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Angst.«

      Stephan betrachtete sie schweigend. Was für ein seltsames, unbegreifliches Geschöpf sie war! Da saß sie ruhig auf dem Bettrand und verband seine Hände, als wüßte sie nicht, daß unten das Treppenhaus in hellen Flammen stand.

      Einen Augenblick war er versucht, sie in seine Arme zu ziehen. Aber er tat es nicht. Ihre Stimme klang wieder an sein Ohr, wie sie vorhin zu Wagner gesagt hatte: »Ich liebe niemanden.«

      Von draußen kam ein durchdringendes, jammerndes Läuten.

      Stephan sprang auf. »Die Feuerwehr!«

      Er zog Susanne mit sich hoch. »Komm!«

      Dann ging er noch einmal zurück und riß das Leinentuch vom Bett. »Wir hängen es zum Fenster hinaus«, sagte er mit seiner heiseren, krächzenden Stimme, »damit sie uns gleich finden.«

      *

      Die Feuerwehrleute entdeckten sie gleich, und zehn Minuten später waren sie unten. Eine Leiter war angelegt worden, und im Nu war einer der Männer oben bei ihnen gewesen.

      Stephan hatte zuerst Susanne zum Fenster hinausgeholfen. Dann war er selbst nachgestiegen.

      Als sie unten anlangten, kam ihnen als erster Dr. Wagner entgegen – jetzt ganz Arzt und Helfer. »Nichts passiert?« fragte er mit betonter Forschheit und beschäftigte sich dann angelegentlich mit Stephans Händen. In sein Gesicht blickte er nicht.

      Aber es war nicht nur der Gedanke an seine Feigheit, der ihn beschäftigt und verlegen machte. Jochen Wagner hatte auf einmal gewußt, woher das Feuer kam.

      Die Zigarette!

      Er hatte sie angezündet und auf das Fensterbord gelegt. Und dann hatte er sie vergessen!

      Ob es sonst noch jemand wußte? Susanne?

      Als Susanne von der Leiter herunterstieg und den Arzt sah, erkannte sie im gleichen Augenblick, wie das Feuer entstanden war. Sein blasses, furchtsames Gesicht verriet ihn.

      Aber sie sagte nichts. Was für einen Sinn hatte es, davon zu sprechen? Ungeschehen machen konnte man doch nichts mehr.

      Ein paar Stunden später war alles vorbei.

      Als die Feuerwehr einmal da war, war der Brand schnell gelöscht.

      Natürlich waren der obere Flur und ein Teil des Treppenhauses furchtbar zugerichtet, vom Feuer und auch vom Wasser. Und ein widerwärtiger Geruch nach verbranntem und verkohltem Holz lag in den Zimmern. Das Haus war leer. Nur Ste­phan war noch zurückgeblieben.

      Natalie Eggebrecht kam ins Wohnzimmer zurück, in dem er saß. Sie hatte Susanne in einem der Wohnzimmer ein provisorisches Bett hergerichtet. Susanne war sofort in tiefen Schlaf gesunken.

      Natalie ließ sich in einen der tiefen Sessel fallen. »Uff«, stöhnte sie, »das war wirklich ein einzigartiges Fest. So eines habe ich noch nie erlebt, das kannst du mir glauben. Das Kind schläft«, fügte sie hinzu.

      Stephan saß schweigend und starrte auf seine verbundenen Hände.

      »Tut es weh, mein Junge?« fragte Natalie weich.

      Stephan schüttelte schweigend den Kopf.

      Sie lächelte. »Dann mach auch nicht so ein Gesicht«, sagte sie aufmunternd, es ist ja nichts Schlimmes passiert. Gott sei Dank! Allerdings – wenn du nicht gewesen wärst, dann…« Sie dachte an Susanne, die doch allein im oberen Stockwerk gesessen hatte, und schauderte zusammen.

      Stephan winkte ab. »Auch dann wäre nichts geschehen«, sagte er. »Susanne hätte schließlich auch allein ihren Weg zu einem Fenster gefunden.«

      Tante Natalie legte ihre Hand auf seinen Arm. »Aber das konnte niemand von uns wissen«, antwortete sie ruhig, »sie hätte ebensogut irgendwo ohnmächtig liegen können. Jedenfalls hätte sie einen viel ärgeren Schock bekommen, wenn sie da oben ganz allein hätte warten müssen, bis sie jemand herunterholte.«

      Stephan antwortete nicht. Er hatte die Hand über die Augen gelegt.

      »Vielleicht…«, sagte Tante Natalie, »ist es besser, wenn ich ein paar Wochen wegfahre mit dem Kind. In die Berge! Das Haus muß ja auch in Ordnung gebracht werden. Das dauert bestimmt seine Zeit. Und Susanne hat nach diesem Schrecken eine Erholung nötig. Was meinst du?«

      Stephan nickte. »Das ist eine gute Idee, Tante Natalie«, sagte er und stand auf. »Ich muß jetzt nach Hause. Ich muß mich noch umziehen, ehe ich ins Werk gehe.« Er blickte an sich herunter.

      Stephan dachte erleichtert, daß es wirklich besser war für ihn und Susanne, wenn sie erst einmal wegfuhr. Ihre Worte: Ich liebe niemanden! klangen noch immer in seinem Ohr nach. Hatte sie das wirklich so gemeint?

      Als er Natalie die Hand reichte, sagte er wie beiläufig: »Übrigens – Susanne und ich haben uns heute abend verlobt.«

      Natalie starrte ihn sprachlos an. Dann lachte sie: »Und warum sagst du das mit einer solchen Leichenbittermiene?« Aus ihrer Stimme sprach aufrichtige Freude.

      Stephan hatte auf einmal das Bedürfnis, über seine Zweifel zu reden. Und Natalie Egge­brecht war der einzige Mensch, mit dem er darüber sprechen konnte. Er ging zu einem Stuhl und setzte sich noch einmal hin.

      »Ehe das Fest begann«, sagte er, »habe ich Susanne gebeten, meine Frau zu werden. Ihrem Verhalten nach konnte ich annehmen, daß sie damit einverstanden war. Und zwei Stunden später hörte ich sie zu Dr. Wagner sagen, sie liebe niemanden.« Stephans Gesicht war steinern. »Du kannst dir also vorstellen«, fügte er leise hinzu, »daß ich mich jetzt nicht mehr so recht freuen kann.«

      Natalie Eggebrecht blickte mit großen Augen auf Stephan.

      »Und willst du sie trotzdem heiraten?« fragte sie leise.

      Stephan Amsincks Augen blickten hart. »Ja!« sagte er fest.

      Natalie blickte ihn an. Aus seinem Gesicht sprach eiserner Wille. »Warum?« fragte sie.

      »Weil ich nicht mit mir spielen lasse!« Stephan blickte an Natalie vorbei. »Es ist wahr«, sagte er leiser, »ich liebe Susanne, wie ich noch nie eine Frau geliebt habe. Und ich wünsche, ich hätte mich geirrt. Nun, vielleicht erfahre ich eines Tages alles. Aber zum Narren halten lasse ich mich nicht. Auch nicht von Susanne!« Dann ging er.

      Natalie Eggebrecht war zutiefst erschrocken. Sie dachte an die letzte Sitzung der Familie. Wie sie da ausgehandelt hatten, daß Susanne Stephan heiraten müsse, der Familie und der Werke wegen. Wenn er das erst erfuhr! Nun, das durfte er eben nicht erfahren! Ihre Geschwister würden schon nicht darüber reden.

      *

      Am nächsten Tag fuhren Natalie und Susanne in die Berge.

      Susanne und Stephan hatten sich nicht mehr gesehen. Nur ein paar Blumen hatte er ihr geschickt und einen Brief dazu.

      Sie saßen schon im Zug, als Susanne den Brief öffnete. Er war länger, als sie gedacht hatte. Ein unangenehmes Gefühl beschlich sie. Ein Liebesbrief!

      Aber Susanne irrte sich.

      Man konnte Stephans Brief kaum als einen Liebesbrief bezeichnen. Im Gegenteil, er war fast geschäftlich nüchtern. Je weiter Susanne las, desto mehr schwand das unangenehme Gefühl, das sie beim Öffnen empfunden hatte.

      Liebe Susanne, schrieb Ste­phan. Leider haben wir uns vor Deiner Abreise nicht mehr sehen können. Ich bedaure das sehr und möchte Dir deshalb noch einmal schreiben, um alles klarzustellen, was klargestellt werden muß. Ich habe unser Gespräch noch einmal überdacht. Du hast zwar nicht ausdrücklich gesagt, daß Du bereit bist, mich zu heiraten, aber Deinem ganzen Verhalten nach kann ich das doch annehmen. Tante Natalie sagte mir, Ihr würdet etwa vier Wochen bleiben. Ist es Dir recht, wenn wir uns nach Eurer Rückkehr öffentlich verloben? Ich habe außerdem den Wunsch, sehr bald zu heiraten. Bist Du damit einverstanden? Zum Schluß möchte ich Dir und Tante Natalie eine gute Erholung wünschen.

      Dein Stephan.

      Susanne starrte durch das Fenster auf die vorüberfliegende

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