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Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band. Walther Kabel
Читать онлайн.Название Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band
Год выпуска 0
isbn 9788075831101
Автор произведения Walther Kabel
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
„Sie übertreiben, Baron. Ich bin …“
„… ein gefährlicher Schwerenöter“, vollendete Blendel lachend. „Verteidigen Sie sich nicht, Scharfer! Es hat keinen Zweck! Ich bin zum Beispiel sehr gut davon unterrichtet, daß Sie augenblicklich einer schlanken Choristin des Thalia-Theaters den Weg zu den Höhen der Kunst ebnen, einem netten Käfer, der in der Posse „Der Teufel lacht dazu …“ nur in Hosenrollen auftritt.“
Scharfers schwache Seite trat jetzt zutage. Diese Indiskretion Blendels war ihm offenbar keineswegs unangenehm. Er freute sich vielmehr zweifellos darüber, als Don Juan hingestellt zu werden, lächelte wieder mit versteckter Genugtuung und sagte:
„Ihnen entgeht wahrhaftig so leicht nichts, Baron! Ich glaubte, wenigstens diese meine kleine Zerstreuung würde geheim bleiben. – Im übrigen: ich bin mit der Fritzi Pelcherzim – ein Name zum Zungezerbrechen! – noch genauso weit, wie am ersten Tage, als ich sie kennenlernte. Die Kleine hat den lächerlichen Ehrgeiz, sich selbst emporarbeiten zu wollen. Überhaupt ein etwas eigenwilliger Charakter, sage ich Ihnen! Im Privatleben traurig, düster und melancholisch wie ein Moortümpel.“
„Netter Vergleich!“ warf Blendel ein.
Scharfer lachte gutmütig. Dann fuhr er ganz ernst fort:
„Für einen Seelenforscher wäre die Fritzi Pelcherzim ein sehr dankbares Objekt. Ich werde nicht aus ihr klug. Vielleicht lasten ihre häuslichen Verhältnisse auf ihrem Gemüt. Tolle Zustände! Aber das dürfte die Herren nicht weiter interessieren.“
Schon als der Kommerzienrat zum erstenmal den Namen Pelcherzim aussprach, war Lossen leicht zusammengefahren. – Pelcherzim …?! Pelcherzim …?! In seinem Prozeß vor der Strafkammer war der Name doch so nebenbei erwähnt worden. Aber in welchem Zusammenhange, darauf besann er sich nicht mehr. Nun zergrübelte er sich hierüber den Kopf, stierte ganz geistesabwesend vor sich hin …
Pelcherzim …? … Pelcherzim …?
„Woran denkst du, alter Patroklus?“ fragte Blendel mit seiner dröhnenden Kommandostimme.
Lossen schreckte auf.
„Ich … ich … – an die … Skizzen, die ich entwerfen muß …“, stammelte er verwirrt.
Scharfer verabschiedete sich jetzt, reichte auch dem jungen Maler wieder die Hand und ging mit einem „Auf Wiedersehen!“ hinaus.
Blendel schwieg eine Weile. Dann …
„Wie gefällt Dir Scharfer?“
„Oh – ich kenne ihn doch erst zu kurze Zeit, um …“
„Flausen – Blech!“ knurrte der Baron. „Ist er Dir unsympathisch?“
„Das kann ich nicht gerade sagen, obwohl …“
„Nun – obwohl? …“
„Ja, obwohl er mir so einiges aus dem Verkehr mit dem Theatervolk angenommen zu haben scheint. Ich meine: zwei Seelen wohnen in seiner Brust. Er schauspielert so etwas.“
Blendel krümmte sich plötzlich vor Lachen zusammen.
„Schauspielern …?! Scharfer schauspielern! Aber Alterchen, – wie kommst Du darauf?! – Ausgeschlossen! Es ist eine durchaus aufrichtige Natur, hat nur eine Schwäche: die Weiber! Leider ist die bei ihm recht stark ausgebildet, also eine „starke Schwäche“, und in diesem Punkt tut er manches, was vielleicht nicht ganz selbstlos und streng ehrenhaft ist.“
Lossen wollte dem Baron nicht eingestehen, daß er Scharfer vorhin belauscht hatte. Deshalb suchte er Blendel sehr vorsichtig über den Kommerzienrat als Geschäftsmann auszuholen.
„Scharfer besitzt ein Bankgeschäft, nicht wahr?“ fragte er.
„Er ist alleiniger Inhaber der Firma „Reitbänder u. Komp.“, erwiderte Blendel mit Betonung.
„Ob er wohl auch mit Privatleuten kleinere Geschäfte macht?“
„Wie meinst du das? – Natürlich zählt er auch Privatleute zu seinen Kunden.“
„So etwas dunkle Sachen, die er nicht direkt durch die Bank erledigen lassen kann, traust Du ihm nicht zu?“
Blendel schaute den Freund mißtrauisch an.
„Ich verstehe Dich nicht. Wie kommst Du zu dieser Frage? Du mußt doch einen Grund dazu haben?“
Lossen errötete.
„Dringe nicht weiter in mich“, bat er. „Vielleicht vertraue ich mich Dir später an, wenn … wenn ich Scharfer besser beurteilen kann.“
Der Baron schüttelte ärgerlich den Kopf.
„Dann hast Du also noch ein weitergehendes Interesse an dem Kommerzienrat als nur diesen Auftrag für die Erbprinzessin?! – Wozu leugnest Du das?! Du mußt Scharfer auch schon gekannt oder über ihn etwas gewußt haben, bevor ich ihn Dir vorstellte …!! Hör’ mal, alter Sohn, – wenn Du willst, daß ich Dir gründlich helfe – ich meine hinsichtlich der Ermittlung des wahren Diebes – so darfst Du hier nicht wie die Katz’ um den heißen Brei herumgehen. Verstanden!!“
Lossen senkte den Kopf und überlegte. Das dauerte nicht lange. – Ja, der Baron verdiente volle Offenheit …! Ihm durfte er nichts verheimlichen. Und daher sagte er nun, indem er Blendel frei anblickte:
„Ich habe, bevor Du mit Scharfer hier eintratst, diesen bei einem Gespräch mit einem zweiten Herrn belauscht. Und aus diesem Gespräch entnehme ich zweierlei: daß Scharfer weiß, daß der Dieb damals bei dem Rentier Oltendorf nicht die echten, sondern nur Nachahmungen der Edelsteine gestohlen hat, und zweitens, daß Scharfer aus mir unbekannten Gründen überzeugt ist, ich sein zu Unrecht verurteilt worden!“
Der Baron war förmlich hochgeschnellt, faßte sich an die Stirn und rief:
„Mensch, was redest Du da …?! Erzähle genauer! Sonst nehme ich an, Du … Du bist bekneipt oder phantasierst!“
Und Werner Lossen erzählte … – Als er fertig war, saß Blendel mit gerunzelter Stirn da und betrachtete sehr eingehend seine Lackstiefel. Nach ein paar Minuten erst schaute er auf.
„Ich bin eben zu einem Entschluß gelangt. Wir werden diese Geschichte Bellinger erzählen. Das ist was für ihn. Ich habe gleich an Bellinger gedacht, als ich Deine … Deine erste Erzählung hörte. Ich werde ihn heraufholen. Hoffentlich ist er noch nicht allzu betrunken.“
„Wer ist dieser Bellinger?“ meinte Lossen schüchtern. „Und – wäre es nicht besser, Scharfer ganz aus dem Spiel zu lassen?! Sonst verliere ich womöglich den Auftrag für die Erbprinzessin. Man kann nicht wissen …“
Blendel stand schon an der Tür.
„Keine Sorge, mein Alter! Du wirst zu Bellinger schnell Vertrauen fassen. Vorhin saß er beim Whist. Vielleicht dauert es eine Weile, ehe ich zurückkomme. Sieh Dir inzwischen die Nebenräume an. Alles Originalausstattungen, so in der Art wie mein Zelt hier.“
3. Kapitel
Die tanzenden Beine
Lossen war wieder allein. In den letzten zwei Stunden, seit er mit Blendel an der Kranzlerecke zusammengetroffen war, hatte er so viel erlebt, daß er die einzelnen Ereignisse jetzt nochmals an seinem Geiste vorüberziehen ließ, um sich mehr Klarheit über deren Wichtigkeit für seine besonderen Wünsche zu verschaffen. Am meisten interessierte ihn der Kommerzienrat. Von diesem erhoffte er ja nicht nur für ein halbes Jahr lohnende, künstlerische Beschäftigung zu erlangen, sondern erwartete von ihm auch mancherlei, was die Wiederherstellung seines ehrlichen Namens anbetraf. Scharfer mußte ja notwendig gewisse Anhaltspunkte für die Vermutung haben, daß der junge Maler damals zu Unrecht verurteilt