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bessere Gelegenheit!«

      Während er langsam zur Tür ging, sagte er, die Augen noch immer auf Natalie geheftet: »Ich kenne dein süßes Geheimnis, Schwesterlein. Ich kann nur sagen, du und dein Vater, ihr wart einander wert! Mir habt ihr immer meine Fehler vorgehalten! Mich habt ihr zum Sündenbock gemacht! Aber jetzt kommt alles ans Licht, darauf kannst du dich verlassen!« Dann klappte die Tür hinter ihm zu.

      Die anderen saßen in starrem Schweigen. Etwas Unheimliches lag plötzlich in der Luft.

      Was hatte Leopold nur gemeint?

      Sie blickten alle auf Natalie. Natalie mußte schließlich erklären können, was Leopold gemeint hatte.

      Aber Natalie schwieg. Ihr Gesicht war totenblaß geworden. Aber sie schlug ihre Augen nicht nieder. Sie blickte in die fragend erhobenen Gesichter, ruhig und lange. Dann sagte sie: »Mir scheint, Leopold ist wieder einmal nicht ganz zurechnungsfähig.«

      Um jeder weiteren Diskussion vorzubeugen, hob sie die Sitzung auf. Sie ging sofort in ihr Zimmer hinauf, obwohl sie sonst mit Susanne noch unten Kaffee zu trinken pflegte.

      Susanne sah ihr beunruhigt nach.

      Etwas war nicht in Ordnung, das spürte sie. Was konnte Onkel Leopold nur mit seinen dunklen Andeutungen gemeint haben? Wieder kroch eine Ahnung kommenden Unheils in ihr hoch.

      *

      An Susannes Hochzeitstag schien golden die Frühjahrssonne. Es war April. Wie ein grüner Schleier überzogen die ersten zarten Knospen das Braun der Äste. Auf dem jungen Rasen blühten Krokus und Osterglocken. Es war ein Tag, wie geschaffen zum Glücklichsein.

      Aber Susanne war nicht glücklich.

      Sie hatte plötzlich Angst – Angst vor dem Gedanken, verheiratet zu sein, Angst davor, daß sie in einigen Stunden wegfahren werden, sie und Stephan, der dann ihr Mann war.

      Die Kirche war gedrängt voll. Viele der Betriebsangehörigen waren da. Die Orgel spielte.

      Sie gingen durch ein Spalier begeisterter Menschen, Ste­phan und Susanne.

      Susanne sah alles wie durch einen dichten Schleier. Neben sich hörte sie Stephans ruhigen, sicheren Schritt. Unwillkürlich faßte sie seinen Arm fester, als könnte ihr das helfen gegen die bangen Gedanken, die sie bewegten.

      Dann war auch das vorüber.

      Sie saßen im Auto und fuhren in die Villa. Dort würde die Familie sich zum Mittagessen versammeln, und anschließend würden sie und Stephan wegfahren. Wenn nur Onkel Leopold nicht kommt, dachte Susanne. Hintereinander fuhr die lange Reihe der Autos durch die Straßen. Die Passanten blieben stehen und sahen dem großen Wagen nach.

      Das war eine Hochzeit!

      Manche blickten ein wenig neidvoll.

      Wie ein Märchen war das!

      Die schöne Braut in dem kostbaren Kleid, der hochgewachsene, gut aussehende Mann daneben.

      Wie glücklich mußten diese Menschen sein. Ja, wie in einem Märchen!

      Schweigend saßen Susanne und Stephan im Auto nebeneinander. Susanne hatte seinen Arm losgelassen und blickte ihn nicht an.

      Ein feiner Duft stieg zu ihm empor, der aus ihrem Haar kommen mußte oder aus dem zarten Spitzenschleier, der über die schwarzen Locken gebreitet war und sich zu ihren Füßen bauschte.

      Meine Frau! dachte er und fühlte eine unsägliche Traurigkeit in sich aufsteigen! Wie fremd sie ihm geblieben war!

      Warum nur war sie so? Er warf einen schnellen Blick in ihr Gesicht, das den ganzen Morgen über schon so blaß und ernst gewesen war.

      Dann hielten sie vor der Villa.

      Die Mädchen und der Gärtner standen zum Gratulieren da. Hinter ihnen hielten jetzt auch die anderen Wagen. Tante Natalie stieg aus, Ludwig Walber mit Gertrud, ihre beiden Töchter und Dr. Wagner natürlich, der ja jetzt auch zur Familie gehörte, dann Rudolfine mit ihrem Mann. Und zuletzt Leopold Eggebrecht mit Frau und Sohn.

      Natalie Eggebrecht blickte sich ganz schnell einmal nach ihrem Bruder um. Warum er nur gekommen war?

      Nach dem gestrigen Auftritt hatte sie erwartet und gehofft, daß er absagen würde.

      Natalie versuchte sich selbst zu beruhigen.

      Gestern war er ziemlich betrunken gewesen, heute war er nüchtern. Da würde er friedfertiger und vernünftiger sein.

      Aber die Unruhe lastete weiter auf ihr. Die Stimmung bei Tisch war gedrückt. Was Natalie fühlte, mochten auch die anderen spüren: Ein Gewitter war nahe.

      Nur, daß sie nicht darunter lit­ten. Sie waren nur neugierig, wie es ausgehen würde, dieses Gewitter. Und dem Eindringling gönnte man sowieso nichts Gutes.

      Leopold Eggebrecht, der unten am Tisch saß, leerte ein Glas nach dem andern. Sein Gesicht begann sich schon leise zu röten.

      Natalie, die ihn kannte, wußte, daß er jetzt leicht in eine streitsüchtige Stimmung geriet. Die Unruhe wurde wieder wach in ihr. Stephan und Susanne mußten weg!

      Sie klopfte an ihr Glas.

      Eine widerwillige und unfreundliche Stille trat ein. Es war niemand im Raum, der von ganzem Herzen auf das Glück des Brautpaares zu trinken bereit war. Dazu haßten sie Ste­phan Amsinck viel zu sehr.

      Natalie begann. Sie wandte sich an Susanne.

      »Mein liebes Kind«, sagte sie, »heute ist ein denkwürdiger Tag für dich. Du beginnst einen neuen Lebensabschnitt, der dein Dasein völlig verändern wird – zum Besseren hin, wie ich hoffe und von ganzem Herzen wünsche. Du weißt, daß du mir wie ein eigenes Kind gewesen bist. Besonders nach dem frühen Tod deiner lieben Mutter, als du außer mir niemanden mehr hattest. Ich habe keine eigenen Kinder haben können…«

      An dieser Stelle unterbrach Leopold Eggebrecht seine Schwester. »Hört, hört«, sagte er frech.

      Natalie schwieg einen Augenblick verwirrt.

      Was wollte Leopold damit sagen?

      Aber dann sprach sie schnell weiter. Später, wenn Susanne und Stephan weg waren, konnte sie ihn um Aufklärung bitten. Und dann würde sie ihm gründlich ihre Meinung sagen!

      »Es ist also kein Wunder«, fuhr sie fort, »daß du mir so ans Herz gewachsen bist. Als du von der Universität zurückkamst und plötzlich eine junge Dame geworden warst, habe ich mir manchmal überlegt, was für einen Mann du mir wohl einmal bringen würdest. Damals kannte ich ja Stephan noch kaum.«

      Wieder sagte Leopold Egge­brecht mit gehässiger Stimme: »Hört, hört!«

      Auf Stephans Stirn schwoll die Zornesader. Es sah aus, als wolle er aufspringen. Aber Natalie legte ihm ihre Hand auf den Arm. Sie blickten sich an. Langsam ließ er sich wieder in seinen Stuhl zurückgleiten.

      Natalie sprach weiter. »Trotzdem habe ich auch damals schon gewußt, daß ich mir keinen besseren Mann wünschen könnte für dich als Ste­phan. Eine Ehe ist nicht immer leicht, meine liebe Susanne. Manchmal fängt sie schon mit Schwerem an. Vergiß das nicht, Kind! Jeder von euch ist nur ein Mensch, jeder kann irren. Auch du! Aber ein Irrtum ist keine Schuld. Man muß nur den guten Willen und die nötige Einsicht haben. Darauf, meine Kinder, möchte ich mit euch anstoßen.«

      Sie hob ihr Glas.

      Widerwillig standen auch die anderen auf und kamen näher.

      Susanne versuchte zu lächeln, als die Gläser an das ihre klangen, aber es gelang ihr nicht. Sie wäre am liebsten aufgesprungen und weggegangen. Eine Komödie war das, die hier aufgeführt wurde! Keiner von denen – außer Tante Natalie – wünschte ihr wirklich Glück!

      In diesem Augenblick stand Leopold Eggebrecht auf, der bis dahin sitzengeblieben war. »Meine lieben Verwandten«, sagte er, eigentlich wäre es meine Pflicht gewesen, die erste Rede zu halten – als ältester Eggebrecht. Nun, darauf legte hier anscheinend niemand besonderen Wert.

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