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Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band. Walther Kabel
Читать онлайн.Название Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band
Год выпуска 0
isbn 9788075831101
Автор произведения Walther Kabel
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
„Komödie!!“ raunte er Lossen zu. „Gehen wir also! Meinen letzten Zug nach Potsdam darf ich nicht versäumen. Es ist spät geworden.“
Als die beiden Freunde auf die Straße hinaustraten, tauchte plötzlich Bellinger neben ihnen wie ein Gespenst auf.
„Wo wohnen Sie, Herr Lossen?“ fragte er schnell.
„Lindenstraße 26, zwei Treppen, bei Mörner.“
„Gut – 26 – bei Mörner! – Baron, erwarten Sie mich dort. Die Geschichte mit Maletta hat noch ein zweites Gesicht bekommen. – Fahren Sie morgens mit dem ersten Zuge – es muß sein!“
Damit eilte er davon und verschwand um die nahe Ecke.
„Ein netter Abend!!“ knurrte der Baron. „Jetzt, nachdem Bellinger zwei Klubmitgliedern sozusagen die Maske vom Gesicht gerissen hat, habe ich das Gefühl, die ganz Gesellschaft sei nicht viel mehr wert. Scheußlich! Der Klub ist mir für lange Zeit verleidet.“
„Du denkst also wirklich, daß Scharfer derjenige war, der Maletta aufgeknüpft hat?“ fragte Werner Lossen schüchtern.
„Du etwa nicht?! – Nein, wenn man sich vergegenwärtig, daß das Opfer eines Mordversuches nachher noch alles daransetzt, den Mörder zu verheimlichen, dann – dann glaubt man sich tatsächlich in einem Tollhause zu befinden!! Und dreimal soll der Chemiker bereits ähnliches durchgemacht haben?! Was mag nur dahinter stecken, welche Gründe mag er nur haben, die Geschichte als Selbstmord hinzustellen?! – Begreifst Du das, alter Patroklus?“
Lossen antwortete nicht. Seine Gedanken waren bei der Szene, als Scharfer über den Diebstahl mit dem Manne mit der hellen, energischen Stimme gesprochen hatte. Dies hatte ja für ihn weit mehr Interesse als der aufgeknüpfte Maletta. Und erst nach einer Weile erwiderte er:
„Der Kommerzienrat ist ein sehr gewandter Schauspieler. Wie ehrlich wirkte seine Entrüstung über Bellinger …! Man hätte sich leicht täuschen lassen, wenn eben nicht die Tatsachen gegen ihn gesprochen haben würden. Mir widerstrebt es jetzt geradezu, daß ein solcher Mensch sich für mich verwenden will, – ich meine bei der Erbprinzessin.“
„Unsinn!“ sagte der Baron in seiner derben Art. „Bevor nicht sichere Beweise vorliegen, daß Scharfer ein Lump ist – ich betone, sichere Beweise!! – geht dieses Intermezzo Dich nichts an. – – He – Auto – halt! – Steig ein, mein Alter. Und nun vorwärts nach Deiner Wohnung.“
Das Zimmerchen, das Lossen als „möblierter Herr“ bei der geschiedenen Frau Mörner seit einem halben Jahre inne hatte, erinnerte den Baron lebhaft an den Raum, in dem er seinen Burschen untergebracht hatte.
Der junge Maler entschuldigte sich verlegen.
„Sehr vornehm hause ich nicht, lieber Blendel, wie Du siehst. Ich könnte ja besser wohnen. Aber ich spare jeden Pfennig für meinen großen, einzigen Lebenszweck: meine Schuldlosigkeit zu beweisen!“
„Laß die Erklärungen, Alterchen! Und wenn Du in einem Stall nächtigen würdest: Du bleibst mein Patroklus!“
Die einfache Gaslampe über den kleinen Mitteltisch brannte leise brodelnd, und bei ihrem Schein saßen die Freunde noch bis gegen zwei Uhr morgens auf.
Bellinger kam nicht. Schließlich richtete Lossen für Blendel auf dem Paneelsofa ein Lager her, und sie gingen zur Ruhe, nachdem der Maler den Wecker auf sechs gestellt hatte.
5. Kapitel
Eine Damenbekanntschaft
Blendel wachte jedoch bereits um fünf Uhr morgens ganz von selbst auf. So kam es, daß er noch den ersten Vorortzug nach Potsdam glücklich auf dem Bahnhof Friedrichstraße erwischte – gerade in der allerletzten Sekunde.
Von dem Dauerlauf die Treppen empor und über den halben Bahnsteig bis zum ersten Abteil zweiter Klasse war er doch etwas außer Atem geraten. Erschöpft ließ er sich in die Polster fallen, nahm den weichen Filzhut ab und betupfte mit dem Taschentuch die Stirn.
Ihm gegenüber am anderen Fenster saß eine Dame. Sonst war das Abteil leer. Beim Einsteigen hatte er nur einen flüchtigen Blick der Mitreisenden geschenkt. Für die holde Weiblichkeit hatte Eginhard Blendel nie viel übrig gehabt. Leute wie Scharfer, die jeder Schürze nachliefen, begriff er nicht. Er hielt die Frauen für ein notwendiges Übel. Selbst als junger Leutnant war er ihnen vorsichtig aus dem Wege gegangen. Vielleicht deswegen, weil seine Mutter, die er über alles verehrt hatte, ihn schon frühzeitig immer wieder warnte: „Wirf Dich nicht weg! Spare Dir Deine Liebesfähigkeit für eine auf, die Dein Weib werden soll.“ – Aber die alte, würdige, weltkluge Dame war gestorben, ohne daß ihr Eginhard diese Eine gefunden hatte. Im Regiment nannte man ihn nur den „Mönch“. Weniger zart besaitete Kameraden sagten sogar „Eunuche“. Er lächelte dazu, wie zu vielem, womit jene ihre Zeit totschlugen. Er hatte höhere, geistige Interessen, war so halb und halb Reiseschriftsteller.
Jetzt hatte er die Augen in seiner Ecke geschlossen und „döste“ vor sich hin. – Da – was war das? – Wahrhaftig – ein Schluchzen, ein leises Weinen … Unauffällig blickte er zu seiner Reisegefährtin hinüber. Gleichzeitig merkte er, daß der Zug soeben die Station Grunewald verließ.
Die Dame weinte – weinte sogar ganz fassungslos. Ihr Körper wurde durch die Ausbrüche eines Herzeleides, das stärker war als ihr Bemühen sich zu beherrschen, förmlich hin und her geschüttelt.
Eginhard von Blendel war kaum je in Verlegenheit zu bringen. Seine gesellschaftliche Gewandtheit und Sicherheit und eine etwas derbe Schlagfertigkeit machten ihn jeder Situation gewachsen.
Jetzt peinigte ihn jedoch die Unschlüssigkeit. Was sollte er tun? – Die Fremde gar nicht beachten? Oder – war es vielleicht seine Pflicht als Kavalier, der fraglos den besseren Ständen Angehörigen seine Hilfe anzubieten?
Sein gutes Herz siegte. Er erhob sich und ging die drei Schritte zögernd nach der anderen Seite hinüber.
Die Dame, die ein blaues Herbstkostüm und dazu einen weißen Hut aus Seidenenfilz mit einer Schleiergarnierung trug, hatte den Kopf tief gesenkt und beide Hände vor das Gesicht gedrückt.
„Verzeihung, Gnädigste, – kann ich Ihnen irgendwie dienen?“ fragte Eginhard möglichst sanft. Bei seinen Stimmitteln lagen ihm die weichen Töne nicht recht.
Sie fuhr zusammen. Die Hände sanken herab, der Kopf hob sich und der Baron schaute in das tränenfeuchte Antlitz eines jungen Mädchens von eigenartigem Liebreiz, – wenigstens für seinen Geschmack!
Er liebte die sogenannten „Schönheiten“ nicht. Ein Gesicht mußte den Charakter widerspiegeln, mußte etwas an sich haben, das auf den ersten Blick als etwas Besonderes auffiel.
Hier waren es die Augen. Sie waren dunkel, groß, ganz erfüllt von einem Ausdruck tiefsten Leides jetzt. Sonst schauten sie sicherlich sehr weich und träumerisch in diese schlechte Welt …
Dann öffneten sich die frischen, roten Lippen.
„Mein Herr, Sie tun mir den größten Gefallen, wenn Sie sich nicht um mich bekümmern“, sagte die junge Dame leise. Ihre Stimme schien Eginhard Musik. Sie vibrierte wie die Saite eines Cellos, die zu einem Moll-Ton gestrichen wird.
Der Baron verbeugte sich abermals, wollte wieder an seinen Platz zurück. Aber es sollte nicht sein …
Plötzlich sank die Madonna mit den traurigen Augen wie von einem Schwächeanfall gepackt nach vorn, und Eginhard hatte gerade noch Zeit zuzugreifen und sie aufzufangen …
Sie war ohnmächtig geworden, ruhte jetzt halb an Blendels Brust, der sich neben sie gesetzt hatte, um sie besser stützen zu können.
Sie kam schnell wieder zu sich. Verwirrt, ängstlich