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Erika Roman Staffel 1 – Liebesroman. Diane Meerfeldt
Читать онлайн.Название Erika Roman Staffel 1 – Liebesroman
Год выпуска 0
isbn 9783740931070
Автор произведения Diane Meerfeldt
Жанр Языкознание
Серия Erika Roman Staffel
Издательство Bookwire
Da sagte hinter ihr eine fröhliche Stimme: »Guten Morgen, meine liebe Frau! Willst du mir nicht erklären, warum du so heimlich aufgestanden bist? Du willst mir wohl davonlaufen?«
Susanne wandte sich lachend um.
Stephan stand an der Schlafzimmertür und hielt die Arme offen. Susanne lief auf ihn zu.
Das Telegramm hatte sie vergessen. Es fiel unbeachtet zu Boden.
Erst eine ganze Weile später erinnerte sie sich daran. »Das Telegramm…«, sagte sie und löste sich aus Stephans Armen. »Was habe ich nur damit gemacht?«
Dann sahen sie es auf dem Boden liegen. Stephan hob es auf und öffnete es.
Während er die wenigen Worte las, die darauf standen, veränderte sich sein Gesicht jäh. Als er zu Ende gelesen hatte, reichte er Susanne wortlos das gelbe Blatt.
Sie las: Onkel Leopold verunglückt. Erbitte Euer Kommen, Tante Natalie.
Susanne war wie betäubt. Was bedeutete das?
Hatte Onkel Leopold sich etwas angetan? Susanne schauderte. »Was wirst du tun?« fragte sie leise.
»Ich muß sofort zurück«, sagte Stephan.
Susanne stand auf und trat hinter ihn. »Wir müssen zurück, Stephan«, verbesserte sie und strich ganz zart mit der Hand über seinen Kopf.
*
Am Vormittag noch brachen sie auf und waren am Abend dieses Tages wieder zu Hause. »Es tut mir so leid«, sagte Stephan, als sie aus dem Zug stiegen, »daß es nun nicht so schön wird, wie wir uns das gestern abend erträumt haben.«
Aber Susanne schien es gar nicht so viel auszumachen, daß ihre Hochzeitsreise so unerwartet unterbrochen worden war. Sie war glücklich!
Und am glücklichsten war sie, wenn sie mit Stephan zusammen war, ganz gleich, wo sie sich befanden.
Dieser eine Tag hatte Susanne vollkommen verändert. Ihr schönes Gesicht hatte alles Herbe verloren, und sogar in ihrer Stimme prägte sich die Ruhe eines vollkommenen Glücklichseins aus.
Als sie Natalie Eggebrecht sahen, wußten sie, daß es sehr schlimm sein mußte, viel schlimmer, als sie gefürchtet hatten.
Natalie saß im Wohnzimmer.
Sie stand langsam auf, als die beiden in der Tür erschienen. Sie sah Stephan an, lange.
Stephan trat einen Schritt vor. »Ist er denn…«
Natalie schüttelte den Kopf. »Nein. Der Arzt aber macht uns keine Hoffnung mehr.« Sie blickte die beiden an. Dann sagte sie: »Und ich bin schuld.«
»Unsinn«, entgegnete Stephan, »es war ein Unglücksfall.«
Natalie blieb bei ihrer Behauptung. »Doch, Stephan, ich bin schuld. Die anderen meinen es auch. Niemand glaubt daran, daß es ein Unglück war. Er hat es mit Absicht getan.«
Und dann erfuhren Susanne und Stephan, was in der Zwischenzeit geschehen war.
Als Leopold Eggebrecht nach Natalies Eröffnung das große Eßzimmer verließ, war er wie betäubt gewesen. Dreißig Jahre lang hatte er mit keinem Gedanken mehr an Anne Wendt gedacht. Er hatte es nicht gewollt, denn irgendwo in seiner Seele saß ein Schuldgefühl und das Bewußtsein, wie schlecht er sich dieser Frau gegenüber benommen hatte.
Und nun, nach dreiunddreißig Jahren, war alles wieder da – wie am ersten Tag.
Aber Reue empfand Leopold Eggebrecht auch jetzt noch nicht. Nur die Schande!
Das hatten sie ihm angetan, sein Vater und Natalie!
Sie hatten ihm verschwiegen, daß er einen Sohn hatte und ihn ihm dann vor die Nase gesetzt im Werk, nur um ihn zu ärgern.
So sah er das!
Draußen vor dem Haus stieg er in seinen Wagen und fuhr davon. Ohne lange zu überlegen, schlug er den Weg zu seinem Stammlokal ein. In dem kleinen Wirtshaus setzte er sich in die hinterste Ecke. Der Kellner, der kam, fragte gar nicht lange nach seinen Wünschen, sondern brachte ihm gleich einen Kognak.
Leopold Eggebrecht lachte. »Wie gut, daß Sie Bescheid wissen«, sagte er, »aber ein Glas ist viel zu wenig. Bringen Sie eine Flasche.«
Widerspruchslos gehorchte der Kellner. Man war das so gewohnt bei Leopold Eggebrecht.
Stundenlang saß Leopold und brütete.
Und er merkte schon gar nicht mehr, wie er immer wieder das Glas leerte und füllte, füllte und leerte.
Es war nach Mitternacht, als er aufbrach. Der Kellner wollte ihn hinausbegleiten, er aber wehrte mit großartiger Miene ab: »Lassen Sie nur, ich finde meinen Weg schon allein.«
Mit steifen Schritten ging er zu seinem Wagen.
Und dann fuhr er durch die nachtstillen Straßen. Die Nachricht, die ihn am Nachmittag so tief getroffen hatte, hatte er nun schon fast vergessen.
Schön war das Leben! Besonders wenn man soviel getrunken hatte, daß man seine Sorgen vergessen konnte.
Er versuchte zu singen.
Es interessierte ihn nicht, daß der Wagen heftig hin und her schlingerte. Er fühlte sich frei und leicht und in der Lage, die ganze Welt zu besiegen. Immer schneller fuhr er – so schnell, wie es der große, starke Wagen erlaubte.
Die Straße vor ihm war glatt und leer, nur in der Ferne blinkten die Rücklichter eines riesigen Lastkraftwagens.
Immer näher kamen die Lichter, denn der Zehntonner da vorn vermochte das Tempo des Personenwagens natürlich nicht durchzuhalten.
Als Leopold Eggebrecht kurz hinter dem Wagen war, hupte er wild. Aber der große Wagen rückte nicht gleich zur Seite. Schnurgerade und schwerfällig fuhr er seine Bahn weiter.
Da verlor der Betrunkene die Geduld. Noch einmal hupte er, dann drückte er den Gashebel durch und wollte vorbeibrausen. Aber gerade in diesem Augenblick fuhr der Lastwagen ein wenig nach links, ein ganz klein wenig nur.
Für Leopold Eggebrecht genügte es. Er verlor die Gewalt über das Steuer – und dann geschah es!
So war es gekommen!
»Du mußt dich nicht quälen, Tante Natalie«, sagte Susanne weich. Sie war neben Stephan getreten. »Du trägst sicher keine Schuld.«
»Wenn er nur noch einmal sprechen würde«, sagte Natalie Eggebrecht, »nur er kann mich von dem Gedanken befreien, daß ich dieses Unglück veranlaßt habe. Ich muß wissen, daß er nicht mit Absicht in den Lastwagen hineingefahren ist.«
*
Das Schicksal erfüllte Natalie Eggebrecht diesen Wunsch.
Leopold Eggebrecht erwachte noch einmal. Und in diesem Augenblick kam ihm endlich zum Bewußtsein, daß er derjenige war, der gesündigt hatte, daß nicht die anderen die Schuld trugen, sondern er. Er allein!
Natalie und Stephan wurden zu ihm gerufen, als es soweit war. Seine Frau und sein Sohn waren schon bei ihm gewesen.
Er vermochte nicht viel zu sagen, nur die Hand streckte er ihnen hin. Und in seinen Augen war eine flehende Bitte um Verzeihung.
Als sie nach Hause fuhren, weinte Natalie Eggebrecht. Es waren Tränen einer unsäglichen Erleichterung. Sie trug also doch nicht die Schuld an dem Unglück!
Am Nachmittag dieses Tages starb Leopold Eggebrecht.
Ein verfehltes Leben war zu Ende gegangen!
*
Natürlich machten sie nach außen hin den Eindruck völliger Einmütigkeit. Aber nur nach außen hin, denn vor der Öffentlichkeit hätten die Eggebrechts sich niemals gehen lassen.
Wenn sie unter sich waren, ließen sie es merken, daß die Abneigung gegen Stephan durch die Ereignisse nicht kleiner geworden war und auch niemals werden würde.