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bald auf den Chemiker, dem langsamen das Bewußtsein zurückkehrte.

      Dann verließ Bellinger das Zimmer und holte aus dem Kirgisenzelt eine Flasche Sekt und ein Glas.

      Maletta war jetzt so weit, daß man ihn aufrichten konnte. Er trank das Sektglas offenbar unter heftigen Schluckschmerzen aus und versuchte dann irgendetwas zu sagen, wobei er Bellinger aus seinen vorquellenden Augen angstvoll anstierte. Aber er brachte nur ein Stöhnen hervor.

      Mit bebender, unsicherer Hand tastete er jetzt nach seiner Brieftasche, schrieb auf eine seiner Visitenkarten mit zittrigen Buchstaben: „Ich verlange von Ihnen dreien ehrenwörtliches Stillschweigen über alles“ und reichte Bellinger dann die Karte, der sie an Blendel und Lossen weitergab.

      Lossen glaubte zu träumen. Das, was er in den letzten Minuten erlebt, seit er das Wachskerzchen angezündet hatte, erschien ihm noch unwirklicher als die Geschehnisse seit seinem Wiedersehen mit dem Baron bis zu dem Zeitpunkt gerechnet, wo dieser das Kirgisenzelt in Begleitung Scharfers verlassen hatte, um Bellinger zu holen. Am seltsamsten aber war jetzt ohne Zweifel diese Bitte Malettas, daß seine Retter Stillschweigen über die letzten Vorgänge bewahren sollten, denn Lossen hatte inzwischen Zeit genug gehabt sich zu überlegen, daß es sich hier kaum um Selbstmord handeln könne. Auch Bellinger nahm wohl ein Verbrechen an. Aus seinem Verhalten ging dies deutlich hervor. Er hatte das Zimmer durchsucht, als forsche er bereits einem unbekannten Mörder nach.

      Eginhard von Blendel zerriß jetzt die Visitenkarte des Chemikers in kleine Stücke, schob diese in die Westentasche und sagte kühl:

      „Ganz wie Sie wollen, Doktor. Von mir aus wird niemand erfahren, daß Sie soeben die Absicht gehabt haben, auf diese wenig kavaliermäßige Weise dieses irdische Jammertal freiwillig zu verlassen.“

      Maletta nickte befriedigt und blickte dann auf Bellinger und Lossen. Dieser beeilte sich, das gleiche zu versichern. Aber Bellinger tat so, als bemerke er die stumme Aufforderung des Chemikers nicht, sondern fragte, indem er ihn scharf fixierte:

      „Der Baron befindet sich in einem Irrtum, nicht wahr, Herr Doktor? Sie wollten nicht selbst Ihrem Leben ein Ende machen, sondern man suchte Sie zu ermorden?“

      Maletta hob abwehrend die Arme. Mit Mühe stieß er hervor:

      „Nein – nein – selbst – selbst …!!“

      „Sie lügen!“ meinte Bellinger schneidend. „Sie sind ja erst durch einen Schlag gegen die linke Schläfe betäubt worden, ehe der Mörder Ihnen die Schlinge über den Kopf streifte.“

      Malettas Gesicht verzerrte sich vor Wut.

      „Verrückt … Unsinn … Sie … sind … betrunken“, lallte er voller Ingrimm. „Selbst … ich selbst … mein Ehrenwort darauf!“

      Doktor Cesar Bellinger zuckte nur die Achseln.

      „Wie Sie wollen, Verehrtester! Was geht es mich an?!“

      Maletta stürzte jetzt ein neues Glas Sekt hinab. Das Schlucken ging schon ohne Schwierigkeiten vonstatten.

      Dann wandte er sich wieder an Bellinger:

      „Ihr Ehrenwort – bitte! Ich verlange es!“

      „Einem Manne, der soeben bewußt eine falsche ehrenwörtliche Erklärung abgegeben hat, verweigere ich dieses Ansinnen“, erwiderte Bellinger kalt. „Im übrigen aber: mir sind Ihre dunklen Angelegenheiten zu gleichgültig, um darüber mit anderen zu reden.“

      Damit verließ er das Zimmer durch die aufgesprengte Flügeltür.

      „Herr Baron“, bat Maletta nach einer Weile recht peinlichen Schweigens, „wollen Sie mir vielleicht ein Auto holen lassen? Ich möchte nach Hause. Ich werde jedenfalls diesen Selbstmordversuch nicht wiederholen.“

      Blendel verbeugte sich knapp und folgte Bellinger, um das Gefährt zu besorgen.

      Lossen war mit dem Chemiker allein. Dieser schaute ihn prüfend an.

      „Mit wem habe ich doch die Ehre?“ fragte er dann. „Ich habe Ihren Namen wieder vergessen.“

      „Lossen“, sagte der junge Maler verlegen.

      „Lossen? Etwa Werner Lossen?“ meinte er unsicher, indem er ihn noch durchdringender musterte.

      Lossen bejahte verlegen. Der Chemiker schien die Diebstahlsgeschichte zu kennen. Kein Wunder weiter. War es doch damals eine richtige Sensation für Berlin gewesen, dieser Prozeß mit all seinen merkwürdigen Begleitumständen.

      „Wie kam es eigentlich, daß ich noch rechtzeitig abgeschnitten wurde?“ fragte Maletta nach einer Pause, während der er grübelnd vor sich hingeblickt hatte. „Befanden Sie drei sich etwa in der Malaienhütte als … als …“ Er suchte vergebens nach einer ihm geeignet erscheinenden Fortsetzung des begonnenen Satzes.

      „Nein, Herr Doktor“, erwiderte Lossen der Wahrheit gemäß, „nur ich war im Nebenzimmer, und dann …“

      Weiter kam Lossen nicht. Bellinger war in die offene Flügeltür getreten und hatte befehlend gerufen:

      „Bitte, Herr Lossen, – ich habe für Sie ein Glas Sekt eingeschenkt. Kommen Sie …! – Sie entschuldigen uns, Herr Doktor, – guten Abend!“ fügte er ironisch hinzu.

      Der junge Maler gehorchte. Im Kirgisenzelt flüsterte Bellinger ihm zu:

      „Setzen Sie sich. Er wollte Sie aushorchen.“ Und laut fuhr er fort:

      „Haben Sie sich schon die neue Posse im Thalia-Theater angesehen, – „Der Teufel lacht dazu“? Da tritt ein nettes, kleines Mäuschen auf, die Fritzi Pelcherzim, – in sechs verschiedenen Hosenrollen. Nur Statistin – aber schick und von einem jungen Gecken kaum zu unterscheiden.“

      Der Baron trat ein.

      „Ah – Ihr beide hier? – Das Auto ist vorgefahren. Ob Maletta ohne Hilfe hinabgelangen wird?“

      Der gutmütige Lossen erhob sich.

      „Wir wollen ihn unter die Arme nehmen“, sagte er zu Blendel.

      Bellinger blieb ruhig sitzen. Als Maletta dann, von den beiden gestützt, durch das Kirgisenzelt schritt, rief er ihm zu:

      „Erholen Sie sich bald, Herr Doktor! Gute Nacht!“

      Die Ironie in seinen Worten war unverkennbar.

      Maletta erwiderte nur:

      „Gute Nacht, und – – herzlichen Dank.“

      Auf der Treppe hörte Lossen plötzlich des Chemikers Stimme wie einen Hauch an seinem Ohr:

      „Besuchen Sie mich morgen in aller Frühe. Sie erhalten dafür dreitausend Mark.“

      Lossen war starr. – Dreitausend Mark …?! Was sollte das nun wieder?

      Abermals das vorsichtige Flüstern des Chemikers:

      „Werden Sie kommen?“

      Der junge Maler nickte, ohne sich die Sache eigentlich lange zu überlegen.

      Das Auto fuhr mit Maletta davon, dem der Baron noch schnell den Überzieher und den Hut geholt hatte.

      Als Blendel und Lossen dann wieder nach oben gingen, sagte der Baron kopfschüttelnd:

      „Eine tolle Geschichte! Bin neugierig, wie Bellinger darüber denkt. Selbstmord hält er für ausgeschlossen. – Toll, – wirklich toll!“

      4. Kapitel

       Der erste Verdacht

       Inhaltsverzeichnis

      Der Baron sollte jedoch vorläufig nichts darüber erfahren, was Bellinger von der ganzen so seltsamen Angelegenheit hielt, da dieser auf Blendels Frage hin erklärte, die Geschichte sei für ihn abgetan. Und dabei blieb er. Hierzu stand freilich sehr im

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