Susanne war zu Inge gegangen, um ihr noch einmal Glück zu wünschen. Sie sah sie herzlich und warm an. »Ich wünsche dir von ganzem Herzen alles Gute, Inge«, sagte sie, »und – daß du so glücklich wirst, wie ich es bin.«

      Da lächelte Inge spöttisch und verkniffen. »Darum brauchst du dir keine Sorgen zu machen, Susanne. So glücklich werde ich sicherlich. Ich heirate schließlich aus Liebe.« Ihr spöttisches Lächeln vertiefte sich noch. »Und – das kann wirklich nicht jeder von sich behaupten«, fügte sie hinzu.

      Susanne wurde blaß. Sie vermochte nicht zu antworten.

      Die Anspielung war zu deutlich gewesen. Was würde denn werden, wenn so jemand einmal zu Stephan sprach? Wenn Inge nur schweigen wollte!

      In diesem Augenblick fühlte Susanne Stephans Hand auf ihrer Schulter. Aber als er sprach, redete er nicht mit ihr. »Du hast recht, Kusine Inge«, sagte er lachend, »das kann nicht jeder. Aber Susanne und ich wir können es!« Er zog Susanne ein wenig an sich. »Nicht wahr, Susanne?«

      Susanne nickte. Sie vermochte nichts zu sagen unter Inges spöttischen und wissenden Blicken. Sie sah, wie Inge den Mund zu einer Antwort öffnete. »Komm, Stephan«, sagte sie hastig, »ich muß zu Tante Natalie. Ich möchte sie etwas fragen.«

      Stephan Amsinck sah seine Frau einen Augenblick lang forschend an. Was war mit Susanne? Sie war ja ganz unsicher?

      Aber er fragte sie nichts mehr. Nur am Abend, als sie wieder zu Hause waren, sagte er wie beiläufig: »Was war eigentlich mit Inge heute morgen? Sie machte ja einen direkt gehässigen Eindruck, als sie über glückliche Ehepaare sprach.«

      Susanne erschrak. Stephan hatte also doch etwas gemerkt! Sie riß sich zusammen. »Wirklich?« fragte sie und brachte es fertig, Zweifel in ihre Stimme zu legen. »Das hast du dir sicher nur eingebildet, Stephan.«

      »So, meinst du?«

      Er sah sie an, über sein Buch hinweg.

      »Ja, bestimmt«, antwortete sie schnell und begann dann von etwas anderem zu reden.

      Stephan ließ sich ablenken. Er war wieder ganz wie sonst. Susanne atmete auf. Er hatte also nichts bemerkt.

      Aber seit diesem Tag wurde sie eine bohrende Unruhe nicht mehr los. Hatte er nicht vielleicht doch etwas gemerkt? Und schwieg nur, weil er nichts Bestimmtes wußte?

      Und sie wußte, noch eine einzige solche Bemerkung, wie Inge sie heute gemacht hatte, würde genügen, um endgültig einen Verdacht in ihm zu wecken.

      Und was würde dann werden?

      Jähe Furcht krampfte Susannes Herz zusammen. Stephan glaubte ja ganz fest, sie habe ihn schon immer geliebt. Nur der Zwiespalt zwischen ihm und ihrer Treue zur Familie habe sie manchmal so seltsam und abweisend gemacht.

      Wenn er erfuhr, wie es dazu gekommen war, daß sie ihn hatte heiraten wollen, dann würde er ihr das nie verzeihen. So genau kannte sie ihn.

      Nein, niemals würde er das verzeihen.

      *

      Die Tage und Wochen vergingen, und niemand sagte mehr etwas. Susanne beruhigte sich allmählich und vergaß den kleinen Zwischenfall, der ihr soviel Unruhe gebracht hatte.

      Sie sah Inge selten, obwohl Jochen noch in den Eggebrecht-Werken arbeitete. Und genau in der gleichen Stellung. Er mochte sich wohl ein wenig mehr davon versprochen haben, wenn er in die Familie eingeheiratet hatte, besonders in dieser Hinsicht. Jedenfalls war Inges Ehe nicht sehr glücklich.

      Jochen Wagner war nicht der Mann, einer ungeliebten Frau gegenüber duldsam und rücksichtsvoll zu sein. Und Inge war wohl auch zu anspruchsvoll.

      Jochen sollte immer da sein.

      Sie wollte ihn vorzeigen bei all ihren Freundinnen und Bekannten – ihren schönen Mann!

      Beneidet wollte sie werden!

      So lange hatte sie im Schatten gestanden, ein unscheinbares Mauerblümchen, um das sich niemand riß. Und nun hatte sie diesen Mann geheiratet!

      Es war ein immer neuer Triumph für sie, wenn sie eine kleine Damengesellschaft bei sich zu Hause hatte und Jochen zu ihr hereinkam. Wie dann die Augen der anwesenden Frauen mehr oder weniger verstohlen immer wieder zu ihm hingingen! Und wie einige ganz offen mit ihm zu flirten versuchten!

      Nur eine versuchte es niemals – Ada Hertling. Sie war Inges beste Freundin. Niemand wußte genau, warum das so war, denn die beiden waren vollkommen verschieden. Ada war ein kapriziöses kleines Geschöpf mit sehr viel Charme und Lebenslust. Sie hatte sehr früh einen viel älteren Mann geheiratet. Seit mehreren Jahren war sie nun schon Witwe – eine unabhängige Frau mit genügend Geld. Denn ihr Mann war reich gewesen und hatte ihr alles hinterlassen.

      Und Ada flirtete niemals mit Jochen, obwohl sie sonst sehr lebenslustig war. Inge rechnete ihr das hoch an. Nur, sie besuchte sie in letzter Zeit kaum mehr!

      Daß die anderen mit Jochen zu flirten versuchten, störte sie nicht weiter. Denn er gehörte ja ihr! Wenigstens glaubte sie das.

      Aber dann kam der Tag, an dem sie feststellen mußte, daß er ihr nicht gehörte.

      Sie hatte Besuch von zwei Freundinnen.

      »Ich weiß nicht«, sagte Inge im Laufe des Gesprächs, »was mit Ada los ist. Sie hat so wenig Zeit in den letzten Wochen. Ich habe sie schon öfter eingeladen, und jedesmal sagt sie ab.«

      Die beiden sahen sich einen Augenblick lang an.

      Inge bemerkte den Blick. »Was habt ihr?« fragte sie erstaunt. »Ist etwas Besonderes mit ihr?«

      Aber die beiden antworteten ausweichend.

      Inge grübelte dem Zwischenfall noch eine Weile nach. Wie seltsam sich die beiden benommen hatten! Natürlich war da irgend etwas, was sie gewußt hatten. Aber wahrscheinlich wollten sie sich damit wichtig machen und hatten es ihr deshalb nicht gesagt. Nun, sie würde schon erfahren, was da eigentlich los war.

      Als Inge es erfuhr, was die beiden ihr verschwiegen hatten, da – zerbrach ihr Traum vom Glück daran.

      Es war einer jener dummen Zufälle, gegen die es keinen Schutz gibt.

      Inge hatte Einkäufe gemacht.

      Auf dem Weg nach Hause suchte sie noch ein Café auf, dessen Kuchen sie ganz besonders liebte.

      Wie immer, wenn sie hierherkam, setzte sie sich an eines der großen Fenster. Sie liebte es, auf die belebte Straße hinaus zu sehen und die Leute zu beobachten.

      Auf einmal stockte ihr Herzschlag.

      Da – war das nicht Jochen?

      Nein, das konnte er nicht sein! Er hatte doch gesagt, er könne nicht zum Essen nach Hause kommen, und abends würde es auch sehr spät werden. Er habe noch eine Menge aufzuarbeiten. Und außerdem würden jetzt Schutzimpfungen durchgeführt im Werk. Sie hatte ihm geglaubt!

      Und jetzt stand er auf der gegenüberliegenden Straßenseite und verabschiedete sich sehr lange und sehr herzlich von einer Dame.

      Und diese Dame war ihre Freundin Ada!

      Inges Herz krampfte sich zusammen, während sie die beiden beobachtete. Ada reckte sich gerade auf die Zehenspitzen und zupfte Jochens Krawatte zurecht.

      Und Jochen?

      Jochen beugte sich lachend zu der kleinen, zierlichen Frau herunter. Er griff nach ihrer Hand und drückte einen Kuß darauf.

      Inges Gesicht war schneeweiß geworden. Auf einmal wußte sie alles. Sie wußte jetzt auch, warum Ada nicht mehr zu ihr kam und warum die beiden Freundinnen sich neulich so seltsam und vielsagend angesehen hatten.

      Sie sah, wie die Vorübergehenden das Paar mit einem leichten Schmunzeln betrachteten.

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